Heute feiern wir den zweiten Advent. Letzte Woche hat uns Christoph Müller etwas über den erzählt, deswegen wir Advent feiern. “Ist das wirklich alltagstauglich?”, hat er da unter anderem gefragt. Gott schickt einen König, der alles verändern wird. Wirklich? Zumindest steht das in der Bibel beim Propheten Sacharja im neunten Kapitel:
“Freue dich sehr, Tochter Zion! Brich in Jubel aus, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Retter ist er. Er ist arm und reitet auf einem Esel, einem jungen Esel, geboren von einer Eselin.”
(Sacharja 9,9 nach der Übersetzung BasisBibel)
Dieser arme König wird sich nicht bereichern, auch nicht den totalen Krieg ausrufen, sondern tiefen, alles durchdringenden, guttuenden Frieden. Kann das wirklich wahr sein? Viele Menschen hoffen auf Veränderungen in ihrem Leben, viel mehr vielleicht haben das schon aufgegeben.Jeder hofft irgendwie anders. Es ist wie das Kommen und Gehen an einer Haltestelle. Deswegen soll es bis Weihnachten um ein paar Geschichten gehen, die mich an Anekdoten von einer Haltestelle erinnert haben. Heute fangen wir mit Maria an. Dann kommen die Sternegucker, danach Simeon und Hanna und zuletzt die Hirten. Alle werden überrascht, von dem, der da kommt. Und das verändert ihr Leben grundlegend. Nun gut; sie warten nicht auf einen Bus. Aber alle gehen sie mit ihrem persönlichen Fahrplan ganz verschieden um. Irgendwann könnte dieser König kommen und sie mitnehmen.Fangen wir mit den Anekdoten von zwei Marias an, eine von heute und dann die andere, die später Mutter von Jesus werden sollte.
Anekdote 1: Maria an der Haltestelle
Maria ist noch sitzen geblieben. Ihre Freundinnen sind schon gegangen. Die Jungs auch. Der Rest des Glimmstengels qualmt auf jeden Fall noch; ein letzter Zug; und weg mit der Kippe in die Ecke. Die Haltestelle hier im Dorf ist ihr Treffpunkt. Busse fahren nur zweimal am Tag, am Wochenende gar keiner. Abgehängt. Maria denkt nach. “Worauf worauf warte ich eigentlich? Was bringt mir das Leben? Welchen Beruf soll ich wählen? Wer wird der Macker an meiner Seite sein? Eigentlich habe ich noch keinen Bock auf ’nen Kerl. Da sind ja ein paar ganz süße dabei. Aber nee.” Plötzlich steht ein älterer Mann da vor ihr: “Kann ich mich setzen?” Maria guckt verständnislos hoch und rückt ein bisschen weg. Die Bank ist ja lang. Der Alte scheint respektvoll. Aber irgendwie ist es ihr ungemütlich. Er fängt an, von der Zukunft zu reden, fragt nach ihren Vorstellungen. Und dann ist er sich ganz sicher und spricht: “Du wirst Großes erleben. Mittendrin in Deinem Alltag, in die Langeweile, den Stress, Deine unerfüllten Wünsche und fehlenden Sehnsüchte.” “Äh? Meint der es ernst? Das ist doch bescheuert. Ich gehe einfach.” So denkt sie sich, steht langsam auf und schleicht davon. “Einen schönen Abend noch. Wird schon so sein.”, presst sie höflich aber seltsam berührt aus ihrem Mund raus.
Anekdote 2: die andere Maria in ihrem Alltag in Nazareth
“(Eines Tages) schickte Gott den Engel Gabriel zu einer Jungfrau in die Stadt Nazaret in Galiläa. * Sie war mit einem Mann verlobt, der Josef hieß und ein Nachkomme Davids war. Die Jungfrau hieß Maria. * Der Engel trat bei ihr ein und sagte: »Sei gegrüßt! Gott hat dir seine Gnade geschenkt. Der Herr ist mit dir.« * Maria erschrak über diese Worte und fragte sich: »Was hat dieser Gruß zu bedeuten?«
* Da sagte der Engel zu ihr: »Fürchte dich nicht, Maria. Gott schenkt dir seine Gnade: * Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben. * Er ist zu Großem bestimmt und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben. * Er wird für immer als König herrschen über die Nachkommen Jakobs. Seine Herrschaft wird niemals aufhören.«
* Da sagte Maria zu dem Engel: »Wie soll das möglich sein? Ich habe doch noch nie mit einem Mann geschlafen!« * Der Engel antwortete: »Der Heilige Geist wird auf dich kommen. Die Kraft des Höchsten wird dieses Wunder in dir bewirken. Deshalb wird das Kind, das du erwartest, heilig sein und ›Sohn Gottes‹ genannt werden. * Sieh doch: Auch Elisabet, deine Verwandte, erwartet einen Sohn trotz ihres hohen Alters. Sie ist jetzt im sechsten Monat schwanger, und dabei hieß es: Sie kann keine Kinder bekommen. * Für Gott ist nichts unmöglich.«
* Da sagte Maria: »Ich diene dem Herrn. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« Da verließ sie der Engel.”
(Lukas 1,26–38 nach der Übersetzung BasisBibel)
OK, Maria saß nicht mit einer Kippe im Mund in einer Bushaltestelle. Die Maria, die wir im Kopf haben, ist eine ganz andere. Doch darauf kommt es auch gar nicht an. Es geht darum, dass Gott zu uns im Alltag spricht. Er kommt oft genau in den Momenten, in denen wir ihn am Wenigsten erwartet hätten.
Wie kommt Maria nun zu ihrem Fahrplan? … und wir?
Das ist der erste Punkt. Auf keinen Fall hätte sie gedacht, dass sie in noch nicht einmal einem Jahr die Mutter von Jesus werden würde, geschweige denn von allem was er tun würde und wer er letztendlich wäre. Sie kannte sich aus als Jüdin. Aber als Teenager um die 16 war sie eine von vielen. Und Nazareth war ein unscheinbares Städtchen in den galiläischen Bergen. Es war bestimmt kein Ort, wo man ein zentrales Busterminal planen würde. “Was kann schon aus Nazareth Gutes kommen?”, fragt deswegen einer, der ersten Nachfolger von Jesus. Jedenfalls war Maria schon verlobt, sehr wahrscheinlich eine arrangierte Ehe, wie das damals üblich war. Von Josef wissen wir nicht viel außer, dass er Handwerker war, ein frommer Mann und – hab acht! – ferner Nachkomme eines großen Königs – immerhin. Das war schon mal was, aber auch erstmal ihr Horizont. Was sollte schon Größeres passieren?
Das war ihr Fahrplan. Mehr wollte sie nicht wissen und suchte wahrscheinlich auch nicht nach mehr. Prinzessinenträume hatte sie schon länger ausgeträumt.
Zwischendurch eine dritte Anekdote: David Wilkerson in New York
In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts, also inzwischen 70 Jahre her, taucht ein Pastor vom Land in den Slums von New York auf. Neugierig gemacht hatte ihn der Bericht über den Prozess über jugendliche Schwerstkriminelle, schwarze, weiße, Latinos. Naiv, wie er war, mischt er sich unter die Jugendlichen, nimmt seinen Jugendpastor mit. Sie stellen sich auf eine Bank und fangen an Trompete zu spielen. (Damals war das was Besonderes.) Niemand hätte gedacht, dass aus solch einer idiotischen Idee etwas Großes passieren würde. Nicht alle, aber doch viele Jugendliche lernen Jesus kennen und beginnen, gegen ihre kaputte Routine und Erwartungslosigkeit zu kämpfen. Abgesehen davon ist es der Startschuss für die Gründung von unzähligen Arbeiten unter Drogenabhängigen weltweit. Was hat das nun 70 Jahre später mit uns zu tun? Gar nichts und doch alles. Es ist nämlich ganz egal, in welchen Lebensumständen wir unterwegs sind – auf der Straße oder gut möbliert.
Gott taucht gerne in unserem Irgendwo auf, um uns zu überraschen.
Was wäre Deine Reaktion, wenn er plötzlich zu Dir reden würde? Zuhause auf dem Sofa ein starker Gedanke, der irgendwie nicht von selbst kommen kann. Während der Arbeit. Im Auto. Vielleicht auch wirklich an einer Bushaltestelle. Worum geht es Gott dabei? Er will jedem von uns begegnen und einen Fahrplan geben, nach dem wir uns richten können, der uns Sinn für unseren Weg und ein Ziel gibt – und der orientiert sich an Jesus. Im Newsletter von Sonjas alter Gemeinde in Bad Cannstatt habe ich letztens folgendes gelesen:
“Gott sieht uns und sehnt sich danach sich ganz eng in unserem Leben zu engagieren. Er st kein Gott, der in ein Bücherregal gehört und nur zu besonderen Momenten der Andacht herausgezogen werden darf. Nein, er ist der, der Immanuel für uns werden will, Gott mit uns! Er will jeden Moment in unserem Leben mit uns gehen … jeden Tag …”
(Mary Schaar, Newsletter Dec 22-Jan 23, Int. Church of the Nazarene, Bad Cannstatt)
Genau das war auch die Botschaft an Maria. Genau das ist die Botschaft an uns. Das Großartige ist, dass er uns begegnen und mit uns gehen will und man das konkret erleben kann. Daran erinnert uns die Adventszeit.
Nun aber dazu, was Maria mit dem Fahrplan macht … und wir
Maria ist erstmal überrascht. Denn das hört sich alles erstmal ganz schön überzogen und fromm an, wenig lebensnah. Das hört sich so an wie einer der Prinzessinnenträume aus ihrer Kindheit. Aber sie nimmt das an. Es ist zu abenteuerlich, als dass sie es ausschlagen wollte.
“Großes wird mit Dir passieren. Gottes Geist wird auf dich kommen. Seine Kraft wird das Wunder vollbringen.”, sagt der Bote Gottes. Und ihre Antwort: “Ich gehöre dem Herrn, ich bin bereit. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.”
Maria weiß noch nicht, was das alles so richtig bedeutet. Aber sie lässt sich bewusst darauf ein. Am Ende des Jesusberichts, den Lukas uns überliefert, lesen wir fast dasselbe über die Nachfolger von Jesus. Da sagt Jesus zu ihnen:
“Ich werde den Geist zu euch senden, den mein Vater versprochen hat. Bleibt hier in der Stadt, bis ihr diese Kraft von oben empfangen habt.«”
(Lukas 24,49 nach der BasisBibel Übersetzung)
Es ist genau die Wortwahl, die Jesus an seine Nachfolger richtet, wie der Bote Gottes an Maria. Die Nachfolger von Jesus bekommen eine andere Aufgabe als Maria. Sie soll den Retter zur Welt bringen. Seine Nachfolger sollen den zur Welt gekommenen Retter in die Welt bringen. Genauso wie Maria sollen sie die bleibende Gegenwart Gottes und seine immer neue Kraft erleben. Das bedeutet es, wenn wir in der Bibel vom Geist Gottes lesen. Er gibt uns den Fahrplan für unser Leben. Er zeigt uns, wo wir rechts oder links oder geradeaus gehen sollen.
Was erwartest Du von Gott? Meinst Du, er könnte auch in Deinen Alltag ganz konkret hineinsprechen? Welche Erwartungen prägen Dein Handeln? Ist Gott noch relevant für Dich? Für die Menschen aus den Anekdoten, war alles klar. Da gab es nichts Großes, außer die Hoffnung nach einem vernünftigen Alltag, eine passable Familie, ein einigermaßen gut bezahlter Job. Aber könnte es sein, dass es einen Unterschied macht, ob Gott Dich nicht nur nebenbei begleitet und Deine Wünsche absegnet, oder ob er Dich konkret ansprechen würde und Deine Pläne zum Besseren korrigiert?