Das Dorf der Stille

(Ein paar Gedanken zum siebten und achten Kapitel des Markusevangeliums)

Während unserer Zeit im Hinterland Nordostbrasiliens, dem sogenannten Sertão, lernten meine Frau und ich eine Familie kennen, die unter einer besonderen, genetisch bedingten Behindertung litt. Nach und nach verliert ein Teil der Angehörigen Augenlicht und Gehör. Eine Tochter, inzwischen Mitte 40, war sogar blind, taub und stumm zur Welt gekommen. Trotzdem wurde sie, so gut es ging, in das alltägliche Leben integriert. Als wir sie besuchten, spülte sie gerade das Geschirr. Wurde das Wasser knapp, meldete sie sich mit verschiedenen Lauten, die zu ihrer Sprache geworden waren. Aus verschiedenen Gründen konnten wir sie leider nur zweimal besuchen. Wir staunen noch immer über die Geduld der Familie.

Wir waren schockiert und beeindruckt zugleich. Das es diese Mehrfachbehinderung auch in Deutschland gab, war mir unbekannt, bis wir eine sehr sehenswerte Dokumentation in der Mediathek der ARD sahen In der Nähe von Hannover wurde eine Art Dorf eingerichtet, in dem man sich ganz besonders auf diese Menschen einrichtet. Es werden sogar Gottesdienste mit Blind-Taub-Stummen gefeiert. Es gibt wirklich Wege, jedem Menschen Jesus nahe zu bringen! Abgesehen davon, sind wir fest davon überzeugt, dass Gott sich durch seinen Geist selbst Zugänge zu jedem verschaffen kann. Er hat uns ja geschaffen. Wer sollte uns besser kennen?!

Im achten Kapitel des Markusevangeliums lesen wir, wie Jesus 4000 Menschen satt macht, die ihm gefolgt waren und von ihm Hilfe erwarten. Jesus lehrt und heilt sie, wie er es immer tut. Gleich danach fordert die religiöse Elite von Jesus ein Zeichen als Beweis, dass er wirklich von Gott kam und von ihm beauftragt war. Jesus verweigert ihnen den Beweis. Gleich danach ist er mit seinen 12 engsten Nachfolgern zusammen und warnt sie vor dieser Elite, die Glauben auf Religion reduziert. Seine Freunde haben jedoch nichts anderes im Kopf, als dass sie vergessen hatten, Brot für die Reise mitzunehmen.

Jesus merkt, was in ihnen vorgeht und fragt:

Weshalb macht ihr euch Gedanken darüber, dass ihr nicht genug Brot habt? Begreift ihr denn immer noch nicht? Versteht ihr denn gar nichts? Sind eure Herzen so hart und unempfänglich? * Ihr habt doch Augen. Warum seht ihr nicht? Und ihr habt Ohren. Warum hört ihr nicht? Habt ihr schon vergessen, … ?

Markus 8,17–18 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015

Jesus entdeckt nicht nur bei seinen Gegnern, sondern sogar bei seinen engsten Nachfolgern eine Behinderung, die aus dem Herzen kommt. Auch sie führt zu Blindheit, Taubheit und Sprachlosigkeit (denn wer taub ist, hat auch nicht gelernt auszusprechen, eben weil er nicht hören kann). Es ist das immer wieder sich breit machende mangelnde Vertrauen in Jesus.

Jesus verlässt seine Nachfolger nicht. Er entzieht sich uns Menschen nicht, wenn wir uns an ihn klammern, ihn erstmal nur ertasten können, seine Hände, Füße, sein Gesicht. Jesus nimmt sich Zeit für die, die das tun. Es ist genau dieser Prozess, genau diese Zeit, die er dazu nutzt unsere Herzen zu berühren, sie weich zu machen udn empfänglich. Mittendrin gibt er uns das Augenlicht wieder, das wir nie hatten. Er öffnet unsere tauben Ohren, die wir mit so lautem Lärm verstopft haben. Und auf diesem Wege lehrt er uns reden, von dem, was er an uns tut, wie er uns berührt, wie er uns heilt.

Es ist faszinierend, wie aufmerksam Markus zuhört, zuschaut udn dann davon berichtet. Denn genau vor diesen Ereignissen und sofort danach erzählt er, wie Jesus zuerst einen Taubstummen (stumm, weil Taub) heilt (Markus 7,31-37) und dann einen Blinden in mehreren Schritten (Markus 8,22-26).

Jesus findet immer Zugänge zu Menschen. Er nimmt sich Zeit uns zu begegnen. Lassen wir uns doch darauf ein, ihn wirklich an uns ranzulassen. Sonst bleibt er irgendwer, wie jeder andere besondere Mensch, aber eben nicht mehr als das. Genau das ist die Meinung der meisten Menschen über Jesus: „besonders, aber auch nicht mehr„. Bei seinen 12 engsten Nachfolgern, und dann bei viel mehr Menschen, verändert sich jedoch etwas. Sie lernen Jesus zu sehen wie er ist. Sie hören seine Stimme, wie sie wirklich klingt. Sie beginnen davon zu reden, weil sie nicht mehr schweigen können. Sie bleiben nicht stumm. Dann sagt Petrus plötzlich fasziniert:

Du bist der Christus, der von Gott gesandte Retter!

Markus 8,29 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015

Und dann passiert es auf dem Weg, dass sich Jesus seinen Freunden immer mehr zeigt und sie ihn sehen und erkennen, hören und verstehen, ertasten udn begreifen.

Herr Jesus, öffne meine Augen, meine Ohren, meinen Mund! Rühr mich an, damit ich dich sehe, deine Stimme höre, von Dir erzählen kann. Mach mein Herz weich, damit ich dich empfangen kann und mach es weit, damit ich auch andere zu dir lasse.

Zur Beschreibung der Dokumentation Das Dorf der Stille in der ARD Mediathek. Über diesen Link gibt es Informationen, wo man das Video ausleihen kann. Leider dürfen wir unsere persönliche Kopie nicht öffentlich weitergeben.