Unverschämt ehrlich

(Radioandacht – Augenblick mal! – Radio HBW – vom 1. Februar 2020)

Wissen sie, warum ich von der Bibel so fasziniert bin? – Sie ist so unverschämt ehrlich mit den Menschen und zu den Menschen, über die sie berichtet. Sie verheimlicht nichts – kehrt nichts unter den Teppich. Sie berichtet davon, wie Gott Menschen aus ihrer Dunkelheit ins Licht holt. 

Was mich dabei so sehr erleichtert ist, dass es Gott nicht darum geht zu demütigen, sondern aufzurichten und wirklichen Halt zu geben. Das Resultat davon ist, dass diese Menschen, von denen die Bibel berichtet, immer wieder neu ihr Vertrauen auf Gott setzen. 

Im Neuen Testament, also im zweiten großen Teil der Bibel, finden wir den Brief an die Hebräer. Dort, im elften Kapitel, werden Menschen aufgezählt, die Gott vertraut haben. Da sind Abraham, Jakob und Mose, Rahab und David und viele mehr – alle Vorbilder im Glauben. Doch wenn wir über sie in der Bibel recherchieren, finden wir so einige, bisweilen sogar sehr ernste Fehler bei diesen Vorbildern. 

Da ist von Betrug die Rede, von Ehe- und Vertrauensbruch, von Totschlag, von Prostitution, um nur einiges zu nennen. Ich weiß nicht! Aber mich erschüttert das. 

Ich denke, dass soll es auch! Die Bibel will nichts für gut erklären, was böse ist. Um so weniger, als dass es hier um Personen des öffentlichen Lebens geht – und das waren diese Menschen. Ihre Fehler und ihr schlechtes Vorbild hatten damals auch üble Folgen. 

Doch die Bibel kehrt nichts unter den Teppich. Sie verschweigt nichts. So finden wir übrigens auch Menschen in der Bibel, die nach der so bekannten Salamitaktik vorgehen. 

Sie gestehen nur scheibchenweise, Stück für Stück ihr Fehlverhalten ein – immer dann, wenn der Druck der Öffentlichkeit zu groß wird und man nichts mehr verheimlichen kann. Andere dagegen, schaffen noch nicht einmal das. Sie können anderen und sich nicht eingestehen, dass etwas schief gegangen ist.  

Dann entdecken wir aber auch, wie die Bibel die Gurke eben nicht von der bitteren Seite her abschält. Sie beurteilt diese Menschen eben nicht von ihrem Fehlverhalten her. Wie oft messen wir unseren Mitmenschen nicht an den bitteren Seiten seines Lebens; an seinen Mängeln?!  

Sehen sie! Genau das tut die Bibel nicht!

Sie verschweigt nichts. Sie beschönigt nichts. Sie misst den Menschen aber auch nicht an einzelnen, mangelhaften Ereignissen in seinem Leben. Sie fragt danach, wie er oder sie damit umgeht. 

Und genau an diesem Punkt kommen wir wieder zu den Vorbildern aus dem Brief an die Hebräer. Der Schreiber dieses Briefes weiß, dass die dunklen Seiten dieser Vorbilder allseits unter den damaligen hebräischen Christen bekannt waren. 

Deswegen erwähnt er einen anderen Charakterzug dieser Vorbilder: Sie haben Gott geglaubt –sich ihm anvertraut – ihm nichts vorgemacht. … Und dann haben sie sich auch ihren Mitmenschen geöffnet.

Da lesen wir in diesem Brief an die hebräischen Christen: „Glaube heißt Vertrauen …“ und: „In diesem Vertrauen haben unsere Vorfahren gelebt und dafür bei Gott Anerkennung gefunden.“ 

Diese Vorfahren sollen also in doppelter Weise Vorbilder sein. Zum einen dürfen und sollen wir uns für sie schämen. 

Denn sie sind ja Teil von uns. Menschen, die auch zum Volk Gottes, zu seiner Gemeinde gehören. Ihr schlechtes Beispiel soll uns motivieren, es anders zu tun und nicht in die gleichen Fallen zu tappen. 

Zum anderen gibt Gott diesen Vorbildern immer wieder die Gelegenheit, ihre Schuld und Last abzugeben. 

Dass sie den Mut haben genau dies zu tun. Dass jeder von ihnen an den Punkt kommt, zu Gott und dann seinen Mitmenschen zurückzukehren. Genau das macht sie zu guten Vorbildern. Denn da ist keiner von den Genannten, der sich nicht korrigieren ließe. 

Die Bibel verheimlicht nichts – wie tröstlich! Sie verheimlicht aber auch nicht, dass es da jemand Konkretes gibt, dem wir uns anvertrauen können. 

Sie spricht von Jesus Christus. Er spricht die Menschen offen und liebevoll an: „Du bist krank. Willst du gesund werden?“ – „Du hast Schuld auf dich geladen. Ich kann dir diese Last abnehmen.“ – „Du gehst gebeugt durch die Schuld anderer. Ich will dich wieder aufrichten – Vertrau dich mir an!“ 

Für die einen war dieser Anspruch damals schon ein Skandal. Andere nahmen dieses Angebot dafür dankend an. Da hat sich bis heute nichts geändert. 

Ich für meinen Teil will das Angebot annehmen – immer wieder neu! Daran erinnert mich die Bibel, wenn ich in ihr lese. Sie fasziniert mich einfach, weil sie so unverschämt ehrlich ist – nicht nur mit anderen, sondern auch mit mir. 

Lassen Sie sich doch auch herausfordern, ermutigen und faszinieren von diesem Buch. Ich kann es jedenfalls nicht lassen… 

Ihr Lars-Uwe Jung aus Aschersleben