Hanna & Simeon – wenn sich das Warten lohnt

Heute ist der vierte Advent. In einer Woche ist Weihnachten., am Samstag Heiligabend und am Weihnachtsmontag treffen wir uns wieder zum Gottesdienst. Es ist in diesem Jahr die längste Adventszeit. Ganze fünf Wochen vom ersten Adventssonntag bis Weihnachten. Was für eine Tortur für die Kinder, die auf den großen Tag warten, ihren großen Tag! Vielleicht ist es aber auch entspannter für andere. Es drängt sich nicht so alles zusammen, wie sonst. Weihnachten kommt schon früh genug …  

Diese Gedanken leiten uns heute durch die Predigt: das Hoffen und das Warten. Aber kommen wir doch zurück auf unser Bild von der Haltestelle und den verschiedenen Menschen, die sich dort aufhalten. 

Da war zuerst Maria, die sich dort nur aufhält. Sie wartet auf nichts besonderes. Es ist der Ort, wo man ist, der Alltag. Doch genau in diesen schnöden Alltag, in dem wir gar nichts Großes erwarten, kommt uns Gott ganz nah.

Dann waren da die Sternegucker. Die machen sich auf, merken aber auf dem Weg, dass sie den falschen Fahrplan haben – oder zumindest einen veralteten. Als sie das merken, suchen sie nach dem aktuellen, suchen Hilfe, lassen sich korrigieren und kommen schließlich ans Ziel. 

Gott hilft uns, ihn zu finden, wenn wir uns helfen lassen und nicht allein rumwurschteln. 

Heute geht es um zwei Menschen, die noch eine weitere, ganz andere Haltung mitbringen. Da sitzen sie in der Haltestelle und warten. Sie warten und warten und warten. Aber der Bus kommt nicht. Jeden Tag kommen sie frühmorgens wieder. Aber immer dasselbe. Kein Bus. Aus der Ferne hören sie hin und wieder das Rauschen. Doch dann… dann kommt doch nichts. Hatten sie nicht den richtigen Fahrplan? Was geht in ihnen vor? Ist das nicht frustrierend? Fühlt man sich dann nicht versetzt, ignoriert? Zweifelt man schließlich an sich selbst?  Das Spannende an dieser langweiligen und frustrierenden Situation ist, dass die beiden hartnäckig warten. Sie warten einfach und teilen ihre Hoffnung anderen mit. Wie reagieren die wohl? Da kommt doch schon lange kein Bus mehr vorbei. Was wartet Ihr noch? Die beiden kann man doch gar nicht mehr ernst nehmen. Was soll das? Sucht Euch doch einfach einen anderen Platz. Doch die beiden lassen sich nicht abbringen. Sie bleiben und kommen immer wieder. Auf keinen Fall wollen sie die Gelegenheit verpassen. Sie geben ihre Hoffnung nicht auf. 

Diese zwei Menschen sind Simeon und Hanna, zwei Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben. Aber sie geben ihre Hoffnung nicht auf. Irgendwie sind sie sich sicher, dass ihr Warten zu Gottes Willen passt und er ihre Hoffnung erfüllen wird. Lesen wir doch mal, was uns Lukas über die Beiden berichtet.

In Jerusalem lebte ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und gottesfürchtig. Simeon war vom Heiligen Geist erfüllt und wartete sehnsüchtig auf die Ankunft des Christus, der Israel Trost und Rettung bringen sollte. *  Der Heilige Geist hatte ihm offenbart, dass er nicht sterben würde, bevor er den vom Herrn gesandten Christus gesehen hätte. 

*  An diesem Tag führte der Heilige Geist ihn in den Tempel. Als Maria und Josef kamen, um das Kind dem Herrn zu weihen, wie es im Gesetz vorgeschrieben ist, *  war Simeon dort. Er nahm das Kind auf seine Arme und lobte Gott und sagte: *  »Herr, nun kann ich in Frieden sterben! Wie du es mir versprochen hast, *  habe ich den Retter gesehen, *  den du allen Menschen geschenkt hast. *  Er ist ein Licht, das den Völkern Gott offenbaren wird, und er ist die Herrlichkeit deines Volkes Israel!« 

*  Josef und Maria staunten, als sie hörten, was Simeon über Jesus sagte. *  Simeon aber segnete sie und sagte zu Maria: »Dieses Kind wird von vielen in Israel abgelehnt werden, und das wird ihren Untergang bedeuten. Für viele andere Menschen aber wird er die höchste Freude sein. *  Auf diese Weise wird an den Tag kommen, was viele im Innersten bewegt. Doch auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen.« 

*  Im Tempel befand sich auch Hanna, eine Prophetin. Sie war eine Tochter Phanuëls aus dem Stamm Asser und schon sehr alt. Hanna war Witwe. Ihr Mann war nach nur sieben Jahren Ehe gestorben. *  Jetzt war sie vierundachtzig Jahre alt und verließ den Tempel nie mehr, sondern diente Gott dort Tag und Nacht mit Fasten und Beten. *  Als Simeon mit Maria und Josef sprach, ging sie vorbei und begann, Gott zu loben. Allen, die auf die verheißene Erlösung Israels warteten, erzählte sie von Jesus. 

(Lukas 2,25–38 nach der Neues Leben Bibelübersetzung)

Was zeichnet Simeon und Hanna aus? 

Erstens: Sie halten an ihrer Hoffnung fest, auch, wenn alles dagegen spricht. 

Zweitens: Sie suchen beständig Gottes Nähe und erleben sie. 

Drittens: Sie lassen sich von Jesus überwältigen und bleiben mit anderen über ihn im Gespräch. 

Genau das ist es, was auch unseren Glauben und unser ganzes Leben auszeichnen soll.

Wir halten an der Hoffnung fest, auch wenn alles dagegen spricht.

Wir suchen beständig Gottes Nähe und dürfen sie erleben.

Wir lassen uns von Jesus überwältigen und bleiben mit anderen über ihn im Gespräch.

Erstens: Wir halten an unserer Hoffnung fest, auch, wenn alles dagegen spricht. 

Wir wissen weiter nichts über Hanna und Simeon, als was hier steht. Zumindest von Hanna wissen wir, dass Ihr tiefe Enttäuschung nicht erspart blieb. Jung verheiratet, früh verwitwet. Vielleicht musste sie es erst lernen, sich davon zu lösen. Der Befreiungsschlag aus ihrer Trauer ist dann auf jeden Fall, alles zu Gott zu bringen. Sie vergräbt sich nicht in ihrer Enttäuschung. Kann sein, dass es länger gedauert hat, vielleicht Jahre. Aber schließlich fällt sie eine Entscheidung. 

Ich lasse mir meine Hoffnung und meinen Glauben von nichts und niemand nicht rauben!

Dann ist da Simeon. Auch er ein alter Mann. Er schafft es irgendwie nicht jeden Tag in den Tempel. Vielleicht muss er sich um seine Frau kümmern oder seinen Lebensunterhalt bestreiten. All das wissen wir nicht. Was wir wissen: er sucht Gottes Willen. Er ist gerecht und gottesfürchtig. 

Er schaut nicht auf seine Errungenschaften, sondern darauf, was Gott mit ihm machen möchte.

Wenn wir in die Zeit blicken, die die beiden erlebt und durchlebt haben. Dann können wir uns nur wundern, dass sie ihren Glauben nicht verloren haben. Da war nicht nur der frühe Tod des Ehemanns. Hanna, und mit ihr Simeon, hatten in ihrer Kindheit und Jugend Bürgerkrieg erlebt. Die Mächtigen kämpfen mit allen Mitteln um ihren Einfluss. Dann renoviert Herodes neben vielen anderen Bauwerken, Palästen, Einrichtungen und vielem mehr den Tempel. 

Im Babylonischen Talmud, die wichtigste Schrift der Juden neben der Bibel, lesen wir: „Wer den Tempel des Herodes nicht gesehen hat, hat noch nie ein schönes Gebäude gesehen„. Auch die engsten Vertrauten von Jesus staunen über den Anblick des Tempels. 

Das Problem dabei: Herodes hält eigentlich nicht viel von Gott. Er weiß aber, sich Freunde zu machen. Eigenwillig setzt er dazu Hohepriester ein und wieder ab. Glaube als diplomatischer Spielball.  

Genau in dieser Zeit des Durcheinanders leben Hanna und Simeon. Sie wissen, dass der Tempel Menschenwerk ist. Was sie suchen und finden, ist deswegen nicht seine Schönheit, sondern diesen ganz besonderen Glanz, der nur aus der Gegenwart Gottes kommen kann. Und Gott erfüllt ihren Wunsch. 

Was bewegt Deinen Glauben? Was gibt Dir Gleichgewicht im Leben? Sind es Deine Errungenschaften? Ist es die Nähe Gottes? 

Lass Dir die Hoffnung und Deinen Glauben nicht von den Umständen rauben! 

Zweitens: Wir suchen beständig Gottes Nähe und dürfen sie erleben. 

Hanna macht den Tempel Gottes zu ihrem Zuhause. Genau dort an dem Ort, der die Gegenwart Gottes symbolisiert, sucht sie nicht nur Symbole, sondern Gott selbst. Genau dort bringt sie ihm alles, was sie bewegt. Sie will sich nicht mehr um die schlimmen Dinge in ihrem Leben drehen. Na klar. Sie sind geschehen und gehören zu ihrer Geschichte. Aber Hanna lässt sich nicht durch sie überwältigen. Sie bringt sie in die Gegenwart Gottes. Sie weiß, dass er ihr alle Lasten abnimmt. Sie kommt mit einer unerschütterlichen Hoffnung in den Tempel. Dort, in der Gegenwart Gottes, wächst sie im Glauben. 

Schließlich sieht sie Jesus, Maria und Josef … und Simeon, der offensichtlich erfüllt ist von der Gegenwart Gottes, vom Heiligen Geist. Da gibt es keinen Zweifel. Hier passiert etwas ganz Außergewöhnliches. Und plötzlich merkt sie: Es ist vollbracht! Mein Glaube hat sich gelohnt. Ich habe Jesus gesehen. 

Das ist es auch, was Simeon erfüllt: Ich habe den Retter gesehen. Vorher hat er nur auf ihn gehofft. Doch jetzt kann er ihn erleben, mit eigenen Augen sehen. 

Was wir von den beiden lernen können, ist ihre beständige Sehnsucht Gottes Nähe zu erleben. Von Simeon lesen wir, dass er auch außerhalb des Gottesdienstes ein frommer Mann ist. Auch in seinem Alltag hört er Gottes Stimme, lässt sich vom Heiligen Geist bewegen und leiten. Das ist schon beeindruckend. Da ist ein Mensch, für den Glaube, Gebet, Hören auf Gott, ganz normal ist. Ihm fällt garnicht ein, dass das nur in den Gottesdienst gehört. 

Dann passiert aber das Entscheidende. Hanna und Simeon erleben die konkrete Erfüllung vom größten Versprechen, das Gott seinem Volk, ja der ganzen Welt, gemacht hat. Der Retterkönig ist da, wunderbarer Ratgeber, starker Gott, ewiger Vater, Friedensfürst. Große Herrschaft und Frieden. Hier, genau hier mit diesem kleinen Jesusbaby beginnt Gott, seine Versprechen zu erfüllen. 

Suchen wir Jesus. Nehmen wir uns Zeit für Gott, seine Nähe. Es ist nicht immer so spektakulär, wie bei Hanna und Simeon. Aber es kann und soll auch in unserem Leben passieren. Jesus begegnet uns ganz persönlich und überwältigend, wenn wir Gottes Nähe suchen.

Drittens: Wir lassen sich von Jesus überwältigen und bleiben über ihn im Gespräch. 

Hanna und Simeon lassen das zu. Sie lassen sich von Jesus überwältigen. Sie sind ganz außer sich, begeistert. Zwei alte Menschen, die plötzlich jung werden. Sie sehen Jesus und lassen sich Worte von ihm in den Mund legen. Sie behalten das auch nicht nur für sich. Es geht nicht anders. Sie müssen es unter die Leute bringen. Es ist ihnen ganz egal, was die von ihnen denken. Die Nachricht von Jesus darf kein Geheimnis bleiben. Dass Gott zu uns in die Welt kommt und uns ganz persönlich begegnen will, muss jeder gehört haben. 

Da passiert mit Simeon und Hanna etwas, von dem uns Lukas, der das aufgeschrieben hat, auch von der ersten christlichen Gemeinde schreibt. Am Pfingstfest kommt der Heilige Geist, Gottes umwerfende Gegenwart, auf sie; und sie können nicht anders, als Jesus mit allen möglichen Sprachen unter das Volk bringen.

Wenn wir uns auf Jesus einlassen, wird er uns Worte in den Mund legen, die von Gott kommen und zu ihm zurückführen und auf dem Weg viele Menschen erreicht. 

Was Gott mit Hanna und Simeon macht, will er auch mit uns machen. Wie Gott der ersten kleinen christlichen Gemeinde begegnet, will er auch uns begegnen. Das ist die Botschaft von Weihnachten und Pfingsten zusammen. Gott will jeden von uns beschenken. Geben wir dieses Geschenk doch weiter. 

Halten wir an der Hoffnung fest!

Suchen wir beständig die Nähe Gottes!

Lassen wir uns von Jesus überwältigen, begeistern und bewegen. 

Dann ist Advent. Dann ist Weihnacht.