à la Tour de France?

(Ein paar Gedanken zur ersten Hälfte des 20sten Kapitels der Apostelgeschichte.)

Was hat die Tour de France mit Paulus zu tun? Passt da nicht eher der Giro d’Italia? Immerhin war er ja in Rom, aber wohl nie in Paris. Andererseits endet de Italienrundfahrt auch nicht immer in Rom. Worum geht es dann? Im 20sten Kapitel der Apostelgeschichte beginnt Paulus letzte Reise nach Jerusalem (Nach Rom geht es später und anders als erwartet.). Und irgendwie legt Lukas großen Wert auf Details, die man schnell überliest. Ähnliches passiert auch bei den Schlagzeilen über die großen Radrennen in Frankreich und Italien.

Da ist allem voran der Mythos des Einzelkämpfers. 

Oft kennen wir nur die Namen der Favoriten, wenn überhaupt. Dass sie aber nur gewinnen können, wenn ein großes Team hinter ihnen steht, wird oft vergessen. Da sind neben den Trainern, Technikern, Ärzte, Physiotherapeuten, Fahrer, Versorger und so weiter auch die Teamkollegen auf dem Rad. Denn diese Radrennen sind eigentlich Teamsportarten. Jeder Einzelne hat andere Stärken, die an bestimmten Streckenabschnitten wichtig sind – am Berg, auf der Strecke, im Sprint etc. Gemeinsam unterstützen sie den Teamfavoriten, der am Schluss mit dem gelben oder rosa Trikot auf dem Treppchen stehen soll. 

Ähnlich war es auch bei Paulus. Er war eben kein Einzelkämpfer, als der er oft dargestellt wird. Lukas vergisst deswegen nicht, die einzelnen Teammitglieder zu erwähnen. Da hören wir von Sopater, Aristarch, Sekundus, Gaius, Timotheus, Tychikus, Trophimus und anderen. Paulus war es immer wichtig Menschen um sich zu haben. Da ging es nicht nur darum sie auszubilden. Er selbst brauchte emotionale und geistliche Unterstützung in der Gemeinschaft, im Gebet, im Studieren der Bibel, im Hören auf Gottes Stimme, im Schreiben von Briefen. Abgesehen davon war Paulus auch nicht bei bester Gesundheit. Lukas, der die Apostelgeschichte schrieb, war auch Arzt und versorgte Paulus mit seinen Gaben. 

Trotzdem kommt Paulus eine besondere Stellung und Verantwortung zu. Dessen war er sich auch bewusst. Als in Ephesus ein Aufruhr angezettelt wird und er die Stadt verlassen muss, flieht er nicht einfach. Er nimmt sich Zeit, die Christen zum Abschluss zu ermutigen und zu trösten. Dasselbe passiert auch in den anderen Gemeinden, die er besucht. Im Verlauf der Reise passiert sogar ein sehr unglücklicher und auch peinlicher Unfall. Ein junger Mann stürzt im Schlaf aus dem Fenstern im dritten Stock. Beinahe stirbt er. Doch Paulus beruhigt und tröstet die erschrockene Gemeinde. Dreimal lesen wir in diesem Reisebericht so ganz nebenbei vom Trost, von Ermahnung, Ermutigung. Wie auf der Tour oder dem Giro ist der Favorit verantwortlich für sein Team. Paulus nimmt diese Aufgabe wahr. 

Als Drittes wären da die Teambesprechungen. Wie wichtig ist es, dass man sich etwas sagen lässt – Korrektur, Ermutigung, Lösungsvorschläge und vieles mehr. Auch Lukas erwähnt mal wieder so ganz nebenbei, wie wichtig Paulus der Gottesdienst und die jüdischen Feste sind. Ihm ist es wichtig gemeinsam mit anderen auf Gott zu schauen und sich an sein Handeln zu erinnern. Zum Passafest, dem sogenannten Fest der ungesäuerten Brote, erinnert er sich daran, wie Gott sein Volk aus der Gefangenschaft in Ägypten gerettet hat, aber auch an Tod und Auferstehung von Jesus. Denn Jesus ist es, der die Befreiung zum Abschluss bringt. An ihn erinnert Paulus sich gemeinsam mit der Gemeinde auch, wenn er Abendmahl feiert. Das macht er auf seiner Reise immer wieder. Gemeinsam mit seinem Team schaut er auf Erlösung, lässt sich ermutigen und korrigieren, passt seine Pläne an. Er und das Team sind dabei an jedem Ort Bestandteil der Gemeinde. 

Was ist aber der große Unterschied zur Tour de France und dem Giro d’Italia? Lukas erwähnt keine Zuschauer. Selbst wir als Leser dürfen seinen Bericht nicht einfach nur so weglesen und weglegen. Lukas will uns helfen unser Christsein als Gemeinschaft zu leben. Es gibt kein Favoritenchristentum, keine Garantie auf ein Leben ohne Widerstand und Unfälle, auch keinen Glauben ohne Gottesdienst. 

Was ist Glaube dann? Glaube ist Gemeinschaft, ist Trost, ist das Schauen auf Gottes befreiendes Handeln – auch heute noch. Bleib nicht allein!

Hier nochmal der Bibeltext zum Nachlesen:

Nachdem der Tumult vorüber war, rief Paulus die ganze Gemeinde zusammen, um sie zu ermutigen und sich von ihr zu verabschieden. Dann brach er nach Mazedonien auf. Unterwegs besuchte er alle Gemeinden und nahm sich viel Zeit, sie im Glauben zu stärken. So erreichte er Griechenland, wo er drei Monate lang blieb. Er bereitete sich gerade auf die Überfahrt nach Syrien vor, als er davon erfuhr, dass die Juden ihn auf dieser Reise umbringen wollten. Deshalb entschloss er sich, auf dem Landweg über Mazedonien zurückzukehren. Auf seiner Reise begleiteten ihn Männer aus folgenden Gemeinden: aus Beröa Sopater, der Sohn von Pyrrhus, Aristarch und Sekundus aus Thessalonich, Gajus aus Derbe und Timotheus, außerdem Tychikus und Trophimus, die aus der Provinz Asia stammten. Sie waren schon vorausgereist und warteten in Troas auf uns. Wir anderen verließen nach dem Fest der ungesäuerten Brote Philippi mit einem Schiff und trafen nach fünftägiger Fahrt in Troas wieder mit ihnen zusammen. Dort blieben wir eine Woche. Am Sonntagabend, dem ersten Tag der neuen Woche, kamen wir zusammen, um das Abendmahl zu feiern, und Paulus predigte. Weil er schon am nächsten Tag weiterreisen wollte, nahm er sich viel Zeit und sprach bis Mitternacht. Der Raum im Obergeschoss, in dem wir uns befanden, war durch viele Öllampen erhellt. Ein junger Mann – er hieß Eutychus – saß auf der Fensterbank. Während der langen Predigt von Paulus wurde er vom Schlaf überwältigt. Dabei verlor er das Gleichgewicht und fiel durch das offene Fenster drei Stockwerke tief. Als die Männer ihn aufhoben, war er tot. 10 Paulus lief hinunter, beugte sich über den Toten und nahm ihn in seine Arme. Dann sagte er zu den Leuten: »Beruhigt euch! Er lebt.« 11 Paulus ging wieder hinauf; er brach das Brot, und sie feierten gemeinsam das Abendmahl. Er sprach noch lange mit ihnen, bevor er sie dann bei Tagesanbruch verließ. 12 Eutychus brachten sie unversehrt nach Hause. Dass Gott ihn auferweckt hatte, war für die Gemeinde eine große Ermutigung.

(Apostelgeschichte 20,1–12 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)