Anders und doch gleich – Helden gesucht

Predigtmanuskript

Wer von Euch hat einen persönlichen Helden? So eine Art Vorbild, an das man nie ranreichen kann, das einen aber trotzdem motiviert; eine Person, in die man seine Träume hineinprojezieren kann; ein Mensch, der Dich vielleicht aus einer aussichtslosen Lage gerettet hat. Viele haben sich dagegen vom Gedanken an einen Helden verabschiedet. Der fehlerlose Held ist zu fern der Realität. Der realistische Held dann doch zu schwach. Der Antiheld als Alternative zu böse. Das Team von Helden mit unterschiedlichen Begabungen zu unzuverlässig.Trotzdem ist es doch so, dass wir uns nach Vorbildern sehnen. Die einen direkt, die anderen eher verborgen oder als Teil des Ganzen. Wir brauchen Orientierung. 

Als Fromme und Menschen, die schon von Kindesbeinen an biblische Geschichten bis zum Abwinken gehört haben, finden wir auch eine ganze Reihe von Helden in der Bibel. Aus gerade genannten Gründen haben sich viele von uns aber von ihnen abgewandt. Sie sind einfach unerreichbar oder im Hintergrund so erschreckend normal, dass wie uns nicht mehr mit ihnen identifizieren wollen. Jaja, ich weiß schon; nicht alle denken so; viele aber schon. 

Lukas erzählt uns in der Apostelgeschichte, ...

… wie Barnabas und Paulus eines Tages vor der Herausforderung stehen, sich mit genau diesen Fragen auseinanderzusetzen. Sie werden überrascht, ja sozusagen überrollt von der Erwartung sich als Helden präsentieren zu müssen. Sie kriegen sogar einen Riesenschreck. Nur keine falsche Bescheidenheit!” könnte man da sagen. Immerhin haben sie einen Lahmen geheilt. Ich finde das beeindruckend. Wenn man so etwas macht, kann man doch etwas Dankbarkeit erwarten, oder?! Auf jeden Fall geht ihre Bescheidenheit schwer nach hinten los. Denn plötzlich wendet sich das Blatt. Paulus und Barnabas werden übelst vom Thron gestoßen, auf den sie nie wollten. Die Begeisterung der Menschen, denen sie dienen, ist extrem wechselhaft. Und dann lassen sie sich noch von Außenstehenden manipulieren.

Hören wir doch mal, was Lukas uns da in seiner Apostelgeschichte berichtet … 

In Lystra lebte ein Mann, der verkrüppelte Füße hatte; er war von Geburt an gelähmt und hatte noch nie auch nur einen Schritt getan. 9 Dieser Mann war unter den Zuhörern, als Paulus das Evangelium verkündete. Paulus blickte ihn aufmerksam an, und als er merkte, dass der Gelähmte Vertrauen zu Jesus gefasst hatte und dass er überzeugt war, er könne geheilt werden, 10 sagte er mit lauter Stimme zu ihm: »Steh auf! Stell dich auf deine Füße und richte dich auf!« Da sprang der Mann auf und begann umherzugehen.

11 Als die Volksmenge sah, was durch Paulus geschehen war, brach ein Tumult los, und die Leute riefen auf Lykaonisch: »Die Götter haben Menschengestalt angenommen und sind zu uns herabgekommen!« 12 Sie nannten Barnabas Zeus, und Paulus nannten sie Hermes, weil er der Wortführer war. 13 Der Priester des vor der Stadt gelegenen Zeustempels brachte Stiere und Kränze zum Stadttor und wollte – zusammen mit der Bevölkerung – Barnabas und Paulus Opfer darbringen. 

14 Als den beiden Aposteln erklärt wurde, was die Leute vorhatten, zerrissen sie entsetzt ihre Kleider, stürzten sich in die Menge und riefen: 15 »Liebe Leute, was macht ihr da? Wir sind doch auch nur Menschen – Menschen wie ihr! Und mit der guten Nachricht, die wir euch bringen, fordern wir euch ja gerade dazu auf, euch von all diesen Göttern abzuwenden, die gar keine sind. Wendet euch dem lebendigen Gott zu, dem Gott, der den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen hat, das ganze Universum mit allem, was darin ist! 16 Zwar ließ er in der Vergangenheit alle Völker ihre eigenen Wege gehen. 17 Doch er gab sich ihnen schon immer zu erkennen, indem er ihnen Gutes tat. Er ist es, der euch vom Himmel her Regen schickt und euch zu den von ihm bestimmten Zeiten reiche Ernten schenkt; er gibt euch Nahrung im Überfluss und erfüllt euer Herz mit Freude.« 

18 Mit diesen Worten konnten Paulus und Barnabas, wenn auch nur mit größter Mühe, die Volksmenge davon abhalten, ihnen Opfer darzubringen. 19 Aber dann kamen Juden aus Antiochia und Ikonion und redeten so lange auf die Bevölkerung von Lystra ein, bis sie sie auf ihre Seite gezogen hatten. Daraufhin steinigten sie Paulus, und als sie ihn für tot hielten, schleiften sie ihn zur Stadt hinaus. 20 Doch als ihn dann die Jünger umringten, kam er wieder zu sich. Er stand auf und ging in die Stadt zurück. Am nächsten Tag machte er sich zusammen mit Barnabas auf den Weg nach Derbe. 

(Apostelgeschichte 14,8–20 nach der Neuen Genfer Übersetzung der Bibel von 2013)

Beim Nachdenken über diesen Bericht, stellt sich mir die Frage: 

Von wem erwarten diese Menschen eigentlich etwas? Von wem erwarte ich selbst eigentlich etwas? An wen trete ich mit meinen Erwartungen und Bedürfnissen heran?“ „Brauche ich nicht vielmehr nur eine Projektionsfläche meiner Wünsche? Oder suche ich wirklich nach Halt und Orientierung und bin dann auch bereit, diesen Weg zu gehen?

Letztendlich geht es dann gar nicht mehr um Vorbilder und Helden, sondern um meine eigenen Bedürfnisse und Erwartungen. 

Drei Fragen dazu:

• Von wem lasse ich mir Orientierung geben? An wem orientiere ich mich?

• Will ich vorgeschlagenen den Weg dann auch gehen? 

• Wohin soll mich der Weg eigentlich führen?

Zusammengefasst geht es um meine Erwartungen, meine Entscheidung, mein Ziel bzw. meine Motivation.

Meine Erwartungen

Von wem akzeptiere ich Orientierung? Wer darf mir den Weg weisen?

Die Lystraner freuen sich, dass die Götter, die Helden, ihre Vorbilder, die ihren Wünschen und Erwartungen entspringen, plötzlich und endlich wie sie geworden sind und sie besuchen. 

Sie erinnern sich an die alte Geschichte, in der Zeus und Hermes inkognito durch die Gegend reisten und nur von einem alten Ehepaar aufgenommen wurden. Sie wurden reich belohnt, die anderen bestraft. Das war einmal… Doch nun kommen die beiden zurück. 

Lukas erinnert sich bei seiner Recherche wahrscheinlich an diese Geschichte, die der erst knapp vierzig Jahre vorher verstorbene Dichter Ovid überliefert hatte.

Die Ideen, Erwartungen und Wünsche der Lystraner scheinen jetzt auf jeden Fall Realität zu werden. Es geht ihnen nicht darum, was gut für sie ist und wer sich wirklich um sie kümmert. Letztendlich geht es den Lystranern darum einen Gewinn für sich zu vermelden und beachtet zu werden. Und genau das ist ja auch gar nicht so schlimm. Besonders das Letzte überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil.

Aber Barnabas und Paulus geht es um viel mehr. Sie wollen den begrenzten Erwartungshorizont der Menschen erweitern. Ihre Botschaft ist: 

Deine Wünsche, deine Erwartungen, deine Ideen, sind viel zu eng. Lass Dich aus Deinem selbstgemachten Gefängnis befreien oder aus dem, in das dich andere geführt haben. 

Barnabas und Paulus bieten den Schlüssel an. Der Lahme versteht die Botschaft und lässt sich befreien. Die anderen Lystraner schauen gespannt, verstehen aber nichts. Die eifersüchtigen Konkurrenten aus den Nachbarstädten stellen sich dazwischen und halten die Tür verschlossen. 

Hier stellt sich wirklich die Frage nach unseren Wünschen, Ideen und Erwartungen. 

Von wem erwarte ich etwas? Was erwarte ich von ihm oder ihr? Kann er oder sie mir wirklich das geben? 

Die Lystraner sind begeistert, dass ihre Götter Form annehmen, ja Menschen werden. Sie sind so, wie sie es sich vorgestellt hatten. Wünsche voll erfüllt. Die beiden Neuankömmlinge aber wehren sich vehement gegen diese Erwartungshaltung. Sie betonen, dass sie auch nur Menschen sind. Etwas anderes können und wollen sie nicht anbieten. Alles andere wäre leer, hohl, Selbstbetrug und voll falscher Versprechungen.

Sie leiten die Begeisterten weiter zum Schöpfer aller Dinge, zu dem, der Dein und mein und unser Leben nicht nur äußerlich erfüllen kann. Er will mehr. Er will Deinen, meinen, unseren engen Horizont für die ganze Wirklichkeit weiten. Er steht nicht in Konkurrenz zu anderen Göttern. Er ist auch kein Erfüllungsgehilfe unserer Wünsche. Er geht darüber hinaus. Er macht alles neu. Er gibt einen neuen Start, einen neuen Weg und ein neues Ziel.

Was ist Deine Entscheidung?

Dem Lahmen war klar, dass er in Not ist. Für ihn ist es gar keine Frage, ob er Hilfe braucht. Was ihm Vertrauen gibt, ist aber nicht die Aussicht auf Heilung, sondern die Botschaft von Jesus. Das wird in diesem einzelnen Bericht nicht so deutlich. Lukas stellt ihn aber in den Zusammenhang der anderen Ereignisse, von denen er berichtet. Es handelt sich ja um einen zusammenhängenden Reisebericht und nicht um einzelne, voneinander unabhängige und losgelöste Moralgeschichten. 

Da ist nun dieser von Geburt an Gelähmte. Da hockt er zwischen und unter allen anderen Neugierigen. Aber wie es scheint, merkt nur er, worum es eigentlich geht. Er merkt auch, dass dieser Jesus ihm genau an diesem Tag noch mehr geben will. Er fasst Vertrauen, fasst Mut, schaut Barnabas und Paulus von unten her, aber aufmerksam, an. 

Die beiden merken das. Da ist Glauben im Blick dieses Mannes. Da ist mehr als Interesse, mehr als Neugierde. Sie merken, dass der Gelähmte innerlich schon ein paar Schritte gegangen ist. Er ist Jesus begegnet und streckt ihm innerlich schon die Hand entgegen. Barnabas und Paulus ist das nicht entgangen. Und so verweigern sie ihm nicht diese einzigartige Gelegenheit. Sie freuen sich mit ihm. Sie sehen Jesus zu, wie er im Glauben konkret wird und handelt. 

Dann kommt die Entscheidung. Paulus entscheidet sich, seinem Eindruck nachzugehen und eine Einladung auszusprechen. Der Gelähmte entscheidet sich, die Einladung anzunehmen, steht auf, ja springt plötzlich auf.  

Etwas ähnliches war Jahre vorher schon Johannes und Petrus in Jerusalem geschehen. Ein anderer Ort, aber derselbe Glaube. Eine andere Zeit, und doch derselbe Jesus am Werk, der auf Menschen reagiert, die sich ihm anvertrauen. 

Welche Entscheidung triffst Du?

Die meisten der Lystraner merken nicht, welchen Horizont Barnabas und Paulus dem Gelähmten geöffnet haben. Sie sehen nur, was äußerlich passiert ist. Sie haben nicht zugehört. Sie merken nicht, was im inzwischen Geheilten innerlich vor sich gegangen ist. Die Lystraner bleiben in ihrem Gefängnis und beginnen es mit Blumen zu schmücken, als wenn die Deko etwas an ihrer Situation ändern könnte. Sie verhängen ihren Horizont mit bunten, raschelnden Girlanden. 

Als Barnabas und Paulus sich dagegen wehren und dann noch eifersüchtige Gegner aus den Nachbarstädten kommen, kippt die Stimmung. Lystra wirft nicht mehr mit Blumen und Kamellen. Jetzt fliegen Steine. Wünsche nicht nur nicht erfüllt, sondern verweigert. Erwartungen schwer enttäuscht. Dann entledigt man sich schnell seinen selbst gewählten Göttern. Sie sind dann doch zu menschlich und ihre Botschaft fern der eigenen Lebensziele.

Was ist Dein Ziel, Deine Motivation?

Bist Du bereit, Deine Wünsche, Erwartungen, Ziele zu überdenken, vielleicht sogar infrage stellen zu lassen? Könnte es vielleicht sein, dass dieser Jesus gerade versucht, zu Dir hindurch zu dringen? Beim Gelähmten ist dass passiert. Er hat es gemerkt. Er erlebt Gott plötzlich als den, der er immer war und bleibt, Versorger, Begleiter, Erhalter. Ja, lange Zeit hat er nicht die gewünschte Aufmerksamkeit geschenkt. Aber jetzt ist er voll da und wartet, nimmt sich Zeit und spricht:

Steh auf! Ich habe Jesus, meinen Sohn, mitgebracht. Alles, was ich habe!

Bist Du bereit mit neuer Dankbarkeit zurückzublicken auf Gottes Versorgen, das Du vielleicht übersehen hast? Bist Du bereit in eine neue Zukunft zu schauen mit Jesus an Deiner Seite? Bist Du bereit Dir dafür die Zeit zu nehmen und ihm zu folgen? (so ganz schlicht und ohne aufwendigen Schnickschnack) 

Der Gelähmte hat die Zeit. Ihm bleibt auch nichts weiter übrig. Aber er macht etwas daraus und fasst Vertrauen. Die anderen verlieren sich in ihren Wünschen, Ideen, Vorstellungen und Erwartungen. Wer bist Du? Hörst Du Jesus reden? Er lädt Dich ein eine Entscheidung zu treffen. Lass Dich drauf ein. Vielleicht wieder ganz neu.

Amen!