Ich denke, jeder von uns hat sie: gute und schlechte Erinnerungen. Viele kann man ganz gut wegstecken und vergessen, wahrscheinlich die meisten. Sie verdienen es nicht, im Gedächtnis zu bleiben. Das Leben läuft halt weiter. Es bleibt nicht stehen. Auch das ist eine gute Sache. Manche Erinnerungen hängen uns aber nach.
Sie haben sich festgetackert in unserer Erinnerung, wie ein störendes Preisschild, das man vergessen hat, nach dem Kauf des Pullovers abzumachen. So schön, das neue Kleidungsstück ist und so bequem es sein könnte. Irgendwas stört. Wie gut, dass wir uns daran erinnern, wie wir es abtrennen können. Dann wird der Pullover wieder sitzen, sich schön anschmiegen und uns ein zufriedenes Lächeln auf das Gesicht zaubern.
Natürlich gibt es auch genug Erlebnisse, die man gerne in Erinnerung behalten will. Selbst, wenn sie schon lange her sind, will man sie nicht loslassen. Gerne holt man sie wieder in Gedächtnis uns teilt sie mit Freunden. Wenn sie auch verstaubt sind, holt man sie raus und schüttelt sie, damit sie wieder glänzen.
Als Jesus auferstanden ist, setzt er sich immer wieder während vierzig Tagen mit seinen Freunden zusammen. Er erklärt ihnen noch viele neue Sachen, erinnert aber auch an die Erlebnisse, die sie mit und ohne ihn gemacht haben. Dabei sind schöne und auch weniger schöne, ja bittere.
Für Thomas hat sich die Kreuzigung, die er nur von ferne mit angesehen hat, so fest eingebrannt, dass er es zuerst gar nicht akzeptieren kann, dass Jesus auferstanden ist und lebt. Die Erinnerung an die Kreuzigung nimmt ihm Jesus nicht. Aber er löst das angetackerte Preisschild des schlechten Gewissens und der Schuld. Weil Thomas nicht dabei war, als der lebendige Jesus seinen Freunden begegnet, nimmt er sich extra Zeit, um dem, in Trauer gefangenen Zweifler zu begegnen.
“Auch wenn Du mich nicht siehst, Thomas, lerne mir zu vertrauen; denn ich sehe dich.” Das sagt Jesus auch zu uns: “Auch, wenn Du mich nicht siehst, lerne mir zu vertrauen; denn ich sehe Dich. Und darauf kommt es an.”
(frei nach Johannes 20,26-29)
Ein paar Tage später nimmt er sich wieder Zeit für seine Freunde. Wie Jesus ihnen gesagt hatte, waren sie nach Galiläa gegangen, wo sie auf ihn warten sollten. Sie nutzen die Zeit um im See Genezareth zu fischen. Immerhin waren sie ja einmal Berufsfischer gewesen. Doch irgendwie fangen sie die ganze Nacht keinen einzigen Fisch. Müde von der Nachtarbeit, hören sie eine Stimme vom Ufer und merken, dass es Jesus ist. Denn sie erinnern sich an das Erlebnis, das sie mit Jesus gemacht hatten, als er sie gerufen hatte, ihm nachzufolgen. Das war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft gewesen, die am Kreuz so plötzlich und unerwartet endete. Das Schlimme daran war, dass sie selbst nichts dagegen unternommen hatten. Sie hatten ihren Jesus, den besten Freund, den man sich vorstellen kann, im Stich gelassen um ihre eigene Haut zu retten. Das plagte sie doch noch.
Doch jetzt ruft sie Jesus wieder zu sich. Wie beim ersten Mal, beschert er ihnen auch diesmal wieder einen großen, unerwarteten Fang. Jesus erneuert die Freundschaft. Ihm ist es wichtig zu zeigen, dass er seine Freunde nicht hängen lässt.
Dann passiert aber noch etwas. Jesus sitzt am Ufer an einem Holzkohlefeuer und ruft seine Freunde zu sich mit ihm zu essen. Das letzte Mal, als Petrus an solch einem Feuer saß, hatte er Jesus verraten. Doch jetzt ruft Jesus ihn an ein neues Feuer und stellt sich ganz besonders zu seinem Freund Petrus.
Halten wir das doch in unserem Gedächtnis fest. Durch gute und schlechte Zeiten vergisst uns Jesus nicht. Wir sind keine ärgerlichen Preisschilder, die er von seiner Kleidung löst. Denn er hat den Preis bezahlt. Er liebt es, sich mit uns zu umgeben, wie wir es mit guter und bequemer Kleidung tun. Er pflegt sie und reinigt sie. Er vergisst sie nicht im Schrank bei den Mottenkugeln.