Jesaja malt am Ende seines Buches, im 66. Kapitel, das Bild eines absoluten Herrschers. Nein, “Gott selbst beschreibt sich so.”, bemerkt er. In einer Welt, die sich selbst als demokratisch versteht, sind das angriffige Worte, denen man widersprechen will. In unserer eigenen, deutschen, Geschichte haben wir immerhin erlebt, wozu absolute Herrschaft führen kann. Auch wieder nicht ganz richtig; denn es werden immer weniger, die das wirklich selbst erlebt haben. Diese Geschichte hat sich aber (ich denke, zu vollem Recht) in das kollektive Gedächtnis unserer Nation eingebrannt. Menschen wurden missbraucht und haben sich missbrauchen lassen. Das sollte nicht wieder geschehen! Nicht alle sehen das so. Doch jetzt spricht Jesaja nicht nur in seine Welt damals hinein, sondern auch in unsere. Ob er sich unsere hat vorstellen können? (Ich denke, nicht.)
Jesaja lässt sich aber von Gott ein Prinzip vormalen, das wir auch heute noch gut kennen. Wir bauen Gott gerne Häuser oder weihen ihm besondere Plätze. Wir scheinen feste Orte zu brauchen, an denen wir Gott begegnen können. Soweit, so gut. Denn das findet Gott selbst gar nicht so schlecht.
Wir brauchen Orte und Zeiten um zur Ruhe kommen zu können. Wie oft sind wir einfach in der Welt oder in uns selbst verloren und finden uns nicht wieder?!
Die Disziplin von festen Orten und Zeiten ist eine gute und stärkende. Sie bringt kraftspendende Ruhe in unser Leben.
Was ist also das Problem?
Das Problem ist, dass wir immer wieder neu versuchen Gott in diese Orte zu sperren und auf diese Zeiten zu reduzieren. Gott lässt sich aber nicht einsperren, weder in Orten noch Zeiten noch Ideen. Er sprengt unsere Vorstellungen und Bilder von ihm und erinnert an den Anfang allen Seins.
“So spricht der Herr: »Der Himmel ist mein Thron und die Erde mein Fußschemel. Und da wollt ihr mir ein Haus bauen? An welchem Ort soll ich mich denn niederlassen? Ich habe das alles doch geschaffen, Himmel und Erde kommen aus meiner Hand! Dennoch achte ich auf die Menschen, die in Not sind. Ja, ich kümmere mich um die Verzweifelten und um alle, die voll Ehrfurcht auf meine Worte hören.”
(Jesaja 66,1–2, nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)
So beginnt auch die Bibel:
“Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.”
(Genesis 1,1, nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)
Er macht damit deutlich, dass wir unser eigenes und das Leben unserer Mitmenschen verkrampfen, wenn wir Gott auf unsere Vorstellungen reduzieren, in unsere Orte pressen und in uns passende Zeiten fangen. Diese Haltung kritisieren alle Propheten mit deutlichen, manchmal unerträglichen Worten. Diese Haltung hinterfragt sogar die ganze Bibel.
Warum ist das so wichtig? (uns hinterfragen zu lassen)
Antwort: Weil Gott zu uns kommen will. Er will uns ganz nahe sein. Deswegen hat er uns geschaffen. Er hat uns Menschen gemacht und ruft uns immer wieder zu sich. Er macht das nicht, um uns einzuengen oder wie ein Diktator zu beherrschen oder fremdzusteuern. Er macht das, weil er unser Leben immer wieder erneuern will. Er hat das Leben erfunden. Wer sollte es besser verstehen können? Wer sollte uns besser verstehen sollen?
Das ist übrigens auch der Grund von Advent und Weihnachten. Gott kommt zu uns, nicht wir zu ihm. Der Schöpfer der Welt, der selbst nicht in die geschaffene Welt passt, macht sich klein. Der, der sich als absoluter Herrscher beschreibt, macht sich klein und kommt in unseren Schmerz. Der, vor dem man wirklich Angst bekommen kann (Wie kann es auch anders sein?!), kommt liebevoll zu uns (Wie passt das in unsere Vorstellung?!). Aber genau das ist Gott: unübertroffene Herrschaft und nicht zu unterbietende Demut.
Das ist Jesus!
Es ist also eine ganz normale Reaktion Gott zu fürchten. Wie kann es auch anders sein?! Du darfst vor ihm zittern. Das ist normal. Aber Du darfst ihn auch in Dein Leben lassen. Denn er liebt Dich so sehr, dass er all Deine Verletzungen heilt und in all Deinen Ängsten sagt: “Fürchte Dich nicht! (und lass mich rein in Dein Leben)”. Vielleicht ist es genau das, was wir fürchten? (Dass er uns heilen könnte?) Klammere Gott also nicht aus. Sperr ihn nicht in Orte. Reduziere ihn nicht auf Zeiten. Lass Dich von ihm durch Dein Leben führen und von ihm begleiten. Das gefällt Gott und bereitet Dir wirkliche Freunde. Kann das wahr sein? Ja, denn dann wird auch bei Dir Weihnachten, wie damals bei den Hirten.
Lass Jesus also zu Dir in Dein Jetzt kommen. Das ist der Ort und die Zeit, wo Gott sein will.
“Plötzlich trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und die Herrlichkeit des Herrn umstrahlte sie. Die Hirten erschraken sehr, aber der Engel sagte: »Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch eine Botschaft, die das ganze Volk mit großer Freude erfüllen wird:”
(Lukas 2,9–10, nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)