Aus der Ferne in die Nähe in die Weite (Bergpredigt 1)

Heute beginnen wir mit einer Predigtreihe über die Bergpredigt. Wir feiern heute aber auch Erntedankfest. In diesem Jahr ist es mir noch näher gekommen, als sonst. Dieses Jahr ist auch mein drittes als Kleingärtner. Ich würde mich immer noch als Dilletant bezeichnen. Trotzdem nähere ich mich den Künsten, Regeln und Eigenheiten von Saat bis Ernte. Ich weite sozusagen meinen gärtnerischen Horizont. War ich im letzten Jahr so richtig begeistert von der üppigen Ernte, bin ich in diesem Jahr eher ernüchtert. Na klar – ich habe so Einiges nicht richtig gemacht. Am Gießen hat es auf jeden Fall nicht gelegen. Morgens früh und abends war ich während des trockenen Sommers mit der Gießkanne da. Das Resultat war dann doch eher mager. Erst, als es begann etwas zu regnen, begannen die Früchte richtig zu reifen. Ich will mich jetzt aber nicht im Gartenbau verlieren. 

Worum es heute geht ist, dass man sich einer Sache immer weiter nähern muss, um sein Wissen zu erweitern. Am Besten macht man das auch nicht allein für sich, sondern bezieht andere mit ein, die schon mehr Erfahrungen haben. Genau das bringt dann Resultate, sozusagen eine wachsende Ernte. Die Umstände kann ich dabei nicht beeinflussen. Aber ich kann lernen, damit umzugehen. 

Genau diesen Sachverhalt beschreibt Matthäus, als er die Bergpredigt von Jesus zusammenfasst. Achtet doch besonders darauf, wie er seinen Bericht beginnt.

Hören wir einfach auf Matthäus 5,1–12 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle

Als Jesus die Menschenmenge sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger versammelten sich um ihn. Dann begann er, sie mit den folgenden Worten zu lehren: 

»Glücklich sind, die erkennen, wie arm sie vor Gott sind, denn ihnen gehört sein himmlisches Reich. 

Glücklich sind, die über diese Welt trauern, denn sie werden Trost finden. 

Glücklich sind, die auf Frieden bedacht sind, denn sie werden die ganze Erde besitzen. 

Glücklich sind, die Hunger und Durst nach Gerechtigkeit haben, denn sie sollen satt werden. 

Glücklich sind, die Barmherzigkeit üben, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren. 

Glücklich sind, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott sehen. 

Glücklich sind, die Frieden stiften, denn Gott wird sie seine Kinder nennen. 

10 Glücklich sind, die verfolgt werden, weil sie nach Gottes Willen leben; denn ihnen gehört sein himmlisches Reich. 11 Glücklich könnt ihr euch schätzen, wenn ihr verachtet, verfolgt und verleumdet werdet, weil ihr mir nachfolgt. 12 Ja, freut euch und jubelt, denn im Himmel werdet ihr dafür reich belohnt werden! Genauso hat man die Propheten früher auch schon verfolgt.« 

Ist Euch was aufgefallen? Jesus spricht ganz besonders zu seinen engsten Nachfolgern. Er verliert aber die ganze Volksmenge nicht aus den Augen. So beginnt die Bergpredigt. Menschen kommen von der Ferne, in die Nähe, in die Weite; und auf diesem Weg lassen sie sich von Jesus leiten. Er ist ihr gemeinsamer Orientierungspunkt. Von diesem Punkt aus, von Jesus her, entsteht dann eine ganz neue Dynamik in ihrem Alltag.

Zuerst aber: Von der Ferne in die Nähe

Matthäus berichtet, wie Jesus die Volksmenge sieht. Als er daraufhin auf einen Berg oder Hügel steigt, nähern sich ihm zunächst nur seine Jünger, im wahrsten Sinn des Wortes, seine engsten Nachfolger. Die Menge der Menschen bleibt auf Abstand. Am Ende der Predigt erfahren wir dann aber, dass auch sie sich Jesus genähert haben. Nach und nach lassen sie sich auf Jesus ein, während er sie lehrt. Matthäus will uns zeigen wie wichtig es ist sich Jesus zu nähern, um seine neue Dynamik in meinem Alltag zu erleben. Das geht weder alleine, noch ohne Jesus.

Wenn ich nicht in meinen Garten gehe, werde ich weder sähen noch ernten. Das ganze schöne Gelände und der gute Boden nützt mir nichts, wenn ich mich nicht auf ihn einlasse. Ich muss Zeit mit und in ihm verbringen. Später sehe ich dann aber, dass es sich gelohnt hat.

Zusätzlich hole ich mir Rat bei meinen Gartenfreunden. Wir tauschen uns aus und lernen voneinander. “Sag mal; was für Bohnen hast Du da gepflanzt?” fragt mich einer und der andere: “Hey, die Tomaten sehen aber interessant aus. Kann ich da ein paar haben für die nächste Saat bei mir?” Und ein Dritter sagt: „Du, ich habe soviel gute Setzer in meinem Erdbeerbeet. Willst Du welche haben?

Merkt Ihr wieder was? Man ist nicht allein für sich. Man hat Spaß daran gemeinsam zu lernen und sich zu helfen. So machen das die Jünger von Jesus. Sie wollen ihm ganz nah sein. Gemeinsam setzen sie sich zu ihm, nicht einzeln. Was sie gemeinsam gehört haben, können sie später besser auswerten. Genau so sind ja auch unsere vier Evangelien entstanden. Da werden gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse geschildert. 

Bei und mit Jesus passiert nichts isoliert. Je näher ich ihm komme und je enger die Gemeinschaft mit ihm, desto mehr spüre ich die Gemeinschaft der anderen, die sich Jesus nähern. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang und geht auch gar nicht anders.

Wie und wo fängt also diese besondere Dynamik an, die Matthäus hier beschreibt und oft Seligpreisungen gennant werden? Es ist einmal die Nähe zu Jesus und dann diese gemeinsame Gemeinschaft mit ihm. 

Wie und wo wird diese besondere Dynamik unterbrochen? Genau dann, wenn wir uns der Nähe zu Jesus entziehen und dem gemeinsamen Erleben dieser Nähe. 

Dabei gibt es keine Ausnahmen. Selbst Menschen in Ländern, denen es verboten ist, sich als Christen zu versammeln, leiden genau unter dieser Begrenzung. Jesus durchbricht natürlich diese Begrenzung ganz individuell. Aber weil er das macht, wächst diese Sehnsucht nach gemeinsamer Gemeinschaft mit ihm. Man will seine Versprechen gemeinsam und damit ganz erleben, nicht nur halb. Genau am Anfang seiner Bergpredigt spricht Jesus von diesen und anderen Begrenzungen und durchbricht sie.

Das sind zwei ganz wichtige Klänge, die wir in unserem Leben als Christ hören müssen, damit wir das erleben, was Jesus in und mit uns bewirken will: Nähe zu ihm und gemeinsame Gemeinschaft mit ihm. Erst dann entfaltet sich die ganze Dynamik eines Lebens als Christ.

Das ist wie eine Filmmusik, die sich durch den Spielfilm zieht und ihm den ganz besonderen Charme gibt. Fast unmerkbar bestimmt sie den Film und alle Einzelheiten. Verschiedene Themen wiederholen sich immer wieder. Matthäus lässt hier zwei wichtige Themen durchklingen und macht deutlich, wie Jesus die Filmmusik, den Soundtrack, für unser Leben mit ihm komponiert. 

Je näher ich ihm also gemeinsam mit anderen komme, desto besser höre ich auch diese Musik. Die Jünger kommen Jesus gemeinsam ganz nahe. Die Volksmenge scheint noch etwas zu zögern. Aber auch sie kommen, jeder einzeln. Nach und nach bilden sich Gruppen. Und zusammen kommen sie Jesus immer näher. Jeder Einzelne muss sich aber für diesen Prozess entscheiden. Genau dazu lädt uns Matthäus in seinem Bericht ein: gemeinsam Jesus näher kommen.

Im zweiten Schritt führt Jesus von der Nähe in die Weite

Er steigt zunächst auf einen Berg, wie wir hören. Das kann natürlich akustische Gründe haben. Worum es Matthäus aber bei seiner Beobachtung ankommt, ist was anderes. Es geht ihm nicht um Predigttechniken, sondern um den weiten Horizont, den man nur von einer Anhöhe aus hat. Er will von der Nähe zu ihm in die Weite führen. Dabei entfernt man sich aber nicht wieder von ihm.

Viele Menschen haben Angst vor Weite. Sie fürchten, ihren Halt zu verlieren. Sie suchen nach Leitplanken, Regeln, Ordnungen. Die Weite, in die Jesus führt, ist jedoch keine haltlose Weite. Man fällt nicht endlos in ein tiefes Loch. 

Es ist vielmehr so, dass wir merken, wie Gott uns in seiner offenen Hand hält und hochhebt, sodass wir von da aus unseren Alltag neu sehen, verstehen und bewerten können. 

In den Widersprüchlichkeiten unseres Lebens brauchen wir diesen neuen, weiten Horizont. Jesus bietet uns einen sicheren Ort. Er drückt uns nicht runter. Er hebt uns hoch. Lädt uns ein, mit ihm auf den Berg zu steigen. Genau darum geht es bei den sogenannten Seligpreisungen. Da behauptet Jesus etwas ganz Unglaubliches: Glück im Unglück, Zufriedenheit in den Widersprüchlichkeiten und der Unvollkommenheit des Lebens. 

Das Wort, das Jesus hier für ‘glücklich’ benutzt, klingt daran an, das etwas zurechtgerückt und passend gemacht wird. Und wenn etwas so richtig passt, ist man zufrieden, glücklich. Genau das finden wir in Gemeinschaft mit Jesus. Er rückt die Ungereimtheiten in unserem Leben zurecht, korrigiert sie, macht aus unserem Stottern einen Reim, ein Gedicht, aus unserem Schubsen und Schieben ein freundliches Leiten. Er wechselt die Filmmusik unseres Lebens, gibt ihm eine neue Stimmung. 

Das schaffen wir nicht allein. Jesus kann es. Das merken alle, die sich auf ihn einlassen. Jesus sagt uns: “Erkenne Deine Grenzen an, verleugne sie nicht, sondern bringe sie zu mir. Teile Deine Sehnsüchte mit mir, Deine Leere, und lass sie von mir füllen.” Und dabei bringt Jesus Himmel und Erde zusammen. Dir gehört das Himmelreich, Du hast Anteil an der Herrschaft Gottes.” So steht es im ersten und letzten Vers. “Du wirst Gott sehen.” und noch mehr: “Du bist Kind Gottes. 

Mit Menschen, die mitten in diesen Widersprüchen und Sehnsüchten leben und damit unzufrieden sind, baut Gott was Neues auf. Es sind Menschen, die sich gemeinsam von Jesus leiten lassen. Es sind Menschen, die Gottes Herrschaft in ihr Leben aufnehmen. Das ist eine Herrschaft der Sanftmut und der Barmherzigkeit. Diese Herrschaft fällt niemand in den Rücken. Sie ist rein, transparent, schön. Menschen, die merken, dass sie damit an ihre Grenzen stoßen, bringen ihr Herz zu Jesus, der es neu macht. 

Du wirst die Erde als Besitz erhalten. Du lässt Dich gemeinsam mit anderen von mir prägen. Deswegen wirst Du zum Friedensstifter. Gerade deshalb wirst Du aber auch Widerspruch erleben. Doch Dein Leben wird Auswirkungen haben. 

Und damit sind wir wieder bei der Ernte. Wir setzen uns den Gegebenheiten der Erde aus, unserer Gesellschaft, so wie sie ist. Wir begegnen Hitze und Kälte in Beziehungen. Wir graben und jäten, räumen Ungutes aus dem Weg. Wir sähen und setzen Neues. Wir schauen und warten, lernen Vertrauen. Das alles machen wir nicht allein für uns. Wir machen das gemeinsam. … und dann kommt die Ernte. 

Das ist der Anfang der Predigt von Jesus auf dem Berg. Er nimmt sich Zeit für seine Leute. Alle, die wir seine Nähe suchen, führt er in die Weite. Bei ihm sind wir gut aufgehoben, in seiner Hand geborgen, frei und doch nicht ohne Halt. Das ist so schön zu wissen… Wer kann da nicht glücklich werden? … und dankbar?

Amen.