Vereinnahmt

Ein paar Gedanken zur Bibellese dieser Tage, besonders Lukas 23,26-31 und über den Weg Jesu nach Golgotha.

Bestimmt kennt Ihr solch eine Situation aus Spielfilmen. Da passiert ein Überfall. Die Diebe fliehen. Ein Zeuge oder vielleicht sogar ein Polizist, der zufällig Zeuge wird steht ratlos da. Er hat kein Fahrzeug. Blitzartig schaut er sich um, springt auf die Straße, hält ein Auto an, wirft den Fahrer raus und übernimmt die Verfolgung. Meist nimmt das konfiszierte Auto großen Schaden. Der Besitzer ist weiter nicht wichtig. Seine Nebenrolle wird schnell vergessen. Aber der Name erscheint wieder im Abspann des Films unter unzähligen anderen. 

Ähnlich scheint es Simon von Kyrene zu gehen. Er war aus der Küstenregion Libyens nach Jerusalem gezogen und hatte eine kleine Landwirtschaft außerhalb der Stadt. Am Tag, bevor das große Passafest beginnt, geht er nochmal aufs Feld. Rechtzeitig zum Vorabend des Sabbats will er wieder zuhause sein. Deswegen macht er sich um de Mittagszeit wieder auf Richtung Jerusalem. 

Eine große Menschenmenge begegnet ihm. Plötzlich ist er einer von den vielen. Er weiß gar nicht, was ihm geschieht, als er von römischen Soldaten gepackt wird und das schwere Kreuz eines, der drei Todgeweihten aufgebürdet bekommt. Ob er es rechtzeitig zu seiner Familie schafft um sich aufs Fest vorzubereiten? 

Was soll das?

Jesus ist einer der drei Todgeweihten und sogar der, dem am meisten Aufmerksam gewidmet wird. Er richtet sich auf, atmet kurz durch und kann jetzt die Menschen hören, die ihm ihr Mitleid zurufen. Viele, wahrscheinlich de meisten, sind Frauen. Sie weinen und klagen über das Schicksal, dass Jesus erleiden muss. 

Doch jetzt, wo Simon von Kyrene, das Kreuz von Jesus übernommen hat, bietet sich ein kleiner Augenblick auf die Klagenden einzugehen. Simon schenkt Jesus, ohne es zu merken, Zeit für eine wichtige Botschaft:

Klagt nicht über mich, sondern schaut auf euch! Jetzt ist nicht Zeit Mitleid mit mir zu haben, sondern über euch selbst nachzudenken. Es wird eine Zeit kommen, in der ihr großes Leid ertragen müsst und euer Ende herbeisehnt.” 

Dieses Leid wird ganz konkret etwa 40 Jahre später über Jerusalem kommen. Jesus geht es aber um mehr. Jesus bittet die Klagenden diesmal nicht auf ihn zu schauen, sondern auf sich selbst. 

Jesus geht es nicht um Mitleid, sondern um Trost.

Niemand aus der großen Menge, weder die Spötter noch die Klagenden, merkt, was an diesem Nachmittag wirklich vor sich geht. Niemand ahnt oder versteht, dass Jesus schon auf dem Weg nach Golgatha dabei ist alle ihre Schuld und Not und Krankheit einzusammeln. Niemand ahnt oder versteht, dass Jesus am Kreuz alle ihre Schuld und Not und Krankheit tragen wird. 

Viele Menschen schauen auf Jesus als Täter, andere als Opfer. Aber beide Gruppen vergessen, auf sich selbst als Täter und Opfer zu schauen. Beide verstehen nicht, dass Jesus Mitleid mit ihnen hat, dass er wirklich Trost geben kann. 

Die Menschen verstehen es in dem Moment nicht. Später aber erinnern sie sich genau an die Worte von Jesus. Viele nehmen den Trost an, den Jesus ihnen immer noch bietet, auch die Familie von Simon, wie wir woanders lesen. Wäre Simon nicht die Zeit geraubt worden, hätte sie Jesus nicht gehabt, um an ihn selbst als Trost zu erinnern. 

Lassen wir uns deswegen nicht von Simon und der Menschenmenge ablenken. Erinnern wir uns an Jesus und daran, dass er unser Trost sein will. Erinnern wir uns auch an uns selbst, die wir den Trost so nötig haben. Und wenn wir in Not geraten, bitten wir nicht, dass die Berge auf uns fallen, sondern Jesus genau in dieser Situation zu uns kommt und uns erfüllt. 

Weine nicht über Jesus! Lass Dich von Jesus vereinnahmen und trösten!