Bittersüße Wahrheit

(Eine paar Gedanken zur Bibellese dieser Tage zum 63sten Kapitel aus dem Buch des ProphetenJesaja)

Gott fordert uns durch den Propheten Jesaja mal wieder ordentlich heraus. Eigentlich ist Jesaja der Prophet, der uns am meisten Hoffnung macht. Kein anderer spricht so deutlich von Gottes Plan nicht nur sein Volk Israel, sondern alle Völker an seinem Heil teilhaben zu lassen. Im Rückblick sehen wir in Jesajas Worten Weihnachten genauso wie Ostern und Pfingsten. Das macht ihn zu einem der Lieblingspropheten vieler Bibelleser. 

Dann kommen aber auch die Kapitel im Buch dieses Propheten, die uns nachdenklich oder sogar ratlos machen. Nach mehreren Kapitel, die sich leicht lesen ließen und bei aller Ernsthaftigkeit Hoffnung machten, kommt nun das 63ste mit seinem bittersüßen Inhalt. 

Gott scheint wie ein wildgewordener Berserker daherzukommen. Unkontrolliert schlägt er zu und zertrampelt Edom, das Brudervolk Israels, wie Weintrauben beim Mosten. Haben wir nicht Kapitel über Kapitel von Erlösung gelesen? Will Gott doch nicht alle retten? 

Jesaja scheint sich auch gegen diese Gedanken zu wehren und ruft laut: 

An das gnädige Handeln des Herrn will ich mich erinnern .. und an das viele Gute, was er Israel hat zukommen lassen – alles, weil er so barmherzig ist und seine Gnade so groß.

(Jesaja 63,7 frei übersetzt) 

Ich will der Gnade des Herrn gedenken … und der großen Güte an dem Hause Israel, die er ihnen erwiesen hat nach seiner Barmherzigkeit und großen Gnade.

(Jesaja 63,7 nach Lutherbibel 2017) 

Jesaja will so einen wilden Rächergott nicht hinnehmen und denkt zurück. Er nimmt sich Zeit um sich an Gottes Handeln in der Vergangenheit zu erinnern, an die Geschichte seines Volkes mit ihm. Und während Jesaja so spricht und nachdenkt, als er seinen Gedanken laut Ausdruck verleit, kommt er auf die Lösung dieses bittersüßen Geheimnisses. 

Alles liegt an Gottes Barmherzigkeit und Gnade!

Weil es nicht um meine Vorzüge geht, wenn er zu mir kommt, sondern um mich als Person, als ganz einzigartigen Menschen, brauche ich ihm nichts weiter zu bringen. Meine Herkunft, mein sozialer Status, mein Alter, meine Gesundheit, meine intelligenz – all das beeindruckt Gott nicht. Genau das macht er in allen Geschichten in der Bibel so deutlich. 

Esau und Jakob waren Zwillinge. Daraus wurden zwei Völker, aus Esau Edom und aus Jakob Israel. Esau-Edom war der ältere, Jakob-Israel der Jüngere. Traditionshalber wurden damals die Erstgeborenen besonders geachtet. Die danach geborenen hatten nur zu erwarten, was eventuell übrig blieb. Bei Kain und Abel war das auch schon so und dann später bei allen anderen. Auch heute achten wir noch auf solche oder ähnliche Traditionen und Gesetze. 

Denk mal darüber nach …

Nun macht Gott aber etwas ganz, ganz anderes. Er stellt unsere menschlichen Regeln auf den Kopf. Er macht deutlich, dass es wohl in unserer Welt nach solchen Vorzügen geht, bei ihm aber nicht. Er liebt es, die Nummer Zwei zuerst zu nehmen. Er beginnt am ende des Alphabets. Er lässt die Letzten Erste sein. 

Das macht Gott nicht um zu ärgern, sehr wohl aber um uns herauszufordern. Denn letztendlich sind wir vor ihm alle gleich. Niemand ist besser oder schlechter. Weil wir aber so funktionieren, wenn wir ohne ihn denken und leben, fordert er uns immer wieder heraus. Immer wieder unterstreicht er ganz fett, dass er uns lieb hat, weil wir sind und nicht weil wir die Ersten, Stärksten, Gesündesten, Schlausten, Schnellsten, Schönsten etc, etc sind. 

Edom will davon nichts wissen. Über Generationen treibt ihn die Eifersucht gegenüber Israel wie Esau gegenüber Jakob und Kain gegenüber Abel. Edom will der Stärkere sein. Er pocht auf das alte überlieferte Recht. Er will nichts davon wissen, wie es am Anfang war, als Gott die Menschen geschaffen hat. 

Jesaja merkt das. Er merkt aber auch etwas anderes. Er selbst und sein Volk Israel, das Erwählte, vergisst diese gute, barmherzige, gnädige Wahrheit Gottes auch immer und immer wieder. Deswegen dreht Gott seinen Auserwählten auch den Rücken zu. Sie hadern mit ihrem Schicksal, die Jüngeren zu sein und die Zweiten, die Letzten, die Schwächeren und versuchen immer wieder sich das traditionelle Recht zu ermogeln. 

Gott mag aber nicht, wenn wir versuchen uns seine Liebe ermogeln; und er hasst es, wenn wir seine Liebe anderen nicht gönnen.  

Israel scheint sich imemr wieder daran zu erinenern, wie Jesaja es tut. Aber es fällt ihnen schwer es zu fassen. Edom dagegen will überhaupt nichts davon hören, will der Einzige sein, nicht nur der Erste. Genau das lässt Gott letztendlich nicht zu. Doch er fasst die Wahrheit so zusammen: 

Denn ich hatte einen Tag der Rache mir vorgenommen; das Jahr, die Meinen zu erlösen, war gekommen.

(Jesaja 63,4 nach der Lutherübersetzung 2017) 

Gottes Rache ist eben nicht unkontrolliert, wie bei uns Menschen. Gott setzt sich selbst Grenzen und der Strafe ein Ende. Gott hält Gericht – Ja! Aber Gott kommt auch und besonders, genau die zu erlösen, die sich an seine Werte erinnern und zu ihm umkehren. 

Lass Dich also herausfordern! Lass Dich von Gott lieben und versuche nicht, Dir etwas vor ihm zu erarbeiten! Im Glauben gelten andere Regeln als in unserer selbstgemachten Welt. Das heißt nicht, dass es egal ist, wie Du lebst. Aber die Regeln Gottes können unsere Welt, können Deine Umwelt, verändern. Sie können Dich verändern. Sie wollen Dich verändern. Gott wird niemand akzeptieren, der seine Regeln nicht akzeptiert. Aber genau das ist die Gute Nachricht! 

Genau deswegen ist Jesus gekommen. Er ist der einzige, der allereinzigste Erstgeborene, auf den es ankommt. Aber genau der ist zu uns gekommen um uns Gottes Liebe, Barmherzigkeit und Gnade zu zeigen. Er kommt und stellt sich hinten an. 

Dreh Dich doch mal um, wen Du da siehst! Ist es noch bitter?