Beten und Leben nach dem Willen Gottes (Bergpredigt 4)

Beten und Leben nach dem Willen Gottes. Oder: Was unseren Glauben ausmacht. Darum geht es heute im vorerst letzten Teil der Reihe über die Bergpredigt. Jesus spricht zu denen, die ihm nahe sein wollen, die ihm nachfolgen. Er will ihnen helfen ehrlich mit sich selbst zu sein, mit ihren Mitmenschen und auch mit Gott. “Mach Dir nichts vor!”, sagt Jesus: “Mach Dir nichts vor, nicht Dir, nicht Deinen Mitmenschen und schon gar nicht Gott! 

Es geht hier um Ehrlichkeit und Transparenz auf der einen Seite. Das ist total wichtig und schützt uns vor Heuchelei. Dazu kommt dann aber auch Zuversicht und Vertrauen auf der anderen Seite. 

Bleib zuversichtlich! Lerne Vertrauen!” Genau das ist es, das uns im Miteinander weiterbringt. Ich behalte Gott im Blick und verliere meine Mitmenschen nicht aus den Augen. Es zieht mich zu beiden hin. Das sind Zeichen von Vertrauen und Zuversicht. 

Als Jesus seine Predigt auf dem Berg hält, behält er diese Dinge immer beieinander. Als er dann auf das Thema Gebet zu sprechen kommt, integriert er sie ins ganze Leben und seine drei Bereiche. 

• In der Beziehung zu mir selber.

• … zu meinem Mitmenschen.

• … zu Gott.  

Hören wir mal, was Jesus da sagt und schaut doch mal, wo Ehrlichkeit und Vertrauen praktisch gemacht wird auf diesen drei Ebenen.

Wenn ihr betet, dann tut es nicht wie die Scheinheiligen! Sie beten gern öffentlich in den Synagogen und an den Straßenecken, damit sie von allen gesehen werden. Ich versichere euch: Sie haben ihren Lohn schon kassiert. * Wenn du beten willst, dann geh in dein Zimmer, schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird dich dafür belohnen. 

* Wenn ihr betet, dann leiert nicht Gebetsworte herunter wie die Heiden. Sie meinen, sie könnten bei Gott etwas erreichen, wenn sie viele Worte machen. * Ihr sollt es anders halten. Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet.

* So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel! Mach deinen Namen groß in der Welt. * Komm und richte deine Herrschaft auf. Verschaff deinem Willen Geltung, auf der Erde genauso wie im Himmel. * Gib uns, was wir heute zum Leben brauchen. * Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir allen vergeben haben, die an uns schuldig geworden sind. * Lass uns nicht in die Gefahr kommen, dir untreu zu werden, sondern rette uns aus der Gewalt des Bösen. (Dir gehört die Herrschaft und Macht und Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.)

* Wenn ihr den andern vergebt, was sie euch angetan haben, dann wird euer Vater im Himmel euch auch vergeben. * Wenn ihr aber den andern nicht vergebt, dann wird euer Vater euch eure Verfehlungen auch nicht vergeben. 

(Matthäus 6,5–15 nach der Bibelübersetzung Gute Nachricht)

Ehrlichkeit mit mir selber – schau auf Dich allein

In den letzten Jahrhunderten seit der Reformation und Zeit der Renaissance hat sich in der westlichen Welt der Mensch selbst entdeckt. Er begann sich zu fragen: 

Was macht mich denn eigentlich als Individuum aus? Wie kann ich mich vom Druck der Gemeinschaft lösen oder zumindest nicht darin verloren gehen? Vor allem: Wie kann ich zu einem persönlichen Glauben an Gott finden? Was macht mich eigentlich zu dem, der ich bin? 

Das waren Fragen, die uns heute noch bewegen. Sie sind immer intensiver geworden. Vorher waren sie irgendwie gar nicht so wichtig. Das können wir uns heute nicht mehr so vorstellen. Eine Ausnahme bilden übersichtliche Gemeinschaften, wo man aufeinander zum Guten oder Schlechten achtet. Das sind kleine Dörfer, Vereine oder auch so eine Gemeinschaft, wie wir; oder Familien, Clans. Man kennt sich schon lange. Jeder hat seinen Platz oder wächst in ihn hinein oder er wird einem zugewiesen. Das läuft meist ganz unbewusst ab. 

Das gibt auch Heimat, Sicherheit, ein Gefühl der Geborgenheit. Man will sich ohne die Dorf-, Vereins-, Familien- oder Kirchengemeinschaft garnicht mehr denken. 

Genau so ist das Gefühl vieler Menschen in anderen Kulturen der Welt. “Ich bin, weil wir sind.” Darauf kommt es an. Ich will garnicht allein sein. Ich für mich selbst. Das wäre eine Qual. Das wäre schlecht. 

Genau in diese Spannung spricht Jesus diese Worte hinein. Deswegen sprechen sie in alle Gesellschaftsformen und jedes Selbstverständnis. Jesus sagt:

Lass Dich nicht von anderen bestimmen, wenn Du betest. Das Gebet ist wie ein vertrauensvolles Gespräch mit einem liebevollen Vater. Zieh Dich doch mal ganz zurück von den Menschen. Mach mal das Handy aus, den Fernseher, das Radio. Ertrage die Stille um Dich herum. Zünde auch keine Kerze an. Schau kein Bild an. Lass Dich durch nichts ablenken. Sei ganz Du und komm zu mir. Sprich das aus, was Du auf dem Herzen hast. Lass dem allen seinen Lauf. 

Und dann mach mal zwei Übungen. Die eine betrifft das Äußere, die zweite den Inhalt. Beides wird zusammen Deine Perspektive ändern. Zuerst das Äußere: „Jetzt geh doch mal nach draußen. Aber erst jetzt, nachdem Du die persönliche Gemeinschaft mit mir genossen hast.”, sagt Gott. Geh nach draußen und bete mitten unter den Menschen als wenn sie nicht da wären. Sprich mit mir wie mit jemand, der Dir gegenübersteht. Aber vergiss erstmal alles andere um Dich herum und alle anderen auch. 

Jesus will uns helfen unseren Blick auf ihn zu richten und ganz ehrlich mit uns zu werden. Du und der Vater im Himmel ganz allein. Wo Du auch bist, vertraue Dich ihm an, so wie Du bist. Nimm Dir Zeit mit ihm als Mensch, den er gemacht hat und kennt und als Mensch, der von seiner Umwelt geformt wurde. Komm so, wie Du bist und hab keine Angst, Gott könnte Dich überfordern. Er wird Dich in die Freiheit führen und zu dann befreit zu Deinem Mitmenschen. 

Ehrlichkeit und Vertrauen zu meinem Mitmenschen – aus dem Ich wird ein Wir

Ist Euch etwas aufgefallen beim Beten des Vaterunsers oder sogar schon beim Titel? Es geht da um uns und nicht um mich allein oder Dich allein. Jesus stellt uns ins Wir, in ein vollständiges Wir. Im Deutschen haben wir nur ein Wort für Wir. Andere Sprachen können das viel genauer ausdrücken. Letztendlich kennen wir diese Zusammenhänge aber auch. Da gibt es das Wir aus Du und ich, das zweisame Wir. Die anderen sind das Ihr. Dann gibt es das Wir als Gruppe derer, die hier anwesend sind, das Wir der Anwesenden. Die Abwesenden gehören nicht dazu. Schließlich gibt es das Wir als Familie, als Clique oder Gemeinschaft. 

Worum es geht: Jesus nimmt das Dazugehören und das nicht Dazugehören sehr wohl wahr und fordert uns auf, es zu überwinden. Warum?  Weil das Gebet den Vater im Himmel einschließt; und der ist Vater vom Wir und vom Ihr, von uns und von denen da. 

Unser Vater im Himmel!” so beginnt das Gebet. Das ist ein Uns, das alle anderen mit einschließen will, selbst, wenn es nur eine Gruppe spricht, die gerade zusammen ist. Mittendrin fordert uns Jesus deswegen auf, uns ganz praktisch umzuschauen. Da gibt es ja noch andere als mich. Da gibt es ja noch andere als uns. Was mache ich, wenn ich merke, andere übersehen zu haben, anderen aus dem Weg gegangen zu sein? Wie gehe ich mit dem um, der mich übersieht, mir aus dem Weg geht oder immer wieder meinen Weg zur Unzeit kreuzt? Das sind Fragen, die uns etwas angehen. Da bleibt niemand isoliert.

Jesus gebraucht hier Begriffe aus der Finanzwelt. Da bist Du in Vorleistung gegangen, bekommst aber das Geliehene nicht wieder zurück. Wie fühlst Du Dich dabei? Da hast Du harte Arbeit geleistet. Aber Dein Lohn wird nicht ausgezahlt. Dabei hast Du Dir das doch verdient! Da habe aber vielleicht auch ich selbst Schulden gemacht; und nun lässt mich der Gläubiger nicht los und setzt Zinsen um Zinsen drauf. Jeder, der Betroffenen pocht auf sein Recht. Doch genau dieses Recht hinterfragt Jesus jetzt; und damit verlässt er das Bild der Finanzwelt.

Ganz tief drinnen geht es um Schulden, die wir in unseren Beziehungen machen. Wie komme ich da aus den roten Zahlen heraus? Bei finanziellen Dingen kann ich die Sachlage klären, indem ich Geld überweise oder die Schulden erlasse. Dann ist es getan. Fertig! Doch in unserem ganz konkreten Leben ist das nicht so einfach. Diese Schulden fühlen sich vielmehr wie Wunden an. Da hilft kein schnelles Wundspray. Da braucht man Zeit, Geduld, Zuversicht. Da muss man sich gemeinsam Zeit nehmen und sich aufeinander einlassen. So wächst Vertrauen.

Genau dann kommt das Wir zur Geltung, bekommt seinen Wert, den wir ihm zu oft stehlen. Hier kommt Ehrlichkeit und Transparenz ins Leben. Das muss ich, das müssen wir aushalten. Da müssen wir Vertrauen und Zuversicht einüben, manchmal auch riskieren.

Wie schaffen wir das?

Ehrlichkeit und Vertrauen zu Gott – kommt zusammen zum Vater 

Wir kommen nun zusammen zum Vater, der uns liebt und die anderen auch, der Dich unendlich liebt und mich auch. 

Vergib DU UNS UNSERE Schuld!” Das ist das Gebet. Vielleicht haben wir das sogar ganz aus den Augen verloren. Wir sind schuldig an Gott geworden. Wenn er unser Vater ist und wir uns streiten. Dann verletzen wir ihn, weil er Anteil an uns hat. Wir sind geschaffen zu seinem Bild. Er nimmt Anteil an uns in allem, was uns geschieht. Das gilt besonders als Christen, die wir ja glauben, dass Gott uns seinen Geist geschenkt hat. Gottes ganz persönliche Gegenwart in unserem Leben, in uns selbst. 

Deswegen stellt Jesus unseren liebenden, liebevollen Vater an den Anfang und ins Zentrum des Gebets. Jeder Vers atmet die Gegenwart Gottes. 

Mach deinen Namen groß in der Welt. Komm und richte deine Herrschaft auf. Verschaff deinem Willen Geltung überall und lückenlos. 

Darum bitten wir und sagen Ja zu ihm. Wir nehmen seine Regeln an. Wir lassen unsere Regeln, die ganz persönlichen und die unserer Gemeinschaft, korrigieren. Es gilt nicht, wie ich das verstehe, sondern wie Gott das sieht. 

Jesus will uns hier helfen mit unseren unguten Werten und Gewohnheiten zu brechen. Vor Gott gilt das ‘Ich’ und das ‘Der da’ oder ‘Die da’ nicht. Da gilt nur das ‘Wir hier’. Gott fordert uns auf gemeinsam voranzugehen und Gemeinschaft mit ihm zu leben. 

Und trotzdem

Da bleibt doch diese Zeit, die jeder einzelne von uns braucht, mit dem liebenden Vater ins Gespräch zu kommen, zu reden und zu hören. Gehen wir doch konkrete Schritte in dieses ganz persönliche, intime Verhältnis zu Gott. 

Genau diese Gemeinschaft führt uns dann zum Anderen, zu den Anderen. Diese Gemeinschaft mit Gott kann nicht anders, als sich für den Mitmenschen zu öffnen.

Das Tolle daran ist dann, dass wir gemeinsam wieder zu demselben liebenden Vater kommen, den wir einzeln erlebt haben. 

Genau in dieser dreifachen Dynamik wachst Ehrlichkeit und Transparenz. Heimlichkeiten verlieren ihren Platz. Vertrauen wächst und damit Zuversicht. 

Das ist das Leben nach Gottes Willen, das im Gebet sichtbar wird.