Im Angesicht des Lebens

(Ein paar Gedanken zum elften Kapitel des Johannesevangeliums.)

Ich denke, wir kennen alle diese Situationen, in denen es uns schwer fällt Entscheidungen zu treffen. Manche haben größere, andere kaum oder gar keine Konsequenzen. Welche Schuhe kaufe ich oder Kleidung? Für mich persönlich kann das sogar zur Tortur werden – und um so mehr für meine Frau. Viele von uns kennen das aus eigener Erfahrung. Letztendlich sind das aber die weniger schweren Entscheidungen, die man treffen muss. Zu den größeren gehören eher die Berufsfindung oder die Partnerwahl. All das wird immerhin unser Leben in Zukunft bestimmen. Gott sei Dank geht es eigentlich nie um Leben oder Tod. 

Doch genau in dieser Situation findet sich Jesus plötzlich wieder. Er ist in der Zwickmühle. Er wird gebeten einen Besuch in Betanien, nahe Jerusalem, zu machen und befindet sich nur zwei Tagesreisen entfernt im Jordantal. Der Grund ist sogar dringend. Lazarus, einer seiner besten Freunde, ist todkrank. „Komm und mach ihn bitte gesund.” ist die Bitte der Schwestern Marta und Maria. Jesus aber zögert. 

Was ist das Problem? Nun, dort in Judäa gab es einflussreiche Leute, die Jesus nicht nur nicht mochten. Sie hatten versucht ihn umzubringen. Das war allen bekannt. Jesus ist also wirklich in der Zwickmühle. Entweder lässt er Lazarus sterben und bleibt selbst am Leben. Oder er heilt seinen besten Freund und riskiert sein eigenes Leben. So einfach ist die Entscheidung also nicht. Es geht eben nicht um ein Paar Schuhe oder Hosen, noch nicht einmal um Berufs- oder Partnerwahl. Jesus findet sich ganz existentiell im Angesicht des Todes wieder. 

Und so wartet er noch zwei Tage, bis er sich endlich entschließt nach Betanien und dann Jerusalem zu gehen. Während dieser 48 Stunden ereignen sich dann auch Dinge, die zur Entscheidung führen dem Rachen des Löwen entgegenzugehen. Was wir erst später erfahren ist, dass Lazarus schon einen Tag nach der Nachricht von seiner Krankheit verstirbt. Jesus wäre also auf jeden Fall zu spät gekommen, und er wusste das. 

Jesus war sich aber auch im Klaren, dass ihm dasselbe Schicksal bevorstand. Denn als er bei der Trauergesellschaft in Betanien eintrifft und den Schwestern gegenübersteht, bricht er in Tränen aus. »Herr, wenn du hier gewesen wärst, hätte mein Bruder nicht sterben müssen« So drücken es Marta und Maria nacheinander aus. Nein, dass hätte er wirklich nicht. Doch Jesus ist während der zwei Tage des Wartens und der zwei Tage der Reise um so klarer geworden, dass er selbst den Tod überwinden würde. Mit Lazarus sollte und wollte er deswegen ein Zeichen setzen. Und so sagt er zu Marta, der das alles noch gar nicht so klar war, wie sie dachte: 

Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe; * und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?

(Johannes 11,25–26 nach der Lutherbibel von 2017)

Marta entgegnet ihm: 

Ja, zu diesem Schluss bin ich auch gekommen. Ich glaube!

Dass Jesus ihren Bruder Lazarus auferwecken würde, hätte sie sicher nicht mehr gehofft. Doch Jesus tut es. Er macht es zuerst einmal um seiner Freundschaft willen. Dann setzt er aber auch ein sichtbares Zeichen zu seinen Worten. Er gibt nicht nur Leben. Er ist das Leben. Er lässt nicht nur Menschen auferstehen vom Tod. Er ist die Auferstehung. Und nur eine gute Woche später wird er selbst sterben und auferstehen. Er wird selbst durchleiden, was Lazarus, Marta und Maria und alle anderen Menschen erleiden, uns eingeschlossen. 

Doch den Menschen, die ihm vertrauen, verspricht er ein neues Leben, das den Tod überwindet, der uns alle treffen wird. Jeder, der Jesus glaubt, wird ein Leben geschenkt bekommen, dass nicht vergeht. 

Wir werden leben, wenn wir auch sterben. Das ist mehr als unglaublich, das ist großartig! Dann kommen Gottes Ehre und unsere Freude zusammen.