Von Angebern, Langweilern und Narren

(Ein paar Gedanken zur täglichen Bibellese dieser Tage aus 2.Korinther 10-12)

Geht es Ihnen nicht auch so? Ich lese gerne Biographien von Menschen, die mit Jesus Großes erlebt haben. Lebensbilder nennt man diese Bücher auch. Andererseits fühle ich mich von manchen Berichten über persönliche Glaubenserlebnisse seltsam, manchmal unangenehm, berührt. Ich frage mich: „Warum erlebe ich das nicht? Ist etwas falsch in meinem Glauben?“ oder: „Kann ja garnicht sein! Pure Übertreibung!“ Schnell beginnt man sich mit anderen zu vergleichen. Ohne, dass man es merkt, gerät man in Konkurrenz zu seinen fernen oder nahen Mitchristen. Bei den sogenannten Lebensbildern ist die Gefahr vielleicht nicht so groß, wie bei Berichten von Menschen, die man selbst kennt oder zumindest anfassen kann. Was beides jedoch eint ist, dass man sich schnell an äußeren Dingen festmacht und Jesus aus dem Block verliert.

Paulus kommt in drei Kapiteln, gegen Ende seines zweiten Briefes an die Christen in Korinth, genau auf diesen Punkt. Er fragt die Korinther, welche Gründe es eigentlich gibt mit seinem Glauben anzugeben (sich zu rühmen)? Er fragt auch, was es nützt mit seinem Mitchristen in ‚geistliche‘ Konkurrenz zu treten? Er nennt das alles dummes Zeug, Torheit. Nur Narren leben so, schreibt er.

Dann macht er sich aber doch noch zum Narren, und das mit voller Absicht. Er berichtet von seiner ehrbaren Herkunft, seinem Ehrgeiz, seinen Plänen, dann von seinen gefährlichen Reisen, aber auch von vielen Missgeschicken. Er verschweigt seine Schwächen nicht, aber auch nicht seine Errungenschaften. Er hat keine herausragende Redegabe, schreibt aber Briefe mit tiefen Inhalten. Mittendrin darf er doch auf die Zeichen eines Apostels verweisen, die ihn begleiten. Dann erwähnt er sogar ein geistliches Erlebnis, das ihm (oder einem anderen Bekannten) passiert ist, eine unbeschreibliche Vision vom Himmel, ein unvergleichliches Gefühl der Nähe Gottes. Nein – langweilig ist es in seinem Leben nie geworden, anders aber, als erwartet.

Für uns heute ist Paulus der Glaubensheld schlechthin, für einige einflussreiche Christen aus Korinth nur ein bedauernswerter Unglückspilz. Für uns scheint er als Held so fern und unnahbar. Für die Korinther damals jedoch zu nah und menschlich.

Was uns heute und sie damals eint ist, dass wir beide zu schnell auf das Äußere schauen und garnicht darauf achten, was Paulus uns eigentlich sagen will. Worauf es ihm ankommt ist Christus, Jesus und niemand anders. Jeder von uns soll (und darf sogar!) ganz persönlich mit ihm in Verbindung stehen. Zuallererst geht es um unser ganz eigenes und persönliches Verhältnis zu Jesus. Was uns wirklich gut tut ist – als Menschen, die wir sind – auf ihn zu schauen. Es ist Jesus, der uns begegnen möchte, der genau deswegen zu uns gekommen ist, der uns anschauen möchte, zu uns reden, Zeit mit uns verbringen. Wie oft vergessen wir, dass genau das so heilsam ist: wegschauen von den anderen und hinschauen zu Jesus.

Sogar in – oder vielleicht genau mittendrin – in Missgeschicken will Jesus unsere Blickrichtung wenden. Wenn wir schwach sind, können wir seine Stärke sehen. Wenn wir uns dagegen stark und hoch aufrichten und an unserem Mitchristen messen wollen, tritt Jesus zurück. Dann wundert es kaum, dass wir uns schlecht fühlen. Wenn wir auf Jesus schauen, können wir uns dagegen über die Erlebnisse anderer mit ihm freuen und ihren Missgeschicken nachfühlen. Denn wir bewegen uns ja auf demselben Fundament und um dasselbe Zentrum: Jesus.

Paulus spricht zu uns: „Nimm Dich so an, wie Du bist. Mach Dich nicht zum Narren! Denn Jesus füllt aus, was Dir fehlt und übrigens auch die Lücken Deines Gegenübers. Alles nur, damit wir Jesus besser sehen und verstehen und erleben und auf ihn einlassen.

Davon berichtet Paulus auch ganz persönlich in seinem Brief:

Aber er hat zu mir gesagt: »Meine Gnade ist alles, was du brauchst! Denn gerade wenn du schwach bist, wirkt meine Kraft ganz besonders an dir.« Darum will ich vor allem auf meine Schwachheit stolz sein. Dann nämlich erweist sich die Kraft von Christus an mir. 10 Und so trage ich für Christus alles mit Freude – die Schwachheiten, Misshandlungen und Entbehrungen, die Verfolgungen und Ängste. Denn ich weiß: Gerade wenn ich schwach bin, bin ich stark.

2. Korinther 12,9–10 (nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle, 2005)

Ein Narr ist also, wer nur auf Äußeres schaut und das Handeln von Jesus übersieht, ein Langweiler, wer sich ihm nicht anvertraut und ein Angeber, der die Schwachheit seines Mitmenschen missachtet. Aber keiner muss es bleiben. Wie schön! Paulus lädt uns ein weise zu werden und zu bleiben, uns auf eine spannende Reise mit Jesus zu machen und neben anderen auf demselben Weg zu gehen.