Heute geht es weiter mit der Predigtreihe zum Glauben. Vor drei Wochen ging es um die Frage: “Ist das denn alles wahr, was ich glaube?” Untrennbar damit verbunden aber auch die andere: “Ist denn auch der wahr, an den ich glaube? Ist er zuverlässig?” Genau daran schließt sich Vertrauen an. Glaube ist nämlich auch ein Akt des Vertrauens. Es ist ein Vertrauen, dass Gott echt ist und keine Illusion. Es ist ein Vertrauen, dass Gott es gut meint, auch wenn das Leben es nicht tut. Es ist ein Vertrauen, dass mich herausfordert. Es lädt mich als zweiten Schritt ein, nicht mehr allein für mich zu bleiben, sondern Gemeinschaft zu suchen, Vertrauen zu wagen, sich zu erarbeiten, manchmal auch zurückzuerobern.
Zu wem habt Ihr am meisten Vertrauen?
Ich glaube, wir vertrauen ohne groß nachzudenken dem Busfahrer oder Lokführer, wenn wir mit Bus und Bahn unterwegs sind. Das machen wir selbst, obwohl wir von Bus-, Bahn- oder Autounfällen hören. Gott sei Dank, sind sie aber die Ausnahme.
Ein gewisses, minimales Risiko nehmen wir also immer in Kauf, wenn wir vertrauen üben.
Wenn ich selbst fahre, benutze ich immer mal wieder das Navi in meinem Auto. Manchmal hat es mich jedoch schon im Stich gelassen. Entweder hat mich der Satellit verloren; oder wahrscheinlich eher das Smartphone den Satelliten, also andersherum. Grundsätzlich fahre ich aber auch lieber, ohne dass mir da eine elektronische Stimme dazwischenquatscht. Ich vertraue also am ehesten mir selbst und meinem eigenen Urteilsvermögen.
Da stellt sich dann die Frage, inwieweit ich bereit bin mich anderen anzuvertrauen.
Gehen wir aber mal einen Schritt weiter. Wie ist das mit dem Vertrauen zu Deinen Eltern, Deinem Vater oder Deiner Mutter, Deinem Ehepartner oder Deinen Kindern? Nicht wenige haben den Bruch des Vertrauens in den engsten Beziehungen schon erlebt oder erleiden müssen. Dabei ist die Enttäuschung um so größer, als der Menschen einem näher stand, der unser Vertrauen missbraucht hat. Das ist grundsätzlich schon schlimm genug.
Was passiert, wenn ich einen oder mehrere Vertrauensbrüche erlebe?
Eigentlich unbemerkt setzt sich etwas fest in uns. Den Betroffenen fällt es schwer, Schritte zu tun auch Gott zu vertrauen; ihm frei zu begegnen, sich ihm ganz anzuvertrauen, Vertrauen zu fassen, also festzuhalten und Misstrauen loszulassen.
In der Bibel finden wir die Geschichte von Michal, der ersten Frau Davids. Sie kann man so oder so ähnlich immer wieder finden, auch unter uns. Michal gerät nämlich zwischen die Räder der Ereignisse, die sie nicht mehr kontrollieren kann. David hat sie lieb, wie keine andere, und Michal hat David lieb, wie keinen anderen. Sie heiraten. Doch dann wird sie ihm von Saul, Michals Vater, David weggenommen und weiterverheiratet. David muss fliehen und heiratet eine andere Frau, findet aber nie wieder zu dieser ersten Liebe zurück. Später, als sich die Gelegenheit bietet, holt er sich Michal wieder zurück. Nun ist sie aber eine von anderen Frauen. Nicht weniger schlimm ist, dass ihr zweiter, aufgezwungener Mann sie wirklich und ehrlich lieb gehabt hatte. Michal ihn inzwischen auch. Weinend läuft er hinter ihr her, als sie auch ihm genommen wird.
In dieser so unheimlich traurigen Geschichte gehen mehrere Dinge kaputt in Michal - und nicht nur in Michal. Sie selbst findet niemand mehr, dem sie vertrauen kann, zu dem sie ihre Verletzungen hinbringen kann. Sie findet keine Heilung. In der Folge entsteht auch Misstrauen zu David, den sie doch so sehr geliebt hatte - und er sie. Als ob das nicht genug ist, zerbricht nun auch ihre Beziehung zu Gott. Sie kann sich nicht mehr mit anderen freuen, wenn sie Gott feiern. Ihr Herz bleibt stumpf. Sie hat ihr Leben, ihre Hingabe, ihren Glauben, ihr Vertrauen, Stück für Stück auf diesem bitteren Weg verloren. Diese Geschichte ist eine der traurigsten in der ganzen Bibel, ein bitterer Bericht ganz ohne Happy End.
Was ist alles in Deinem Leben passiert, in meinem, was unseren Glauben geprägt, vielleicht aber auch geschadet hat? Und wie gehen wir damit um? Wie sieht es mit Deinem, mit unserem Vertrauen aus?
Paulus beschreibt Gott vielleicht genau deswegen als Vater und uns als seine geliebten Kinder. Daran erinnert er die Christen in Rom und die, in der Provinz Galatien. Er wiederholt immer wieder:
“Ihr seid keine Knechte, keine Sklaven, zum Kadavergehorsam verdammt. Ihr werdet nicht hin und hergeschoben wie Schachfiguren. Vielmehr seid ihr geliebte Kinder eines Vaters, der all euer Vertrauen wert ist.”
Paulus schreibt dann:
“Weil ihr nun seine Kinder seid, schenkte euch Gott seinen Geist, denselben Geist, den auch der Sohn hat. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: »Abba, lieber Vater!«”
“Alle, die sich von Gottes Geist regieren lassen, sind Kinder Gottes. * Denn der Geist Gottes, den ihr empfangen habt, führt euch nicht in eine neue Sklaverei, in der ihr wieder Angst haben müsstet. Er hat euch vielmehr zu Gottes Söhnen und Töchtern gemacht. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: »Abba, lieber Vater!«”
(Galater 4,6 und Römer 8,14–15 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)
Wenn wir hier von Abba lesen, meint Paulus natürlich nicht die Musikgruppe aus den 80ern, die sich im Augenblick in ihren Konzerten als Hologramme präsentieren. Wenn Paulus hier also Gott mit Abba anspricht, denkt er nicht an ein Hologramm, dass uns nur etwas vorspiegelt. Das Hologramm ist vielleicht ganz toll ausgeklügelt und scheint echt. Ein Hologramm ist aber eben nur ein Hologramm. Es handelt sich nicht um die richtige Person.
Mit “Abba” haben Juden damals ihren Vater angeredet, wenn sie Vertrauen zu ihm hatten, wenn sie ganz vertraulich mit ihm reden wollten. Denn im Alten Testament wird Gott nicht nur als Schöpfer beschrieben, der alles gut, ja sehr gut macht, sondern auch als Vater, der sich um seine Kinder kümmert. Jesus selbst hat so vertraulich mit Gott gesprochen; so vertraulich, dass es die Menschen verunsicherte. Ganz besonders dann, als er mit ihm über seinen Tod am Kreuz sprach (Markus 14,36). Als das Leben es ganz schlimm mit ihm meinte. Dass Jesus trotzdem Gottes Nähe wagt, ist Zeichen von einem ganz tiefen Vertrauen.
In allem Schlamassel, in dem wir uns oft wiederfinden, in den wir uns gebracht haben oder andere lädt Gott uns ein ihm zu vertrauen und…
… Beziehungen grundsätzlich neu zu erleben und zu gestalten, Vertrauen einzuüben.
Da entsteht eine neue Familiendynamik
Ohne uns zu fragen, bekommen wir einen ganzen Haufen Geschwister, Menschen, die sich, wie wir, Jesus als Bruder anvertraut haben und Gott als Vater und dem Heiligen Geist als Tröster. Gott will uns also nicht nur ein persönliches, individuelles Pfingstfest schenken. Es ist ein kollektives Erlebnis, ein Gemeinschaftserlebnis. Es ist ein Fest des Vertrauens, der verbindenden Nähe Gottes.
Was jetzt passiert ist, dass wir unsere eigenen Erfahrungen mit Vertrauen und Familie nicht nur in die Beziehung mit Gott bringen, sondern mit in diese ganze neue Familie Gottes, mit in unsere Gemeinschaft. Da sind natürlich viele schöne und gute Erfahrungen, manchmal aber auch krumme und dumme. Gott lädt uns deswegen zu einer neuen, vertrauensvollen Familiendynamik ein.
Die funktioniert aber grundsätzlich nicht so, wie wir das aus unseren Familien kennen. In manchen Familien wird es eingeübt stärker zu sein, als der andere. Anderen ist es wichtig, dass alle gleich sind und keiner über oder untereinander steht. Wieder in anderen geht es darum, alles zu harmonisieren. Woanders dagegen muss alles klar und offen auf den Tisch geworfen werden. Für die einen ist es Zeichen des Vertrauens alles für sich zu behalten, das Gute wie auch das Schmerzhafte. Für die anderen ist es wichtig nichts für sich zu behalten, also ganz das Gegenteil. Und hier geht es um mehr als Geheimnistuerei oder Schnatterei.
Jetzt stellt Euch mal vor: So ein Haufen sind wir hier. Jeder hat eine andere Prägung. Wozu uns Gott nun auffordert ist ein ziemlich großes Abenteuer. Gott möchte, dass wir uns aufeinander einlassen und jeder etwas von sich und seinen Vorstellungen preisgibt.
Er möchte, dass wir bei ihm selbst in einem ersten Schritt Vertrauen lernen. Nur Du und er, niemand anders. Nur ich und er, wir allein. Als zweiten Schritt gibt er uns einen Stups, auch unserem Gegenüber in der Gemeinde Vertrauen entgegenzubringen. Wir beginnen uns mitzuteilen. Wir treten füreinander ein. Wir behalten unsere Nöte nicht für uns. Wir grenzen uns nicht voneinander ab. Es geht nicht darum, dass wir uns vor allen nackig ausziehen. Es geht vielmehr darum, dass wir Vertrauen einüben und Gottes Segen erleben, befreit werden und mit Freude erfüllt werden. Wir machen einander nichts mehr vor. Wir dürfen uns verändern lassen ohne uns zu verlieren. Ganz im Gegenteil werden wir so wiederfinden, was wir verloren haben vielleicht ohne es gemerkt zu haben.
An die Christen in der Stadt Kolossä schreibt Paulus folgendes:
“Lasst die Botschaft von Christus ihren ganzen Reichtum bei euch entfalten. Unterweist und ermahnt euch gegenseitig mit aller Weisheit und dankt Gott von ganzem Herzen mit Psalmen, Lobgesängen und Liedern, die euch Gottes Geist schenkt. Ihr habt doch Gottes Gnade erfahren!”
(Kolosser 3,16 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)
Jakobus wird sogar noch direkter, indem er seine Leute hierzu auffordert:
“Bekennt einander also eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet. Denn das Gebet eines Menschen, der nach Gottes Willen lebt, hat große Kraft.”
(Jakobus 5,16 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)
Das alles setzt Vertrauen voraus und Menschen, die es wagen sich in Gottes Gegenwart zu vertrauen. Sie riskieren dabei sehr viel. Aber was sie gewinnen, ist viel, viel mehr. Sie werden reich, sie werden mit Weisheit erfüllt, mit Freude, mit einer neuen Gemeinschaft. Sie erleben Gottes Gnade, die Liebe des Vaters. Sie werden befreit, von Bindungen. Sie helfen sich gegenseitig ihre Fesseln loszuwerden. Sie hocken nicht mehr in der Höhle ihrer dunklen Geheimnisse und Verletzungen. Sie gehen als geliebte Kinder gemeinsam zu ihrem Papa, dem sie begonnen haben, Vertrauen entgegenzubringen.
Machen wir uns doch auf den Weg. Fangen wir also alleine erstmal an und lernen Gott zu vertrauen. Parallel dazu, lasst uns doch Menschen suchen, mit denen wir gemeinsam Vertrauen zu Gott einüben möchten. Und wieder parallel dazu wagen wir es Vertrauen in unseren Gemeinschaften einzuüben. Lernen wir Schmerz und Freude zu teilen. Dann halbiert sich der Schmerz nämlich und wird kleiner und kleiner. Dann verdoppelt sich die Freude, und wird größer und größer.
Dann stehen wir staunend vor Gott und rufen: “Abba, lieber Vater! Nichts ist schöner, als von dir Vertrauen zu lernen.”