Ja, wo bleibe ich denn dann?!

(Ein paar Gedanken zu Kapitel 14 und 15 aus dem Johannesevangelium.)

Ja, wo bleibe ich denn dann?!

Das ist die altbekannte Frage, die man sich stellt, wenn man zwischen die Fronten gerät oder in einer Auseinandersetzung aufgefordert wird zurückzustecken. Das ist keine Frage, die sich Leute stellen, die wissen, wie sie sich souverän durchsetzen können. Es ist aber auch nicht nur die Frage derer, die den Kürzeren ziehen müssen.  

Ja, wo bleibe ich denn dann?!

Das ist vielmehr die ehrliche Frage derer, die Mut haben, sich auf einen Dialog einzulassen. 

Natürlich darf diese Frage von Sorgen begleitet werden. Sie kann aber auch dazu führen einen Platz zu finden, der einem nicht genommen werden kann. Sie kann auch dazu führen Platz zu machen für den, der einen nicht in die Enge treibt, sondern in die Weite führt. 

Es ist Jesus selbst, der diese Frage während der letzten Abende vor seiner Kreuzigung thematisiert. Er ist im Gespräch mit seinen engsten Vertrauten und spricht einerseits von einer Bleibe in der Zukunft. Andererseits vertröstet er seine Freunde nicht. Er missbraucht ihr Vertrauen nicht. Er bietet eine Bleibe für die Gegenwart an. Er selbst möchte aber auch bei seinen Vertrauten bleiben. Noch mehr sogar! Er selbst verspricht, bei denen zu bleiben, die sich ihm anvertrauen. Beginnen tut er jedoch mit der Zukunft. Er muss seine Vertrauten verlassen, damit er etwas ganz Großes vorbereiten kann. 

»Lasst euch durch nichts in eurem Glauben erschüttern!«, sagte Jesus zu seinen Jüngern. »Vertraut auf Gott und vertraut auf mich! * Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich dann etwa zu euch gesagt, dass ich dorthin gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?

(Johannes 14,1–2 nach der Neuen Genfer Übersetzung der Bibel)

Selbst wenn wir hier in so manch einer Situation den Kürzeren ziehen müssen; wenn wir uns ehrlich fragen, wo wir denn bleiben, wenn der andere sich sein Recht einfach nimmt; genau dann haben wir dieses Versprechen auf unserer Seite. Wir haben eine Bleibe, die uns niemand nehmen kann, kein Mensch und kein Umstand. Es gibt kein Ende für die, die sich Jesus anvertrauen.

Dann kommt Jesus aber auch auf unsere konkrete Gegenwart zu sprechen. Er macht das ganz unabhängig von den Umständen, die uns umgeben. Er hängt es an unser Vertrauen ihm gegenüber. Vertrauen zeigt, dass eine Beziehung in Ordnung ist. Vertrauen kann man damit beschreiben, dass man auf das Wort zählt, das einem gegeben wurde. Man hält sich an dem Wort fest, sei es ein Versprechen oder eine Handlungsanweisung. Man vertraut darauf, dass es so richtig ist, wie einem gesagt wurde. Liebe sieht so aus. Sie ist von Vertrauen geprägt. Deswegen sagt Jesus folgendes: 

Wenn jemand mich liebt, wird er sich nach meinem Wort richten. Mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.

(Johannes 14,23 nach der Neuen Genfer Übersetzung der Bibel)

Es geht also nicht nur darum, dass wir eine Bleibe finden. Es geht auch darum, dass wir bereit sind Platz für Jesus zu machen, für ihn und Gott den Vater. Sie wollen bei uns bleiben, bei Dir und mir. Ich finde das einen phantastischen Gedanken. Es ist aber keine Phantasie, sondern phantastische Wirklichkeit. Gott bleibt bei mir. Er will eine Bleibe bei mir finden. Er beengt Dich nicht und mich nicht. Er tröstet, wenn wir uns fragen, wo wir denn bleiben. Er lädt uns ein uns zu reflektieren, wenn wir anderen ihre Bleibe streitig machen. Er steht uns auf jeden Fall immer bei und wendet sich nicht plötzlich gegen uns. Er führt uns den Weg zu der Wohnung, die uns niemand nehmen kann. Er tut aber noch mehr. 

Jesus gibt uns in unserem Heute und Morgen auch Halt, Energie zum Leben, Kraft über uns hinaus zu wachsen und davon anderen mitzuteilen. Diese ist Teilnahme, diese Bleibe, diesen Platz beschreibt Jesus mit einem Weinstock. 

Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wenn jemand in mir bleibt und ich in ihm bleibe, trägt er reiche Frucht; ohne mich könnt ihr nichts tun.

(Johannes 15,5 nach der Neuen Genfer Übersetzung der Bibel)

Wenn wir eine Bleibe bei Jesus und er bei uns gefunden hat, brauchen wir also keine Angst mehr davor zu haben, dass uns jemand das Wesentliche im Leben rauben könnte. Es stimmt, das ist schnell und leicht gesagt. Aber es sind auch Worte, die vom dreieinigen Gott kommen. Es sind Worte, die er an uns als seine Vertrauten richtet. Deswegen ist es gut sie langsam zu kauen, alle Geschmacksnoten wahrzunehmen und zu genießen und nicht schnell runterzuschlucken. Gott nimmt sich diese Zeit mit uns zu speisen. Er lässt uns nicht allein am Tisch sitzen. Bei ihm dürfen wir bleiben! Phantastisch!