Es ist an einem nebligen Tag. Ich gehe über Wiesen und Felder. Bin fasziniert, wie das dumpfe Licht eine ganz besondere Atmosphäre schafft. Es ist nicht nur ein besonderes Grün oder Braun im Nebelweiß, sondern auch die kleinen Tautropfen auf den Gräsern und zwischen den Spinnweben, die silbrig-weiß glänzen. Ich freue mich über meine warme Kleidung, beginne aber mit der zeit zu frösteln. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen, den Kamin oder die Heizung anzumachen und einen warmen Tee zu trinken. Ich freue mich, dass ich ein Zuhause habe, warme Kleidung und leckeres Essen und Trinken genießen kann.
Der Prophet Jesaja nimmt all diese Bilder gegen Ende seines Buches, im 59sten Kapitel, auf. Er spricht aber von kaputter Kleidung, ungesunder Nahrung und einem Zuhause, in dem man sich nicht mehr wohl fühlt. Mittendrin hört er die Frage, warum Gott so fern ist und man nichts mehr von ihm hört. Es ist die Frage der Desillusionierten und Frustrierten. Sie haben sich soviel Mühe gegeben ihr Leben zu gestalten und ihrem Glauben Form zu geben. Doch letztendlich bleiben ihnen nur dumpfe Erinnerungen. Die Landschaft, die so schön aussah, ist nun nur noch kalt, die Kleidung zu dünn, und das Essen hat einen bitteren Nachgeschmack. Dabei hat alles so schön angefangen…
Letzens habe ich in einem Instagram-Beitrag die folgende Frage gelesen:
“Rate mal, wer sich bewegt hat, wenn Gott so weit weg scheint.”
(aus dem englischen Original von Ben D. Fitzgerald, 22. Nov 2020)
Vielleicht hat er ja auch gerade dasselbe Kapitel bei Jesaja gelesen? Der Prophet spricht nämlich genau diese Situation an, in der sich die Menschen befinden, die zu ihm kommen. Es ist nicht Gott, der sich entfernt hat. Es ist nicht er, der es im Leben ungemütlich macht, das Essen bitter und Trinken schal schmecken lässt. Es liegt an uns selbst. Jesaja richtet strenge, aber von Herzen gut gemeinte Worte an sein Volk:
“Sie brüten Natterneier und weben Spinnweben. Isst man von ihren Eiern, so muss man sterben, zertritt man sie aber, so fährt eine Schlange heraus. Ihre Gewebe taugen nicht zu Kleidern, und ihr Gespinst taugt nicht zur Decke. Ihre Werke sind Unheilswerke, an ihren Händen ist Frevel.”
(Jesaja 59,5-6 nach der Lutherbibel 2017)
Jesaja kritisiert aber nicht in erster Linie offene Bosheit. Er hinterfragt die grundsätzliche Haltung der Menschen, die frustriert zu ihm kommen. Sie meinen ihr Leben selbst reparieren zu können. Gott ist gut für den Glauben. Für das konkrete Leben muss man aber selbst Hand anlegen. Was würde schon sonst aus einem werden?! Das Schlimme ist, dass sie auf den ersten, und sogar den zweiten Blick, Recht haben. Letztendlich vergessen sie, dass sie das Vergängliche gegen den Ewigen getauscht haben, den gute Schöpfer gegen seine Schöpfung.
“Und die Wahrheit ist dahin, und wer vom Bösen weicht, muss sich ausplündern lassen. Das alles sah der Herr und es missfiel ihm sehr, dass kein Recht war.”
Jesaja 59,15 nach der Lutherbibel 2017)
Jesaja erinnert sie jetzt, dass Gott um die Situation weiß. Wenn sie ihn auch aus den Augen verloren haben. Er hat sie nicht vergessen. Aber er wartet und gibt Gelegenheit zum Nachdenken, bevor er handelt. Mit diesen Gelegenheiten geizt er auch – Gott sei Dank – nicht.
Denn wenn wir ernsthaft nach ihm fragen, entzieht er sich uns nicht. Er will uns helfen nach ihm Ausschau zu halten. Das bedeutet auch, dass wir uns vom Giftigen und Zerrissenen abwenden, von dem, das nicht hält.
Doch bevor wir daran denken, macht sich Gott selbst auf. Er zieht sich passende Kleidung an, die er uns dann auch schenkt. Er verschenkt nichts, was im Morgengrauen zerfällt. Er bietet Kleidung, die dauerhaften Schutz gibt, kein billiges Zeug. Er wird das Richtige tun und Recht schaffen.
“Aber für Zion wird ein Erlöser kommen und für die in Jakob, die sich von der Sünde abwenden, spricht der Herr. Und dies ist mein Bund mit ihnen, spricht der Herr: Mein Geist, der auf dir ruht, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen von deinem Mund nicht weichen noch von dem Mund deiner Kinder und Kindeskinder, spricht der Herr, von nun an bis in Ewigkeit.”
(Jesaja 59,20.21 nach der Lutherbibel 2017)
Zion ist der Ort der befreienden Gegenwart Gottes und Jakob der Mensch, dem er sich zuwendet. Jakob ist aber auch ‘der krumme Hund’, der immer wieder ‘sein Ding drehen will’. Gott ist aber auf dem Weg um ihn heil zu machen und von Bindungen und falschen Vorstellungen zu befreien.
Jesaja will auch uns Hoffnung machen, die wir seine Worte lesen. Er will uns aber auch nichts vormachen. Er richtet ehrliche Worte an Dich und mich. Er fordert uns auf, unsere Ideen gegen Gottes Ideen für uns auszutauschen. Er lädt uns ein, uns dem zuzuwenden, der uns wirklich helfen kann. Denn der wird uns nicht enttäuschen. Wir werden ihn sehen, wenn wir uns auf den Erlöser einlassen. Genau dann! Er lädt uns ein, nach einer frostigen Wanderung zu ihm nach Hause zu kommen. Bei ihm ist es wirklich gemütlich. Er öffnet uns wieder den Blick für das wahrhaft Schöne.