Trotz aller Herausforderungen, mit denen wir in dieser Zeit der Pandemie geplagt werden, die unter anderem unsere Geduld auf die Probe stellen… Wir haben an diesem Wochenende zweifachen Grund uns zu freuen. Zum einen haben wir gestern den Tag der deutschen Einheit gefeiert. Wenn wir auf die 30 Jahre der Einheit zurückblicken entdecken wir einiges, was nicht so gut lief. Genauso können wir aber auch Vieles wiederentdecken, was wirklich gut gelaufen ist. Manche sehen fast nur Gutes. Andere blicken enttäuscht zurück.
Ein ursprünglich Ganzes war auseinandergerissen worden und nach Jahrzehnten wieder zusammengefügt. Man merkt, dass man doch zusammengehört, aber auch, dass man sich unabhängig voneinander weiterentwickelt hat. Dann hat man sich auf den Weg gemacht zusammenzufinden. Manchmal vergisst man, die Steine auf dem Weg wegzuräumen und bewirft sich lieber damit. Wir sind auf jeden Fall noch auf dem Weg. Ich finde es lohnt sich, gemeinsam und aktiv weiterzugehen.
Wir erinnern uns aber auch am diesem ersten Sonntag im Oktober daran, dass Gott zu seinen Zusagen steht. Wir feiern Erntedankfest. Wir sagen Gott Danke, dass er der Erde nicht die Kraft entzogen hat, Nahrung hervorzubringen. Wir schauen nicht auf die, die Gottes Gaben missbrauchen, sondern schauen auf den, der uns letztendlich versorgt. Er ist es, der Nahrung bereitstellt, um sie zu genießen und um andere daran teilhaben zu lassen. Er gibt uns das tägliche Brot und sein lebensschaffendes und -erhaltendes Wort, ohne die wir nicht leben könnten.
Gott ruft, begleitet und versorgt uns…
…auf ebenen Wegen und mitten in Herausforderungen. Darum geht es heute. Daran erinnert uns auch Psalm 126. Wieder ein Pilgerlied, das gesungen wurde, als man nach Jerusalem zog, um sich an Gottes Handeln zu erinnern, ihm dafür zu danken und miteinander zu feiern.
Textlesung: Psalm 126
Ein Wallfahrtslied, gesungen auf dem Weg hinauf nach Jerusalem.
Als der Herr uns aus der Gefangenschaft nach Zion zurückkehren ließ, da war es uns, als träumten wir.
2 Wir lachten und jubelten laut vor Freude. Sogar unter den anderen Völkern sagte man: »Der Herr hat Großes für sie getan!« 3Ja, Großes hat der Herr für uns getan, darum freuen wir uns sehr!
4 Herr, wende auch jetzt unser Geschick zum Guten, so wie du die ausgetrockneten Bäche im Südland wieder mit Wasser füllst!
5 Wer unter Tränen die Saat ausstreut, wird voll Jubel die Ernte einbringen. 6 Weinend geht der Sämann jetzt über den Acker, mit sich trägt er den Samen zur Aussaat. Voll Jubel kommt er dann heim von der Ernte, den Arm voller Garben.
Psalm 126 nach der Neuen Genfer Übersetzung (Neues Testament Psalmen: Neue Genfer Übersetzung. 3. Auflage. Aufl. Romanel-sur-Lausanne, Schweiz : Genfer Bibelgesellschaft; Deutsche Bibelgesellschaft, 2013)
Ganz konkret wurde dieses Lied an den zwei Erntedankfesten gesungen. Das erste war im Frühjahr das Wochenfest, heute Pfingsten genannt, 50 Tage nach dem Passahfest, heute die Karfreitag und Ostern. Das zweite war das Laubhüttenfest im Herbst, das mit dem Versöhnungstag Jom-Kippur, begann und auch eine Woche dauerte. Wegen des Klimas in Israel werden also zwei Erntedankfeste gefeiert, statt eines bei uns.
Wenn wir genau hinschauen, fällt uns auf, dass sich beide Feste mit Gott als Befreier und Versorger zu tun haben. Das zieht sich durch die ganze Bibel. Gott handelt und zerbricht Mauern, überwindet Mächte, lädt ein sich ihm anzuvertrauen und ihm zu folgen, sich von ihm leiten zu lassen in ein neues Land. Er will unser Leben gestalten und all das Potential wecken, dass er in seine Schöpfung gelegt hat.
Dann gibt es aber auch andere Mechanismen, die dieses Potential unterdrücken, die uns nicht gut tun: Zwänge, Bosheit, Misstrauen, Selbstsucht. Die Bibel nennt das Sünde. Sünde ist also nichts Abstraktes, sondern findet ganz konkrete Ausdrucksformen. All das macht uns hart, wie trockene Erde. Wir trocknen ganz tief nach unten und innen aus. Wir können das Gute nicht mehr aufnehmen. Wenn es kommt, perlt es an uns ab und kühlt nur kurz.
Dieses Psalmlied malt uns diese Situation sehr bildhaft vor Augen. Da ist der trockene Süden des Landes, der Negev. Er scheint tot. Doch zur Regenzeit füllen sich die leeren Bäche und werden zu reißenden Strömen. Zuerst kann die harte Erde all das Wasser gar nicht aufnehmen. Doch durch die schiere Menge sickert es doch nach und nach ein. Nicht nur die Flussbetten füllen sich. Das ganze Land profitiert von dem Wasser, dass sie sammeln. Es saugt sich voll, wie ein trockener Schwamm. Plötzlich fängt die Wüste an zu blühen.
Das Bild der Wasserbäche …
… ist auch das, welches Jesus auch einmal am Laubhüttenfest in Jerusalem benutzt (Johannes 7,37–39 HfA): „Am letzten Tag, dem Höhepunkt der Festwoche, trat Jesus wieder vor die Menschenmenge und rief laut: »Wer Durst hat, der soll zu mir kommen und trinken! 38 Wer an mich glaubt, wird erfahren, was die Heilige Schrift sagt: Von seinem Inneren wird Leben spendendes Wasser ausgehen wie ein starker Strom.« 39 Damit meinte er den Heiligen Geist, den alle bekommen würden, die an Jesus glauben.“
Das ist auch das Bild, das Petrus am Pfingstfest benutzt und den Propheten Joel zitiert (Apostelgeschichte 2,17 ZB 2007): „Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da werde ich von meinem Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Männer werden Gesichte sehen, und eure Alten werden Träume träumen.“
Darin sind sich auch alle Ausleger der Bibel einig. Der Liedermacher des 126sten Psalms und der Prophet Joel mit seinem ganzen Buch, nicht nur dieser eine Vers, beziehen sich aufeinander. Nach Zeiten der Enttäuschung und der Abkehr von Gott, wenden sich die Menschen Gott wieder zu und Gott sich ihnen.
„Ich werde Eure Gefangenschaft wenden.“ Oder „Ich werde Euer Schicksal wenden, wenn Ihr Euch mir wieder anvertraut. Wenn Ihr auf mich hofft, werdet Ihr nicht enttäuscht werden!“
Dieser Psalm und Joel, vorher schon Mose in der Wüste und zuletzt Petrus, alle erinnern daran. Aber nur Jesus kann das geben, was Mose, Joel und Psalm 126 versprechen. Petrus und die Nachfolger von Jesus haben das ganz konkret erlebt.
Wenn Gottes Geist kommt, füllt sich Dein Leben mit der Kraft Gottes mitten in Schwachheit, wie ein trockener Schwamm und ein ausgetrockneter Bach mit Wasser. Wenn es auch so aussieht, als würde alle Arbeit und Mühe wie Staub verpuffen. Gott verlässt die nicht, die seine Nähe suchen. Und wenn Du von Erfolg umgeben bist. Dann erinnere Dich daran, dass auch das mal anders war.
Das tut der Liedermacher von Psalm 126 in der Mitte seines Liedes: „Wende auch jetzt unser Geschick zum Guten!“. Er schaut auf beides, die schweren und die leichten Zeiten, den Schweiß der Arbeit und die Erholung danach. Er schreibt ein Lied, das die Realität unseres Lebens und unserer Mitmenschen nicht aus den Augen verliert und sich doch unbeschreiblich an Gottes Handeln mitten im Leben freut.
Deswegen will er sich den Jubel, das Lachen, die Freude nicht rauben lassen. Er will wieder träumen. Er zittert vor Freude, wenn er an Gottes Handeln denkt. Er ist nicht naiv. Aber er lässt sich seine Hoffnung von Jesushassern und Gottesleugnern nicht rauben.
Er schaut voraus in die Zukunft und gleichzeitig zurück in die Vergangenheit.
Überall sieht er Gottes Handeln. Auf diesem Aussichtspunkt merkt er, dass er in Gottes Heiligem Geist geborgen, von ihm umgeben und erfüllt wird.
Diese Träume sind keine Illusionen, die der Realität nicht standhalten. Es sind Träume der Wirklichkeit Gottes in Deinem Leben. Jesus mitten in unserem Leben. Er sieht, wie Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten und in ein neues Land führt. Er erinnert sich daran, wie Gott sein Volk immer bewahrte, wenn sie ihm vertrauten und wie falsche Ratgeber und Könige dieses Vertrauen immer wieder in Frage stellten. Er singt auch konkret vom Ende des großen Exils und dem Aufbau des zweiten Tempels. So hofft und vertraut er auch, dass Gott die vielen anderen, die noch in ihrem Schicksal gefangen sind, zurückbringen wird. Genau davon spricht auch Petrus am Pfingsttag: „Gott wird noch viele Menschen befreien und zu sich zurückbringen.“ (Apostelgeschichte 2,39 und 47)
Halten wir das Handeln Gottes in unserem Leben fest!
Gott handelt. Das ist wie die Sprossen einer Leiter. Wir können uns daran festhalten oder besser, er gibt uns Halt. Dann entdecken wir, dass Gott schon lange vorher gehandelt hat. Er hat alles gut vorbereitet. So steigen wir auf die erste Sprosse und halten uns an der vierten oder fünften fest. Gott handelt immer wieder in unserem Leben und erinnert uns an sein Handeln in der Vergangenheit. So kommen wir immer weiter auf der Leiter. Wir treten auf die unter uns liegenden Sprossen und greifen die neuen, die über uns erscheinen.
Manchmal müssen wir auch wieder die Leiter herabsteigen, um etwas zu holen oder jemand anders helfen sie hochzusteigen.
So ist es auch im Leben als Christ. Vielleicht sind wir dabei Gottes vergangenes Handeln in unserem Leben zu vergessen. Vielleicht wird uns dann schwindlig. Wir zweifeln. Irgendetwas oder jemand bringt uns durcheinander. Dann ist es gut, sich an Gottes früheres Handeln zu erinnern und zu merken, dass er immer noch hält. Die untere Sprosse ist weder morsch noch brüchig geworden. Nur, weil wir schon weiter oben sind und sie beim Hinaufklettern nicht sehen, ist sie doch noch da. Gott zieht sie unter uns nicht einfach aus den seitlichen Holmen.
Wir können auch anderen helfen, die Leiter hochzusteigen. Dazu zeigen wir die Sprossen und wie man auf die unteren tritt und sich an den oberen daran festhält. Man behält die Sprossen immer im Blick. Hält sich immer daran fest. Wie die Sprossen der Leiter uns getragen haben, werden sie auch andere tragen und uns immer wieder neu.
Lassen wir uns einladen zu träumen von Gottes Wirklichkeit mitten in unserer Realität.
Fangen wir immer wieder neu an zu danken, für das, was er für uns getan hat. Da sind natürlich das Erntedankfest und der Tag der deutschen Einheit. Lasst uns aber nicht nur auf die Ernte schauen und die Geschichte, sondern auf den, der uns versorgt, der uns befreit, der uns auf guten Wegen leitet. Der ganz genau weiß, was wir brauchen und uns darüber hinaus mit seinem Geist erfüllen möchte, mit Freude und Jubel.
Amen!