Ein paar Gedanken zur Bibellese dieser Tage und den Anfang des Buches Esra.
Worauf kann ich mich eigentlich noch verlassen, oder auf wen? Vor nur ein paar Jahrzehnten hörte man noch sagen, dass die Rente sicher wäre. Heute stellt sich die Frage, für wie lange noch? Bis vor zwei Jahren haben wir uns noch darauf verlassen, dass wir die allgemeine Gesundheit im Griff haben. Doch dann kommt von irgendwoher ein kleines Virus. Die ganze Welt bringt es ins Wanken und hinterfragt durch die reine, unsichtbare Präsenz Sicherheiten und Autoritäten. Ganz aktuell hatten sich Menschen auf internationale militärische Kräfte verlassen, andere auf die natürliche Kraft der Aufklärung, der Überlegenheit der westlichen Weltanschauung. Und dann bricht das alles in großer Enttäuschung, aber auch Überraschung, zusammen. Selbsttäuschung begegnet Selbstsicherheit. Die Frage ist schon berechtigt:
Immer wieder passiert das gleiche. Immer wieder fragen wir uns dasselbe. Von Neuem sind wir überrascht. Da hören sich die Worte Esras fast überheblich an.
“Im 1. Regierungsjahr des Perserkönigs Kyrus ließ der Herr in Erfüllung gehen, was er durch den Propheten Jeremia vorausgesagt hatte: Er bewog Kyrus dazu, in seinem ganzen Reich mündlich und schriftlich folgenden Erlass zu verkünden: * »Kyrus, der König von Persien, gibt bekannt: Alle Königreiche der Erde hat Gott, der Herr, der im Himmel regiert, in meine Gewalt gegeben. Er gab mir den Auftrag, ihm zu Ehren in Jerusalem in der Provinz Juda einen Tempel zu bauen.”
(Esra 1,1–2 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)
Esra ist der festen Überzeugung, dass dem Herrn, also Gott, die Geschicke der Welt nicht aus dem Ruder laufen. Kyrus, ein sträflich unbeachteter Emporkömmling, kommt aus Persien und übernimmt die Macht in Babylon. Irgendwie muss er nicht nur vom Herrn des Himmels gehört haben. Er hat auch den Eindruck, dass dieser Gott, sich ganz besonders dem Volk der Juden zugewendet hat. Darüber hinaus will er in der zerstörten und verlassenen Stadt Jerusalem angebetet werden. Kyrus merkt, dass da ein universal herrschender Gott sich lokal und persönlich um Menschen kümmert.
Es hört sich jetzt so an, als ob Kyrus auch zum Judentum übertreten will. Gewisse Sympathien sind sicher da. Der Prophet Daniel gehört immer wieder in seinen engsten Beraterkreis. So ganz hatte er sich jedoch nicht entschieden. Denn auf dem sogenannten Kyrus-Zylinder, dessen Gravuren Archäologen entziffert haben, kann man eindeutig lesen, dass Kyrus der Meinung war, der babylonische Gott Marduk hätte ihm den Sieg gegeben.
Immerhin – Gott, der Herr des Himmels, ignoriert die Halbherzigkeit des Eroberers Kyrus. Er hat sein Volk im Blick. Das hat er nicht vergessen. Er hat auch nicht sein Versprechen vergessen, das er Jahrzehnte vorher seinem ungehorsamen Volk gegeben hatte. Esra erinnert sich nämlich an die Worte des Propheten Jeremia. Durch ihn hatte Gott sagen lassen, dass eine ganze Generation vergehen muss, bis er sein Volk wieder in seine Heimat bringt. Diese neue Generation sollte ihn im lange, lange vorher versprochenen Land anbeten und dort im Vertrauen zu seinem Gott, dem Gott der ganzen Welt, leben.
Esra macht deutlich, dass es nicht Kyrus ist, auch nicht unsere Vorfahren. Früher war also doch nicht alles besser. Esra beginnt sein Buch mit der doppelten Feststellung, dass Gott zuverlässig ist und Menschen in Bewegung setzt, von denen wir das nie erwartet hätten.
Esra hat sich entschieden. In den Wirren der Machtübernahme des Kyrus, in der enttäuschenden Vergangenheit seines eigenen Volkes, mitten in den Ruinen der sogenannten Stadt Gottes, setzt er sein Vertrauen auf den Gott, der den Himmel über uns regiert und gleichzeitig Menschen bewegt, die an ganz konkreten Orten leben.
Das galt nicht nur damals. Das ist heute auch aktuell, immer wieder von Neuem. Gott verändert sich nicht. Er lässt sich nicht überrumpeln. Denn mitten im Rumpeln der Geschichte, der ganz großen und er kleinen, persönlichen, wendet er sich uns zu, Dir und mir.
Lassen wir uns also einladen uns bewegen zu lassen von unserem wunderbar zuverlässigen Gott, der sich in Jesus sogar noch ganz fassbar und greifbar gemacht hat.