Predigtmanuskript
Inzwischen feiern wir den dritten Advent. Es sind nur noch eineinhalb Wochen bis Weihnachten. In diesem Jahr ist es so ganz anders, wie wir es gewohnt waren. Viel wurde uns in diesem Jahr genommen. Wir müssen Abstand halten und nennen das sozial. Wir dürfen Advent feiern, es aber nicht gemeinsam tun.
Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen, Lichter anzuzünden, unsere Häuser und Wohnungen zu schmücken, Wunschzettel zu schreiben, nach Wünschen zu fragen und Geschenke einzukaufen; in diesen Jahr wohl mehr im Internet als in Geschäften.
Gottesdienst feiern wir trotzdem, wenn auch pandemiekonform und anders als es uns lieb ist. Es ist ein Advent und Weihnachten, mit dem wir nie gerechnet hätten. Unsere Routine, Gewohnheiten, liebgewordene Traditionen werden ordentlich durcheinandergebracht.
Wir sitzen wie die Hirten der Weihnachtsgeschichte im Dunkeln am glimmenden Lagerfeuer und zünden unsere eigenen Lichter an. Wir schauen wie die Weisen aus dem Morgenland in den Himmel und suchen nach dem einen besonderen Stern. Wir klopfen wie Maria und Josef an den Türen vieler Herbergen und enden in einem schmucklosen Stall oder einer kalten Höhle. Vielleicht passiert es aber doch, ...
… dass Gott Dich in diesem Jahr überrascht,
… vielleicht in einer Weise, die Du nie so erwartet hättest. Vielleicht kommt er Dir in diesem Jahr näher, als Du es je wolltest oder vorgestellt hast. So ähnlich ist es jedenfalls den Hirten und Weisen passiert, wahrscheinlich auch Maria und Josef. Diese zwei ahnten vielleicht schon was. Verunsichert waren sie trotzdem. Anders kann es ja gar nicht gewesen sein.
Doch genau in solche Situationen kommt Gott zu diesen so verschiedenen Menschen.
Wer hätte erwartet, dass gerade sie es einmal in das kollektive Gedächtnis der Menschheit schaffen würden?
Diese Menschen fühlen sich plötzlich beachtet.
Natürlich! Sie denken gar nicht daran, dass sie sogar bei uns heute noch eine Rolle spielen; wenn auch nur als Krippenfiguren.
Die Hirten: Plötzlich wird ihre endlose Routine durchbrochen. Sie merken: “Gott interessiert sich für mich. Das kann doch nicht sein! Er beachtet mich. Das macht doch sonst niemand, außer wenn es darum geht Rechenschaft abzulegen.”
Die Weisen: Plötzlich zuckt der Erste beim Sternbilder gucken zusammen. Er dreht sich um zu den anderen und zeigt auf einen Punkt im Himmel, der auf einen anderen auf der Erde weist. Der Schöpfer des Universums interessiert sich für das Völkchen Israel. “Ein neuer Känig, dort? Da gibt’s doch schon einen.” Sie wundern sich und sagen zueinander: "Das müssen wir uns anschauen! Den wollen wir kennenlernen.”
• Den Hirten sagt Gott: Friede!
• Den Weisen zeigt er einen neuen König.
Sie fühlen sich wohl, aber irgendwie auch verunsichert.
Da kommt ein Friedefürst, ein Herrscher ganz anderer Art. Er kommt mit Macht und doch ganz klein. Er erscheint selbstbewusst und doch beeindruckend demütig. Er lässt sich von einem kriegerisch erscheinenden Engelchor ankündigen und bringt doch unvorstellbaren Frieden. Da erscheint ein sonst unbeachteter Stern und soll doch die ganze Welt bewegen.
Die Hirten bekommen Angst. So nahe wollten sie Gott nie haben - oder doch? Sie werden neugierig; sind aber gleichzeitig verunsichert. “Warum sollte Gott sich für mich interessieren?”
Die Weisen sind verwirrt, vielleicht, zuminderst aber neugierig und doch von Ehrfurcht erfüllt. Sollte Gott in Israel etwas Besonderes anfangen und alle Großmächte links liegen lassen? “Sollte das also etwas mit uns zu tun haben?” Um so mehr wundern sie sich, als sie merken, dass König Herodes auf dem Schlauch steht.
Mit Fragen und Geschenken machen sich diese beiden Gruppen von so unterschiedlichen Menschen auf. Sie schauen ungläubig, aber mit Ehrfurcht auf das Baby in der Krippe. Dann kehren sie heim auf neuen Wegen.
Die Weisen ignorieren Herodes und gehen verändert zurück ins Morgenland.
Die Hirten machen sich auch auf. Auch sie gehen nach Hause und erzählen, was sie erlebt haben. Beachtet, verunsichert, verliebt in den neuen König.
Hirten und Weise haben den König gesehen und Frieden erlebt.
Vielleicht erinnern sie sich an Psalm 8 (BasisBibel)
Herr, unser Herrscher, wie machtvoll klingt dein Name auf der ganzen Erde!
Deine Herrlichkeit strahlt über dem Himmel auf!
3 Dem Geschrei von Säuglingen und Kindern hast du Macht verliehen über deine Widersacher. Feinde und Rachgierige werden ferngehalten.
4 Schaue ich hinauf zum Himmel, staune ich über das Werk deiner Finger.
Betrachte ich den Mond und die Sterne, die du dort oben befestigt hast, so frage ich:
5 “Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst? Wie wertvoll ist das Menschenkind, dass du dich um es kümmerst?”
Wenn Gott zu uns kommt, können wir nicht anders, als staunen. Wenn er uns dann nahe kommt, reagieren wir trotzdem verunsichert.
Trotzdem bleiben wir irgendwie selbstbewusst.
Religion und Tradition ist OK. Wenn es aber zu persönlich wird, fühlen wir uns unangenehm vereinnahmt. Trotzdem fällt es uns oft leichter auf Gott zuzugehen, als dass wir ihn an uns ranlassen. Traditionellerweise macht man das am Ende seines Lebens und klopft im Himmel an. Schon komisch, dass man erst dann an den Himmel denkt.
Allgemein haben wir dabei Petrus als Türsteher im Kopf, der Menschen anhand der Bilanz ihrer guten und schlechten Taten in den Himmel lässt. Er war es ja, der von Jesus die Schlüssel zum Himmelreich bekommen hatte, oder?
Viele erinnern sich auch an den saufenden und pfurzenden Bayern, der Halleluja-rufend von Petrus in den Himmel gelassen und dann doch wieder rausgeworfen wird. Und alle lachen, weil da endlich mal wer den Himmel aufmischt und menschlich macht.
Andere haben vielleicht das Lied Knockin’ on Heaven’s Door im Kopf, das durch die Gruppe Guns ‘n Roses bekannt wurde. Eigentlich ist es aber von Bob Dylan, der es als Filmmusik des Westerns ‘Pat Garret and Billy the Kid’ geschrieben hat. Da liegt der angeschossene Sherriff in den Armen seiner Frau, sterbend seinen Colt zur Seite gelegt. Knockin’ on Heaven’s Door - Er klopft im Himmel an.
Irgendwie wissen wir schon, was wir wollen, wenn wir vor Gott treten. Alles Erwartungen, die aus einem christlichen Weltbild stammen - nur an die eigenen Vorstellungen angepasst. Man muss kein Christ sein, um so zu denken.
Advent und Weihnachten bringt das durcheinander.
Da geht es nicht darum, dass wir selbstbewusst vor Gott treten, sondern Gott demütig zu uns kommt. Da dreht es sich nicht darum, wie wir in den Himmel kommen, sondern darum, dass Gott aus dem Himmel zu uns kommt.
Dabei klammert er niemand aus, weder den Freistaat Bayern noch den Wilden Westen noch irgendeine andere Region der Welt. Dich auch nicht! Er begegnet Menschen mit allen denkbaren und undenkbaren Vorstellungen, Religionen, Menschen- und Weltbildern. Da sind bodenständige Hirten, hochgebildete Weise und ein verunsichertes Ehepaar.
Was Gott macht ist, dass er seinen Sohn schickt. Er selbst kommt zu uns. Er sagt: “Ich muss es Euch jetzt zeigen und werde selbst Mensch.” Er macht sich für Dich und mich fassbar und greifbar. Aber er entzieht sich auch allen verschrobenen Ideen, die Du von ihm hast. Er sprengt die Bilder, die wir von ihm und von uns gemalt haben.
Gott spricht zu Dir: “Du bist mir so wichtig, dass ich Dich begleiten, bei Dir zuhause sein will. Ich komme zu Dir. Du musst nicht an meine Tür klopfen. Ich klopfe an Deiner. Lässt Du mich rein?”
“Sieh doch: Ich stehe vor der Tür und klopfe an! Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten. Ich werde mit ihm das Mahl einnehmen und er mit mir.”
(Offenbarung 3,20 nach BasisBibel)
Da kommt Gott gewaltig vom Himmel und macht sich klein. Er stiftet Verwirrung. Er drängt sich sozusagen unaufdringlich in Dein Leben. Er klopft an Deine Tür. Er nimmt Dich nicht mit Ammenmärchen auf den Arm. Er will Dich in den Arm nehmen. Will Dich heil machen und Dein ganzes Leben lang begleiten. Er gibt Dir jetzt schon eine Einladungskarte, die Du dann später einlösen kannst. Aber nicht bei Petrus, sondern bei Jesus, Gottes Sohn, Gott selbst.
Du kannst ihn aber jetzt schon sehen und ihm begegnen wie viele andere vor uns:
Andreas war einer von den beiden Jüngern, die Johannes gehört hatten und Jesus gefolgt waren. Andreas war der Bruder von Simon Petrus. 41 Er traf zuerst seinen Bruder Simon und sagte zu ihm: »Wir haben den Messias gefunden« – das heißt übersetzt ›den Christus‹. 42 Er brachte Simon zu Jesus. … 43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa aufbrechen. Da traf er Philippus. Jesus sagt zu ihm: »Folge mir!« … 45 Philippus sucht Natanael auf und sagt zu ihm: »Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz geschrieben hat und den die Propheten angekündigt haben. Es ist Jesus, der Sohn von Josef. Er kommt aus Nazaret.« 46 Da fragte ihn Natanael: »Kann aus Nazaret etwas Gutes kommen?« Philippus antwortete ihm: »Komm und sieh selbst!«
(Johannes 1,40–46 nach BasisBibel)
Das ist Weihnachten. Das ist Advent. Jesus kommt zu Dir, klopft bei Dir an. Lass Dich einladen und erlebe es selbst - immer wieder neu!