In den letzten Wochen durchleben wir eine Zeit, die wir uns so nie vorgestellt hätten. Es ist eine komische Situation. Die allermeisten von uns sind ja nicht direkt vom Virus betroffen. Natürlich – mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen schon.
Diese Situation macht deswegen etwas mit uns. Es ist also gar nicht mal die Krankheit selbst, sondern vielmehr die Unsicherheit, die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von der Krankheit getroffen zu werden – oder vielleicht jemand anders zu infizieren, ohne dass man das selbst will, merkt oder kontrollieren könnte.
Genau in dieser, so seltsamen Situation fasziniert mich die Bibel um so mehr. Sie tröstet mich, lädt mich dazu ein zur Ruhe zu kommen und Halt zu finden, mich selbst anzunehmen.
Sie zeigt mir, wer ich bin: vor Gott unheimlich wertvoll, doch gleichzeitig unerwartet zerbrechlich. Wo ich auch hingucke und die Bibel aufschlage, lese ich genau von dieser Spannung: wertvoll und zugleich zerbrechlich, vielleicht wie eine teure Vase aus chinesischem Porzellan, oder eine aus Meißen.
Da höre ich Jesus zu den Starken und Selbstgerechten reden, die ihn kritisieren, weil er sie durch sein Handeln hinterfragt. Er sagt zu ihnen: „Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken.“ Das ist das Selbstverständnis von Jesus: er kommt als Arzt, als Heilmacher, aber auch als jemand, der den Finger in die Wunde legt – doch eben nicht um wehzutun, sondern um sie zu schließen und zu heilen.
Damit will er uns deutlich machen, wie wertvoll jeder von uns für ihn, für Gott ist. Er lädt uns ein mit allem zu ihm zu kommen – mit allem, was uns belastet, wehtut, schmerzt. Wir sind zerbrechliche Wesen, sowohl körperlich als auch geistlich, moralisch, emotional.
In den letzten Wochen haben wir gesehen, dass das Virus vor niemand Halt macht. Selbst durch und durch gesunde Menschen werden ohne Gnade gefällt und erleben eine Schwachheit, die sie vorher weder gekannt – noch sich hätten vorstellen können. Sie müssen sich ganz neu als zerbrechliche Menschen annehmen.
Darum geht es Jesus: „Nimm dich an, wie und wer du bist!“ Weiter sagt er: „Lass mich an dich ran. Du bist wertvoll für mich egal, ob du gesund oder krank bist.“
Er erinnert uns aber auch daran, dass es eine noch tiefere Dimension gibt, die unsere Zerbrechlichkeit deutlich macht, eine Dimension, die unseren Wert für Gott aber komischerweise nicht mindert.
Wenn wir an Grenzen geführt werden, lernen wir plötzlich Seiten von uns und anderen kennen, die wir sonst nicht gesehen hätten.
Plötzlich werden wir unwillig. Unser Geduldsfaden franst immer weiter aus. Wir beginnen zu Hamstern oder ärgern uns maßlos über diese Spezie von Mensch.
Wissen sie was? Genau zu diesen Menschen ist Jesus gekommen. Er hat sich mit genau denen umgeben. Spricht ihnen einen Wert zu, den andere ihnen verweigern.
Er vollendet seinen angefangenen Satz nämlich und sagt ziemlich angriffig (und genau das ärgert so viele heute wie damals): „Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zur Umkehr zu rufen, sondern die Menschen, die voller Schuld sind.“
Das Interessante dabei ist, dass sich darüber nur die Selbstgerechten ärgern, die Ungerechten aber nicht. Die Letzteren verstehen plötzlich, dass sie für Gott unheimlich wertvoll sind. Sie sind wie zerbrochene, teure Vasen, die wieder zusammengefügt werden sollen.
Jesus macht sie neu, macht uns neu. Wir brauchen nur mit unserer Zerbrechlichkeit zu ihm zu kommen. Wir sind so wertvoll für ihn, dass er sogar sein Leben für uns gegeben hat, um uns wieder heil zu machen, die scheinbar Starken und die unerwartet Schwachen.
Wir brauchen nur zu sagen: „Jesus, komm zu mir!“
Ihr Lars-Uwe Jung
(nach Lukas 5,31-32)