Geborgen bei Gott (Jesaja 66,10-14)

Heute ist im Kirchenjahr der Sonntag Lätare: „Freut euch!“, Halbzeit zwischen Aschermittwoch und Karfreitag / Ostern, beides: Vorschau und Rückblick auf den Sieg Jesu.

Lesung des Predigttexts: Jesaja 66,10-14

Ein wunderschöner und doch kein „alles-wird-gut“ Text

Hier, gegen Ende seines Buches, liefert uns der Prophet Jesaja einen wunderschönen Text. Es ist ein Text der Freude, des Friedens, der Geborgenheit und der Versorgung.

Trotzdem ist es kein „Alles wird gut“-Text. Denn er ist nur an die gerichtet, die sich Gott anvertrauen. Von denen spricht Jesaja kurz vorher. Es sind Menschen, die zwischen Gott und Spöttern stehen. Menschen, die sich gefragt haben, wem sie sich beugen sollen, wem sie vertrauen sollen, sich anvertrauen sollen.

Das ist eine elende Situation. Sie zittern vor Gott und schämen sich vor Spöttern. Doch letztendlich entscheiden sie sich zitternd von den Spöttern wegzuschauen und zu Gott aufzuschauen. Gott seinerseits schaut sie nicht nur an, sondern lädt sie ein an den Ort des Trostes, der Geborgenheit und des Friedens, in ein neues Jerusalem.

Jesaja kommt damit fast zum Ende seines prophetischen Buches. Er hatte viel von Jerusalem und dem verheißenen Land geschrieben. Beides war von innen und außen ernst bedroht – vor allem ihre Bewohner. Jesaja schreibt in eine Situation der Bedrohung und lädt zur Entscheidung ein. Er fragt seine Leser und Hörer: „Willst du dir deine Heimat, deine Geborgenheit, dein persönliches Jerusalem erarbeiten, oder willst du es dir schenken lassen?

Hier in unserem Text sind es Menschen, die es zitternd gewagt haben, sich beschenken zu lassen. Es sind Menschen, deren Vertrauen Gott belohnt hat. Menschen, die ihrem Vertrauen in die eigene Weisheit und dem Blick der Spötter den Rücken gekehrt haben.

Es geht also um weit mehr, …

… als um das Versprechen die Stadt Jerusalem als solche vor Bedrohung zu schützen oder wieder aufzubauen, wie Esra und Nehemia später berichten. Es geht sogar um mehr, als das Neue Jerusalem, von dem Johannes in der Offenbarung spricht.
Es geht um viel mehr als äußere Sicherheit und künftigen Frieden. Es geht um die Einladung sich hier und jetzt Gott anzuvertrauen – vielleicht zitternd, aber doch von ganzem Herzen.

Im Brief an die hebräischen Christen (dem Hebräerbrief) lesen wir (Hb 12,18.22): „Denn ihr seid nicht zu etwas gekommen, dass man anrühren konnte … sondern ihr seid gekommen zu dem Berg Zion, zu der Stadt des lebendigen Gottes, zum himmlischen Jerusalem.“ Paulus schreibt etwas ähnliches an die Christen in Galatien, der heutigen Türkei (Gal 4,24ff). Beide betonen, dass dieses Neue Jerusalem weder Zukunftsmusik sein muss noch etwas, dass man sich erarbeiten kann. Sie sprechen vom Berg des Gesetzes auf der einen Seite; und auf der anderen Seite vom Berg, auf dem Jerusalem liegt. Der erste Berg bedeutet das Wegschauen von Gott auf die eigene Kraft, Gesundheit, Intelligenz, Finanzkraft. Der andere ist die Entscheidung auf Gott zu vertrauen, auf seine Kraft und seine Möglichkeiten, die er durch Jesus eröffnet.

Es geht Jesaja, Paulus und dem Hebräerbrief um …

… eine Entscheidung, die wir jetzt treffen sollen …

… und ein Versprechen, das wir im gleichen Moment einlösen können. Im Hebräerbrief wird das so deutlich, weil er schreibt: „Ihr seid gekommen.“ Das ist grammatisch ganz klar. Wir lesen also von einem schon erfüllten Versprechen. Die hebräischen Christen haben Jesus gesehen, haben sich ihm anvertraut und freisprechen lassen, loben Gott und sind ihm nahe, wie es nur Engel sein können – jetzt schon. So lesen wir es zumindest in Kapitel 12.

Genau darum geht es auch Jesaja: um die Geborgenheit der Gegenwart Gottes, um Frieden und Freude und Trost und Versorgung. Wenn man sich schon darüber freuen kann und darf, dass man gesund ist, und stark, und gut gebildet, und sein Auskommen hat… Wieviel mehr soll und kann, ja muss man sich freuen, wenn man Jesus hat. Dann füllt er das alles aus, was man meint nicht zu haben oder verlieren zu können. Da, im Zuhause, das Gott für uns jetzt schon hier in diesem Moment bereit hat, darf man sich freuen, wird man versorgt und getröstet und getragen. Genau dortwird man das Handeln Gottes erkennen, nirgend woanders. Natürlich! Da wird es auch ein zukünftiges Neues Jerusalem geben. Aber das darf keine Ausrede dafür sein, was Gott uns jetzt schon im Vertrauen auf seinen Sohn Jesus anbietet.

So dürfen wir uns wirklich freuen …

… über dieses neue Zuhause, im biblischen Bild gesprochen, die Stadt Jerusalem. Wo alle Hoffnung zerstört war… hier wird sie Realität! „Freut Euch – alle, die ihr Jerusalem lieb habt, eurer neues Zuhause im Glauben hier und jetzt!“ „Freut Euch – alle, die ihr traurig wart, weil ihr kein Zuhause, keine Geborgenheit mehr hattet, weil es bedroht war und zerstört wurde!
Jesaja macht all denen Mut, sich Jesus wieder anzuvertrauen – denen, die ihren Glauben schon fast verloren hatten. Er macht auch all denen Mut, die noch nie gewagt haben zu glauben, denen das vielleicht ganz fremd war. Er lädt ein: „Lass dich dort mit Freude beschenken – lerne Gottes Zuhause kennen und lieben!

Wir dürfen uns dort versorgen lassen

Jesaja malt das Bild vom Baby an der Brust der Mutter. Wie die Mutter liebevoll und fasziniert auf ihr kleines Kind schaut! Wie das Kind ruhig und zufrieden, zutiefst geborgen, saugt und Kraft bekommt. Das Baby wird auf den Arm genommen. Es könnte nicht selbst dahin kommen. Das Baby wird an die Brust gelegt und fängt an zu saugen. Ja, das muss es selbst machen, das Saugen. Ein gesundes Kind will das. Jedes Kind braucht das. Jesaja fragt uns ob wir uns von unserem Gott versorgen lassen wollen? …ob wir das tun? …ob wir gesund werden wollen? Gott beugt sich zu uns herunter und hebt uns zu sich hoch. Gott ist wie eine liebende Mutter zu uns. Gott selbst ist wie die Geborgenheit eines Zuhauses. Seitdem Jesus gekommen ist, wird das um so deutlicher.

Gott versorgt uns mit Frieden und Auskommen

Jesaja macht das sehr deutlich. Wenn wir uns Gott anvertrauen, dann erfüllt er uns mit Frieden, wie ein Baby die Milch der Mutter saugt. „Übervoll“, schreibt Jesaja. Bei Gott braucht es keine Nahrungsergänzungsmittel. Im Vertrauen auf Jesus werden wir ausgewogen versorgt. Wenn wir ihn haben, haben wir alles. Dann werden wir versorgt. Das ist doch unglaublich. Aber hier steht es so!

Wir dürfen uns trösten lassen …

… wie einen seine Mutter tröstet. Wenn das Kind fällt beim Laufenlernen oder stürzt, weil es zu übermütig war oder das Bein gestellt bekommen hat – dann kommt die Mutter und hebt es auf. Da ist Trost! Bei Gott ist Trost! Vielleicht nicht in unserem Zuhause, aber in Gottes Zuhause; dem Zuhause, das Jesaja hier beschreibt, das Zuhause, das Paulus den Christen in Galatien vormalt, das Zuhause, das auch die hebräischen Christen mit bunten Bildern vorgemalt bekommen. Die hatten es schon wieder vergessen. Sie dachten, sie müssten es sich verdienen oder woanders herholen. Sie lagen am Boden und merkten es nicht. Sie schauten auf, aber nicht zu den offenen Armen von Jesus.

Jesaja lädt ein sich trösten zu lassen, so richtig! „Freue dich, der du den Tröster liebst, Jesus Christus, Gott, den Vater; das Zuhause, das er dir anbietet.

Das ist doch alles so unglaublich!

Aber es muss gerade deswegen geglaubt werden. Glauben tun wir doch sowieso. Wir vertrauen uns selbst oder fürchten die Meinung der Spötter. Jesaja ruft es uns zu. Paulus schreibt es den Christen in Galatien eindringlich; und der Hebräerbriefschreiber malt es uns bunt vor. Lassen wir uns einladen ins Neue Jerusalem, in die Welt des Glaubens – und treten wir ein! – hier und jetzt – Was hindert uns?!

Amen!