Ich fange heute einmal wieder mit einer Frage an: “Soll man dem Bösen Gutes gönnen?” Ganz spontan würde ich sagen: “Nein, auf keinen Fall! Wo kommen wir denn da hin? Wir würden ihn ja nur in seiner Bosheit bestärken.” Ich denke mal, dass mir viele zustimmen würden. “Ganz mit Recht!”, würde ich sagen.
Als Christen wissen wir natürlich, dass das nicht so einfach ist. Denn “Christus ist ja für uns gestorben, als wir noch Sünder waren.” Daran erinnert der Apostel Paulus die Christen in Rom (Römer 5,8) Die hatten als solche kein einfaches Leben in der Hauptstadt des Römischen Reiches. Später unter Kaiser Nero sollte es sogar noch schlimmer werden. Das stimmt alles, aber doch ist es leichter gesagt als getan.
Dann lese ich aber dieser Tage das Buch Jona und entdecke in dem Zusammenhang nicht nur etwas Interessantes, sondern auch sehr Wichtiges. Gott will, dass Jona nach Ninive geht und an die Menschen dort Gottes Botschaft weitergibt.
“Geh in die große und mächtige Stadt Ninive und kündige ihren Bewohnern mein Strafgericht an! Denn ihre Bosheit schreit zum Himmel, ich kann sie nicht länger mit ansehen!”
(Jona 1,2 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)
Jeder, der die Geschichte kennt, weiß, dass Jona versucht, sich dem Auftrag zu entziehen. Später geht er aber doch, wenn auch unwillig. Das kann man ihm noch nicht einmal übel nehmen. Denn die Stadt hatte wirklich einen üblen Ruf. Es war nicht ungefährlich, dort hinzugehen, schon garnicht, als frommer Jude. Jona geht aber nicht nach Ninive, weil der Auftrag im zu gefährlich ist. Er ist kein Feigling. Nach einigen Hindernissen, geht Jona doch noch und predigt Gottes Strafgericht.
Dann passiert das Überraschende. Die Menschen erkennen ihre Bosheit und beginnen sich zu ändern. Menschen, die noch nicht einmal an den Gott der Juden glauben, lassen sich plötzlich von ihm etwas sagen. Gott konfrontiert sie ganz klar mit ihrer Bosheit. Dafür brauchte er Jona. Weil diese boshaften Menschen schließlich ihre Bosheit einsehen und sich zum Guten ändern, nimmt Gott seine Drohung die Stadt zu vernichten zurück. Er zeigt seine Barmherzigkeit. Auch dafür brauchte er Jona.
Jona aber ist enttäuscht und sagt zu Gott:
“Ach, Herr, habe ich das nicht gleich geahnt, als ich noch zu Hause war? Darum wollte ich ja auch so rasch wie möglich nach Tarsis fliehen! Ich wusste es doch: Du bist ein gnädiger und barmherziger Gott. Deine Geduld ist groß, deine Liebe kennt kein Ende. Du lässt dich umstimmen und strafst dann doch nicht.”
(Jona 4,2 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)
Eigentlich sollte sich Jona freuen, dass die Menschen ihr Leben zum Guten hin änderten. Sie sind innerlich bewegt und hoffen ganz vage, dass dieser Gott der Juden sich doch umstimmen lässt. Jona hatte sich das schon gedacht und findet das höchst unfair.
Böse Menschen müssen für ihre Bosheit bestraft werden! Wo kommen wir denn sonst hin? In welch einer Welt wollen wir denn leben?
Genau das ist der Gedanke Gottes. Er will eine Welt, in der Barmherzigkeit regiert. Und genau, weil er das will, gibt er auch eine ganz klare Ansage:
“Wenn das so böse weitergeht, werde ich dem gewaltsam ein Ende setzen. Wenn du von deiner Bosheit nicht lassen willst, dann werde ich dich nicht weiter tolerieren. Wenn du nicht Barmherzigkeit übst, werde ich es auch nicht mit dir tun.”
Das sind wieder einmal starke Sätze, die uns nicht leicht in die Ohren gehen. Jona aber weiß, dass Gott barmherzig ist. Das ist einfach das Wesen Gottes: Barmherzigkeit. Er kann nicht anders! Gott toleriert Unrecht dabei aber nicht. Ihm ist es dafür umso wichtiger jedem eine Chance zu geben, auf sich selbst zu schauen und dann in Gottes liebevolles Gesicht. Die Menschen in Ninive haben das kapiert. Jona wehrt sich dagegen. Aber auch mit ihm hat Gott Geduld und lässt sich in ein Gespräch mit ihm ein.
Als die Menschen viel später Jesus kritisieren, weil er ihre herzlose Haltung hinterfragt, erinnert er sie mehrmals an Jona.
“Was seid ihr nur für eine böse und gottlose Generation! Ihr verlangt nach einem Beweis, doch den werdet ihr nicht bekommen. Ihr und eure Zeitgenossen werdet nur das Wunder sehen, das am Propheten Jona geschah.« Mit diesen Worten ließ Jesus sie stehen und ging weg.”
(Matthäus 16,4 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)
Schließlich stirbt Jesus am Kreuz und nimmt die Strafe der Unbarmherzigen auf sich. “Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.”, ist einer seiner letzten Sätze, bevor er stirbt. Jesus stirbt, um uns Gottes Liebe und Barmherzigkeit zu zeigen, aber auch seine Gerechtigkeit. Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit – wie bei Jona.
Jetzt ist es wieder an uns: “Sollen wir dem Bösen Gutes gönnen?” Ja, das sollen wir, Gottes Vergebung nämlich. Wir gönnen jedem das, was wir selbst erlebt haben: Barmherzigkeit, Vergebung, neue Gerechtigkeit. Lasst uns dafür kämpfen, gegen Unrecht anderer, aber auch gegen die Versuchung unsere Meinung von dem durchzusetzen, was wir meinen das recht ist.
Freuen wir uns einfach daran, dass Gott es schließlich recht machen wird. Welch ein Gott ist nur unser Gott! Ich staune …