Ewigkeitssonntag und die Frage nach dem Warum (Jeremia 2,31-32)

Predigtmanuskript

Am Ende des Kirchenjahres …

… denken wir an Gottes Plan mit uns Menschen und unsere Pläne. Es geht um Ewigkeit und Vergänglichkeit. Es geht um Gottes Einladung sich an seine Angebote zu erinnern. Es geht auch darum uns zu erinnern, dass wir uns nicht in uns verlieren müssen. Wir brauchen uns weder an unsere Vergänglichkeit zu klammern noch vor ihr zu fliehen. Wir dürfen sie annehmen im Wissen, dass sich Gott darüber hinaus um uns kümmern will.

Deswegen dürfen wir das Angebot Gottes annehmen und auch die Menschen, die wir lieben, ihm ganz anzuvertrauen, auch die, die in diesem Jahr von uns gegangen sind. Konkret ist das Wilhelm Groth. Auch, wenn wir ihn vermissen und er langsam an Raum in unserem Gedächtnis verliert, ist er bei Gott doch nicht vergessen. Warum? Weil er sich Jesus anvertraut hat in seiner Vergänglichkeit und so Anteil bekommen hat an Gottes Ewigkeit. Das gilt für jeden von uns.

In diesem Jahr wurde uns unsere Vergänglichkeit …

… global vor Augen geführt, wie lange nicht. Da hat eine Pandemie von unserer Welt Besitz ergriffen, die wir gar nicht so richtig fassen können, bis sie uns selbst erfasst hat. Die Nachrichten darüber sind so präsent und mächtig, dass man sie gar nicht mehr hören will. Die Reaktionen sind dementsprechend unterschiedlich und führen immer öfter zu ungeduldigen Auseinandersetzungen.

Da scheint etwas von uns Besitz ergreifen zu wollen, …

… das die Feierlaune trübt, selbst, wenn man nicht an die Gefährlichkeit des Virus glaubt. Die Situation macht etwas mit uns. Wir warten auf einen neuen Tag. Die Nachrichten machen etwas Hoffnung. Bald wird es Impfschutz geben. Wir können wieder aufatmen. Wir können Festkleidung und Schmuck wieder bereit legen. Ist das wirklich so?

Der Predigttext von heute …

… dreht sich um eine ähnliche Situation. Es geht um die Zeit in der Geschichte des Volkes Israel, in der das Volk von verschiedenen Mächten umzingelt wurde. Da sind die Chaldäer im Nordosten und die Ägypter im Südwesten. Dazwischen die kleinen Nachbarvölker, die eifersüchtige Blicke auf Jerusalem und Juda werfen. Mittendrin die Frage, welchen Mächten man sich anvertrauen sollte, welche weniger vergänglich wären. Gott, der Unvergängliche, spielt nur eine Nebenrolle. Rituell vielleicht nicht, existenziell schon.

Der Herr sagt: »Volk Israel, achte auf das, was ich dir sage! Bin ich für dich denn eine Wüste gewesen oder ein Land, in dem es nie Tag wird? Warum sagst du: ‘Wir wollen mit dir nichts mehr zu tun haben, wir kommen nicht wieder zu dir zurück’? 32 Kann ein Mädchen seinen Schmuck vergessen oder die Braut den prächtigen Gürtel ihres Hochzeitskleides? Aber du hast mich vergessen, schon seit vielen, vielen Jahren!«
(Jeremia 2,31-32 nach der Bibelübersetzung Gute Nachricht)
 

Gott stellt die Frage nach dem Warum.

Das mag überraschen. Aber Gott fragt hier nicht nach Information, nach der puren Beantwortung einer Wissensfrage. Er scheint ratlos. Er macht sich angreifbar, macht sich offen für Kritik. Er scheint unsicher, macht sich Gedanken darüber, wie er empfunden wird. Er scheint aber auch das Volk nicht mehr zu verstehen, das er so sehr liebt, aber seine Liebe nicht erwidert. Da sind konkrete Menschen, mit denen er zusammen sein will, die aber andere Prioritäten setzen. Gott in der Nebenrolle und Gott auf der Anklagebank. Warum?

Das Volk erlebt Gott als Wüste und Land der Finsternis.

Mitten in ihren Herausforderungen beginnen sie nichts mehr für Gott zu empfinden. Sie fühlen sich zerrieben zwischen Großmächten und kleinen Nachbarn und hingezogen zu Alternativen ihr Leben zu bewältigen. Die einen wollen sich den Chaldäern ergeben und werden böse kritisiert: „Ihr Verräter, Schwächlinge und Feiglinge!“ Die anderen wenden sich Ägypten zu: „Zurück nach Ägypten, versklavt, aber versorgt? Seid Ihr besoffen?“ Die meisten aber wenden sich den kleinen Nachbarn zu. Mit denen kann man sich identifizieren. „Wollt Ihr Freunde sein von denen, die euch verachten?“, werden sie gefragt. Ganz egal, für wen sie sich entscheiden. Sie entscheiden sich auch für ihre Lösungen, das Leben zu bewältigen. Da spielt der Gott, der sich in Israel verliebt hat, nur eine Nebenrolle, nämlich eine unter anderen Mächten, die einem Lösungen versprechen.

Gott ist keine Quelle mehr, an der man sich erfrischen könnte. Er gibt ihnen kein Wasser mehr. Er versorgt sie nicht mehr. Er schützt sie nicht vor der Hitze des Tages und lässt sie in der Einöde verlassen umherirren. Sie können ihn nicht mehr sehen, seinen Willen nicht mehr verstehen. Es ist dunkel um sie her, wenn sie ihm Opfer bringen, Zeit und Kraft investieren.

Aber ein Räucheropfer hier und da ist er doch wert. Immerhin ist er wichtiger Teil der Geschichte. Nur jetzt funktioniert er nicht mehr, genau dann, wenn die Herausforderungen größer werden, als man selbst.

So stellt das Volk dieselbe Frage: Warum?

Mehrmals lesen wir im Buch Jeremia diese Frage, in 52 Kapiteln sogar 35 Mal. Sehr oft finde ich. Es ist die Frage nach dem Warum in aussichtslosen Jahrzehnten und Versuchen sich am eigenen Schopf aus dem Schlamassel zu ziehen. Aber es ist eine echte Frage. Nur will das Volk die Antwort nicht hören. Genau die, die Gott am meisten liebt, wenden sich von ihm und seiner Zuwendung ab.

Warum sind wir in diese Not geraten? Warum ist es soweit gekommen? Warum gibt es keine Heilung mehr? Warum tust du, als wären wir dir gleichgültig?“ So fragt das Volk Gottes seinen Gott, den es nicht mehr ernst nimmt, ohne es zu merken.

Warum hat ihr Gott das zugelassen?“ Das hört Jeremia die Völker ringsumher fragen.

Jeremia selbst fragt: „Warum bin ich nur geboren in dieser schlimmen Zeit?

Und die Menschen aus seinem eigenen Volk fragen Jeremia: „Warum predigst du so streng und lässt kein gutes Haar an uns?

Gott ist zur Wüste geworden und lässt Menschen im Dunkeln tappen. So erleben es viele und wehren sich gegen die Gute Nachricht, die er für sie parat hat.

Vielleicht sind das auch unsere Fragen, vielleicht.

Ich denke, dass es legitim ist, die Frage nach dem Warum zu stellen. Man darf ihr noch nicht einmal aus dem Weg gehen. Auf die Antwort muss man sich aber auch einlassen, wenn sei auch schmerzhaft ist. Selbst, wenn keine Antwort kommt, weil es keine einfache gibt oder sie zu allgemein ist. Man muss sich auf sie einlassen. Mehr noch müssen wir uns aber auf Gott einlassen und seinen Plan für uns.

Manche Situationen wären vermeidbar gewesen. Davon redet Jeremia Kapitel über Kapitel. Oft wird man aber in eine Situation hineingestellt, die man nicht beeinflussen kann. Man ist nur ein kleines Teil von größeren Zusammenhängen. Da wird man unverhofft von einem Schicksal getroffen. Das hätte auch jemand anderen treffen können; hat es aber nicht. Warum? Auch die Frage „Wozu?“ ist da nicht hilfreich. Vielleicht martert sie uns um so mehr.

Jeremia fordert uns auf nach dem „Wohin?“ zu fragen.

Das ist auch eine Herausforderung. Aber es ist der einzige Weg, der uns wirklich zur Hilfe führt. Er selbst hat sich ja die Frage nach dem Warum mehrmals gestellt. Mit dieser Frage ist er aber zu Gott gegangen und geblieben und hat sich von ihm trösten lassen.

Gott ist ihm wirklich wieder zur Quelle geworden. Er hat Jeremia mit seinem harten Herz konfrontiert und es aufgebrochen. Hat Jeremia erfrischt. Er hat Licht gemacht in seinem Dunkel. Jeremia war nicht verlassen in der Einöde.

Auch wenn es ihm schwer fällt, nimmt er doch immer wieder Gottes Einladung an, die er schon als Kind gehört und angenommen hat. Jeremia sagt nicht: „Ich will mit dir nichts zu tun haben, Gott. Ich komme nicht zurück.

Er träumt dagegen von einem kleinen Mädchen, dass sich den Schmuck seiner Mutter umhängt, bunte Kleider aus der Truhe kramt und anfängt zu tanzen, sich zu freuen. Jeremia sieht eine Braut vor sich, die darauf wartet ihr Hochzeitskleid anzuziehen. Sie hört schon das Schnattern ihrer Freundinnen, die kommen, um ihr zu helfen. „Kann ein Mädchen seinen Schmuck vergessen und die Braut den prächtigen Gürtel ihres Hochzeitskleides?

Gott lädt uns ein uns einladen zu lassen zu seinem Fest, das er für uns vorbereitet. Er lädt uns ein umzukehren zu ihm, aber zu ihm allein. Jesus wiederholt das immer wieder und nach ihm Petrus und Paulus und alle anderen. Es gibt keinen anderen Weg aus dem Warum. Der ist Jesus, niemand anders! Aber er führt uns aus dem Dunkel ins Licht aus der Wüste in ein neues Land, aus der Trauer zum Fest. Das ist der Weg der Ewigkeit, der schon heute beginnt.

Warum bietet uns Gott so etwas Schönes an? Er liebt uns einfach, mehr nicht.

Amen!