Keine Geheimniskrämerei (1.Korinther 2,1-10)

Predigtmanuskript

Heute geht es um Geheimnisse, aber keine Geheimniskrämerei. Vielmehr dreht es sich darum, wie man Geheimnisse lüften kann. Ganz besonders geht es darum, dass Gott ein großes Geheimnis hat, das er lüften möchte. Um diesen Faden weiterzuspinnen geht es auch darum die Fenster in unserem Gedankenhaus nicht nur zu putzen, sondern weit aufzumachen und dann unsere Wohnung mal zu verlassen um eine Welt zu entdecken, die größer ist als unsere. 

Hören wir aus diesem Blickwinkel doch mal auf ein paar Worte, die Paulus an die Christen in Korinth geschrieben hat. Sie bilden auch den vorgeschlagenen Predigttext im Ablauf des Kirchenjahres. Da befinden wir uns im Augenblick in der Epiphaniaszeit. Gott beendet alle Geheimnisse um ihn. Er macht sich sichtbar. Ich lese den Text aus dem zweiten Kapitel des ersten Briefs von Paulus an die Christen in Korinth die Verse eins bis zehn aus der BasisBibel. 

Brüder und Schwestern, ich bin damals zu euch gekommen, um euch das Geheimnis Gottes zu verkünden. Ich bin aber nicht mit großartigen Worten oder mit Weisheit aufgetreten. 2 Denn ich hatte beschlossen, bei euch von nichts anderem etwas wissen zu wollen als von Jesus Christus – und besonders davon, dass er gekreuzigt wurde.

3 Ich trat mit einem Gefühl der Schwäche und zitternd vor Angst bei euch auf. 4 Ich setzte bei meiner Rede und meiner Verkündigung nicht auf die Weisheit und ihre Fähigkeit zu überzeugen. Ihre Wirkung verdankte sich vielmehr dem Heiligen Geist und der Kraft Gottes. 5 Denn euer Glaube sollte nicht aus menschlicher Weisheit kommen, sondern aus der Kraft Gottes.

6 Und doch verkünden wir eine Weisheit – und zwar denen, die dafür reif sind. Es ist eine Weisheit, die nicht aus unserer Zeit stammt. Sie kommt auch nicht von den Herrschern unserer Zeit, die ja zum Untergang bestimmt sind. 7 Nein, wir verkünden die geheimnisvolle Weisheit Gottes, die bis jetzt verborgen war: Schon vor aller Zeit hatte Gott bestimmt, uns Anteil an seiner Herrlichkeit zu geben. 8 Das ist es, was keiner von den Herrschern unserer Zeit erkannt hat. Denn hätten sie es erkannt, dann hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9 In der Heiligen Schrift heißt es dazu:

»Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist – all das hält Gott für die bereit, die ihn lieben.«

 10 Ja, uns hat Gott dieses Geheimnis durch den Heiligen Geist enthüllt. Denn der Heilige Geist erforscht alles, selbst die geheimsten Absichten Gottes. 

(1. Korinther 2,1–10 nach der BasisBibel)

Wenn ich diesen Textabschnitt lese, so bleibe ich erstmal etwas verwirrt. Warum eigentlich? Nun, zuerst spricht Paulus davon, dass er keine komplizierten Worte braucht, wenn er die Gute Nachricht von Jesus weitergibt. Dann sagt er aber im selben Atemzug, dass diese einfachen Worte und Zusammenhänge doch für Viele schwer zu verstehen sind. Letztendlich geht es ihm genau um diese Frage, nämlich: 

Wie kann ich die Gute Nachricht Gottes von Jesus verstehen lernen?

Paulus hat da ein paar Lösungsvorschläge: 

  • Erstens: Du musst von einem Raum in einen anderen gehen und dann wieder zurück. 
  • Zweitens: Du musst Dich danach sehnen, Gott und seinen Plan kennenzulernen. 
  • Drittens: Du musst Gottes Geist, also Gott selbst, an Dir handeln lassen.

Erstens: Du musst von einem Raum in einen anderen gehen und dann wieder zurück. 

Paulus spricht von Zeiträumen. Damit meint er nicht Epochen wie die Antike, das Mittelalter, die Renaissance. Selbst wenn er Jesus Christus in die Mitte stellt, denkt er an dieser Stelle auch nicht an die biblische Zeit des Alten Testaments und des Neuen Testaments. 

Paulus dagegen legt den Schwerpunkt auf den Unterschied zwischen unserer Zeit oder dieser Zeit und der Zeit Gottes. Die Zeit Gottes überschreitet unsere. Man könnte sie auch mit zwei Räumen beschreiben. Diese Räume sind nicht nur anders eingerichtet. Es herrschen auch andere Verhältnisse. Man lebt von anderen Regeln und denkt in anderen Kategorien. 

Das hört sich jetzt komplizierter an, als es für Paulus ist. Er lädt ein, diesen neuen Raum kennenzulernen, den Lebensraum Gottes, den Raum, aus dem Gott Leben schenkt. Paulus lädt ein, diesen Raum zu betreten. 

Das ist so ähnlich wie wenn wir morgens die Gardinen im Schlafzimmer aufziehen und nach draußen schauen. Wenn ich im Winter mit dem Auto unterwegs bin, muss ich vorm Losfahren das Eis kratzen. Wenn ich es nicht tue, kann ich mich zwar an einem tollen Auto erfreuen. Ich kann auch losfahren. Aber ich sehe nichts von meiner Umwelt und füge mir und anderen wahrscheinlich sogar Schaden zu.

Damit sind wir auch schon beim zweiten Schritt. Es geht nicht nur darum die Welt da draußen zu sehen, sondern sich auch dort zu bewegen, sie kennenzulernen. 

In den Zeiten von Homeoffice ist das natürlich nicht mehr nötig. Ich muss meine Wohnung eigentlich nicht verlassen. Essen und Kleidung kann ich mir ja auch über’s Internet kommen lassen. Das ist unheimlich bequem. Für echte Begegnungen muss ich aber meine Wohnung verlassen. Danach nehme ich das Erlebte wieder mit zurück in meine Wohnung. Es bereichert einfach mein Leben. 

Der Schlüssel an allem ist auf jeden Fall: ich schaffe mir als Erstes eine freie Sicht um die Welt da draußen kennenzulernen, und dann als Zweites gehe ich selbst in diese Welt, damit ich sie hautnah erleben kann. Wenn wir also Gottes Plan kennenlernen wollen, müssen wir uns auf ihn einlassen. Wir müssen sozusagen die Gardinen von unserem Gedankenfenster ziehen und neugierig machen lassen. Wir sind eingeladen raus zu gehen. Es geht darum Gottes Raum, die Gedanken aus seiner Zeit schon jetzt kennenzulernen. Diese Erfahrungen nehmen wir dann wieder in unseren Zeit- und Lebens-Raum hinein. 

Paulus lädt uns ein, Gottes Geheimnis zu lüften. Es ist nämlich kein Geheimnis, das Gott macht. Es ist ein Geheimnis das wir zu einem gemacht haben. Wir verschließen uns in unserer Lebenswelt, in unserem Zeit-Raum. Wir denken, das wäre alles. Wir beurteilen Gott aus unserer geschlossenen Wohnung aus, ohne ihn zu sehen oder zu begegnen. Dabei ist da so viel mehr. 

Gott will uns helfen ihn und seinen Plan immer besser zu verstehen. Was sind die Regeln, nach denen er handelt? Wie kann ich ihn erleben? Worum geht es ihm?

Letztendlich geht es um die Frage, wie ich die Gardinen von meinem Gedankenfenster wegziehen kann? Wie komme ich aus meiner Wohnung raus? Das ist gar nicht so kompliziert.

Du musst Dich danach sehnen, Gott und seinen Plan kennenzulernen. Das ist der zweite Punkt.

Paulus zitiert dazu den Propheten Jesaja aus dem Alten Testament. Es geht um die Liebe zu Gott. 

Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist – all das hält Gott für die bereit, die ihn lieben. 

(1. Korinther 2,9 nach der BasisBibel)

Es dreht sich alles darum, dass wir uns sich nach ihm sehnen. Diese Sehnsucht ist es, die unsere Hand nach der Gardinenstange greifen lässt. Es ist aber auch die Sehnsucht des Menschen, der merkt, dass er jemand braucht, der ihm dabei hilft. Unsere menschliche Liebe ist ein Zeichen dafür, dass wir jemand anders brauchen, dass wir ohne ihn oder sie nicht leben wollen, nicht leben können.

Da schafft man es die Gardine aufzuziehen und merkt, dass die Fenster von außen beschlagen sind. Man steckt den Schlüssel in die Tür und merkt, dass das Schloss hakt. Man will ja rausschauen und auch rausgehen in diesen anderen Raum. Aber man schafft es nicht allein. Doch diese Sehnsucht bewegt Gottes Hand. Er macht die Fensterscheibe von außen sauber, damit wir in seine Welt sehen können. Er kommt wie der Schlüsseldienst, der uns aus unserer Wohnung lässt, damit wir die Welt da draußen betreten können. 

Von dieser Liebe spricht Paulus später im dreizehnten Kapitel seines Briefs. Diese Liebe öffnet Fenster und Türen und lässt uns Gottes Welt nicht nur sehen, sondern auch nach seinen Regeln denken und handeln. 

Aber letztendlich ist es Gott, der handelt. Er schickt seinen Sohn Jesus in unsere Welt, in unseren Lebens-Raum, in unsere Welt-Zeit und fordert uns heraus. Paulus beobachtet, dass viele nicht darauf eingehen. Sie wehren sich dagegen. Sie wollen ihren Raum nicht verlassen. Er gefällt ihnen so, wie er ist. Ein offenes Fenster ist überflüssig. Die Gardine soll zugezogen bleiben. Wenn es an der Tür klopft oder klingelt, fragt man zwar nach, lässt aber niemand herein, den man nicht sowieso schon kennt.

Das ist das Prinzip, das Jesus ans Kreuz gebracht hat. Gott will in unsere Welt kommen und klopft an, wirft Steinchen ans Fenster. Er möchte in unsere Welt kommen, wird aber abgewiesen. Es ist dieser Welt-Raum, der ohne Gott auskommen will. 

Meine Zeit gehört mir! Mein Leben ist meins! Ich lass da niemand rein, Punkt! 

Trotzdem beobachtet Paulus auch viele Menschen, die neugierig werden, die Sehnsucht nach mehr haben, die nach draußen schauen wollen, ihre Wohnung öffnen, ihren Lebens-Raum erweitern wollen. Sie wollen diesen Jesus in ihrer Welt, in ihrem Welt-Raum, Lebens-Raum. Er soll ihre Zeit bestimmen. Sie sehnen sich danach. Sie lieben Gott.

Und das führt zum Dritten.

Du musst Gottes Geist, also Gott selbst, an Dir handeln lassen. 

Paulus macht deutlich, dass wir aus unserer Kraft und unserer Logik oder Pädagogik das Geheimnis von der Guten Nachricht Gottes nicht verstehen können. Wir müssen es uns zeigen und erklären lassen. Deswegen schenkt er denen, die sich nach Gott sehnen und den gekreuzigten Jesus verstehen wollen, seinen Geist. 

Da ist der ganze Gott beteiligt, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ohne den Geist Gottes verstehen wir nichts. Er gibt unserer Hand die Kraft die Gardine wegzuziehen, damit wir raussehen können. Er öffnet das kaputte Schloss an unserer Haustür. Er enthüllt das Geheimnis um Gottes Plan für uns. Er macht uns mit Jesus bekannt. 

Wie er das macht; davon schreibt Paulus im zwölften und vierzehnten Kapitel seines Briefs. Und dann schließt er noch ein Kapitel an, wo er dem gekreuzigten Jesus den letzten Sinn gibt. Er schreibt von der Auferstehung zu einem neuen Leben ohne das alles andere keinen Sinn hat. Es ist am Ende wie am Anfang die große und liebevolle Einladung in Gottes Zeit zu kommen, in seine Welt, seinen Welt-Raum, seinen Lebens-Raum. 

Diese, unsere Zeit, hat mal ein Ende. Aber wenn wir in Gottes Zeitrechnung eintreten, erleben wir etwas Größeres. Das ist das Gleiche, was Jesus einem seiner ersten Nachfolger sagt, dem kritischen Nathanael:

Du wirst noch Größeres als dies sehen! 

Willst Du das auch? Paulus lädt Dich und mich dazu ein. Darauf musst Du nicht warten.

Amen!