Predigtmanuskript
Seid ihr auch manchmal neugierig?
Neugierde hat ja positive und negative Ausprägungen. Ohne Neugierde gäbe es keine Wissenschaft. Neugierde ist auch Zeichen gegenseitigen Interesses. Sie kann aber auch die Privatsphäre meines Mitmenschen verletzen und Tratsch fördern. Sie kann sogar als Instrument der Unterdrückung missbraucht werden.
Je nach Kultur wird sie anders bewertet. In Deutschland wartet ein Pärchen z.B. meist ein paar Wochen oder sogar Monate, bis es davon berichtet, dass es ein Baby erwartet. Wer es zu früh an falscher Stelle erwähnt, stellt die Freundschaft auf die Probe. In anderen Ländern ist das undenkbar. Man zögert keine Sekunde rauszurufen, dass sich die Familie vergrößern wird. Alle sollen es wissen.
Aber messen wir uns mal an deutschen Verhältnissen. Wo würdet ihr euch auf einer Skala von 1 bis 10 einordnen; 1 gar nicht neugierig und 10 extrem neugierig?
Jetzt aber noch eine weiterführende Frage: Was muss passieren, damit eure Neugierde abnimmt oder zunimmt?
Schauen wir mal, wie es den Christen in Jerusalem damit ging, als sie vor neuen, diesmal dramatischen Herausforderungen standen.
Textlesung: Apostelgeschichte 8,1-5. 26-39 (BasisBibel)
(BasisBibel: Das Neue Testament und die Psalmen. Stuttgart : Deutsche Bibelgesellschaft, 2012)
1 Saulus war völlig einverstanden mit der Hinrichtung von Stephanus. 1 An diesem Tag begann für die Gemeinde in Jerusalem eine schwere Verfolgung. Mit Ausnahme der Apostel zerstreuten sich alle über das Gebiet von Judäa und Samarien. 2 Einige fromme Männer bestatteten Stephanus und hielten eine große Totenklage für ihn. 3 Aber Saulus wollte die Gemeinde vernichten. Er ließ die Häuser durchsuchen, Männer wie Frauen abführen und ins Gefängnis werfen. 4 Die über das Land zerstreuten Glaubenden zogen umher und verkündeten die Gute Nachricht. 5 Philippus ging hinab in die Hauptstadt Samariens und verkündete ihren Bewohnern, wer der Christus war.
26 Philippus dagegen erhielt vom Engel des Herrn den Auftrag: »Steh auf! Geh nach Süden zu der Straße, die von Jerusalem nach Gaza führt und menschenleer ist.« 27 Philippus stand auf und ging dorthin. Und sieh doch: Dort war ein Äthiopier unterwegs. Er war Eunuch und hoher Beamter am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien. Er verwaltete ihre Schatzkammer und war nach Jerusalem gekommen, um Gott anzubeten. 28 Jetzt war er auf der Rückreise. Er saß in seinem Wagen und las im Buch des Propheten Jesaja. 29 Der Heilige Geist sagte zu Philippus: »Geh hin und bleibe in der Nähe des Wagens!« 30 Philippus lief hin und hörte, wie der Mann laut im Buch des Propheten Jesaja las. Philippus fragte: »Verstehst du eigentlich, was du da liest?« 31 Der Eunuch sagte: »Wie soll ich es verstehen, wenn mir niemand hilft?« Und er bat Philippus: »Steig auf und setz dich zu mir!« 32 An der Stelle, die er gerade las, stand: »Er ertrug alles, ohne zu klagen – wie ein Schaf, das zum Schlachten geführt wird, und wie ein Lamm, das beim Scheren keinen Laut von sich gibt. 33 Er wurde zutiefst erniedrigt, doch das Urteil gegen ihn wurde aufgehoben. Wer wird je seine Nachkommen zählen können? Denn sein Leben wurde von der Erde weg zum Himmel emporgehoben.« 34 Der Eunuch fragte Philippus: »Bitte sag mir, von wem spricht der Prophet hier – von sich selbst oder von einem anderen?« 35 Philippus nahm die Frage auf. Ausgehend von dem Wort aus Jesaja, verkündete er ihm die Gute Nachricht von Jesus. 36 Als sie auf der Straße weiterfuhren, kamen sie an einer Wasserstelle vorbei. Der Eunuch sagte: »Sieh doch, dort ist eine Wasserstelle. Spricht etwas dagegen, dass ich getauft werde?«
38 Er befahl, den Wagen anzuhalten. Beide, Philippus und der Eunuch, stiegen ins Wasser, und Philippus taufte ihn. 39 Als sie aus dem Wasser herausstiegen, wurde Philippus vom Geist des Herrn fortgenommen. Der Eunuch sah ihn nicht mehr. Aber er setzte seinen Weg voller Freude fort.
Lukas berichtet uns hier, wie der Glaube der Christen in Jerusalem auf neue, und diesmal unerwartet aggressive Weise herausgefordert wird. Die so fest miteinander verbundenen Christen werden auseinandergerissen. Jeder sucht das Weite, um der Aggression zu entfliehen. Eigentlich würde man erwarten, dass die Ermordung eines ihrer Vorbilder zu einer traumatischen Lähmung führt. Jetzt von Neugierde zu sprechen, scheint makaber. Das Überraschende ist aber, dass die Christen in drei Bereichen doch neugierig werden. Da ist die …
… Neugierde in der neuen Situation.
… Neugierde am unerwarteten Ort.
… Neugierde durch das unverstandene Wort in der Bibel.
Die Neugierde in der unerwarteten Situation
Lukas berichtet uns, wie der Großteil der Christen zerstreut wird. Nur ein Teil bleibt in Jerusalem. Nicht wenige kommen ins Gefängnis. Das war alles illegal. Die römische Besatzung ließ so etwas eigentlich nicht ungefragt zu. Die Christen hatten aber keine Lobby. So verlieren sie Heimat und Existenz.
Angegriffen und alleingelassen. Ich denke, dass ist eine, der demotivierendsten Situationen, die man sich vorstellen kann. Da schaut man nicht neugierig nach vorne, sondern verzweifelt ins Dunkel oder lässt sich im Ärger verkrusten.
Das Überraschende bei den verstreuten und vereinzelten Christen ist jedoch, dass sie überall von einer Guten Nachricht sprechen. In der Situation, in der sie sich befinden, macht das überhaupt keinen Sinn. Aber doch! Für sie macht es Sinn, macht es den einzigen Sinn, den sie finden. Diese Gute Nachricht von Jesus ist der Sinn ihres Lebens, gibt ihrem Leben wirklichen Sinn.
Wenn nichts mehr Sinn macht, wird man entweder blind oder sieht den, der alles gemacht hat: Jesus, durch den Gott die Welt schön gemacht hat, und Jesus, der in unsere zerrissene Welt gekommen ist, um sie zu verbinden. Am Kreuz und in der Auferstehung macht er sie wieder schön für den, der auf ihn schaut und sich die Hässlichkeit des Lebens aus den Händen nehmen und es wieder schön machen lässt.
Genau diese persönliche Erfahrung hilft den Christen vom lähmenden Trauma erlöst zu werden. In dieser neuen Situation werden sie wieder neugierig. Sie wollen sehen, wie diese Gute Nachricht im Leben anderer Menschen lebendig wird. Sie rufen nach dem ersten Schock nicht mehr: „Oh Gott, warum lässt du das zu?!“ Sie fragen: „Oh Gott, was hast du jetzt vor?“ Der geht auf ihre neugierige Frage ein und malt ihnen und vielen anderen seine Gute Nachricht auf überraschende Weise in ihr Leben.
Dann kommt die Neugierde am neuen Ort
Philippus war zuerst Richtung Norden nach Samaria geflohen zu den, von Juden Verhassten. Er ist überrascht, wie auch dort Menschen Gottes Liebe erfahren. Menschen, denen man das nie zugetraut hätte. Auch er wird neugierig.
Dann soll Philippus zurück in die Höhle des Löwen nach Jerusalem und von da Richtung Küste nach Gaza. „Was hat Gott nur damit vor?“, ist die Frage, die er sich gar nicht stellt. Er nimmt die Worte, die er hört, als Auftrag ernst. Vielleicht merkt er erst im Rückblick, und später aus Erfahrung, dass da ein Engel Gottes und dann Gottes Geist zu ihm geredet hatte. Was zuerst nur ein subjektiver Eindruck war, nimmt durch Philippus Neugierde auf Gottes Führung, objektive, konkrete Gestalt an. Er gehorcht.
Je mehr man sich auf Jesus einlässt, desto besser lernt man seine Sprache verstehen und wird neugierig, seinem Willen zu gehorchen. Philippus lädt uns sozusagen ein, an jedem Ort und neuen Tag, neugierig auf Gottes Reden zu bleiben. Er lädt uns auch ein, das Wagnis einzugehen, dem Reden Gottes zu gehorchen. Gehorsam als neugieriges Vertrauen auf des Reden Gottes.
Ohne dieses neugierige Vertrauen, hätte er den äthiopischen Spitzenbeamten nie kennengelernt. Ohne diese Haltung, wäre dieser Fremde ratlos und frustriert nach Hause zurückgekehrt. Aber mit dieser Neugierde wird sowohl Philippus ermutigt als auch der Beamte gesegnet und gerettet. Der Startschuss für einen Segen, der ein ganzes Land erfüllen wird, einfach nur, weil Philippus neugierig bleibt und wissen will, was Gott am neuen Ort vorhat. Als Drittes kommt …
... die Neugierde durch das unverstandene Wort in der Bibel
Philippus hört jetzt neugierig zu, wie der hohe Beamte laut in der Schriftrolle liest. Laut lesen, vor allem auch öffentlich, ist bei uns eher ungewöhnlich. Damals aber, und heute noch in vielen Ländern, zieht man sich jedoch nicht still zurück und hört beim Beten und Lesen ins Innere. Man muss seine eigene Stimme hören, damit man verstehen kann, was man mit den Augen liest und im Herzen denkt. Man amputiert seine Sinne nicht. Das kommt Philippus entgegen.
Seine Neugierde kommt uns fast unverschämt vor. Wer will sich schon in die Privatsphäre eines Fremden drängen? Solche Situationen sind sogenannte No-Goes für uns, Dinge, die man auf keinen Fall tun darf.
Ich frage mich, warum wir uns eigentlich so sehr vom unseren gesellschaftlichen Benimmregeln einschüchtern lassen und anderen den Segen Gottes vorenthalten?
Lernen wir es doch wieder uns wohltuend neugierig in das Leben unserer Mitmenschen zu mischen. Mit welchen tiefen Fragen beschäftigen sie sich und trauen sich (eben wegen dieser Benimmregeln) nicht, sie laut auszusprechen? Lernen wir Fragen zu stellen und uns von Jesus Antworten geben zu lassen.
Da ist der Beamte, der endlich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen hatte, den Tempel in Jerusalem kennenzulernen, von dem man in aller Welt sprach. Dort investiert er eine nicht geringe Summe für eine Schriftrolle des Propheten Jesaja. Er wird immer neugieriger und möchte dem Glauben an den Gott der Juden auf die Spur kommen. Doch mit jeder Zeile runzelt sich seine Stirn mehr.
Genau in diese Situation, an jenen Ort, schickt Gott Philippus, der die neugierige, aber erlösende Frage stellt: „Verstehst Du, was du da liest?“ Das ist kein kritischer Todesstoß, sondern der Startschuss, für ein neues Leben.
Philippus gibt dem Fremden einen Schlüssel, die Bibel zu verstehen. Es ist Jesus, der deine Lücken im Verständnis für die Worte der Bibel ausfüllt. Wenn du beim Bibellesen neugierig auf Jesus schaust, wirst du anfangen zu verstehen.
Wenn du neugierig bleibst und einen Zweiten mit in deine Fragen hineinnimmst, wirst du um so mehr lernen, wenn du Jesus und sein Handeln in deine Mitte lässt. Das ist der Schlüssel zum Verständnis der Bibel. Wie Jesus die erlöschende Neugierde des äthiopischen Beamten belebt, kann er das auch bei uns.
Wo sind die offenen Türen Gottes, die wir uns selbst verschlossen haben? Fangen wir doch neugierig an uns zu hinterfragen und Jesus zu bitten, sie wieder neu zu öffnen.
Philippus erklärt jetzt und öffnet die verschlossene Tür: Gott will uns nicht für unsere Fehler demütigen. Jesus hat das für uns übernommen. Er hat aus Liebe still das ertragen, wovor wir laut aufschreien und zurückschrecken. Weil er aber nicht vor dem Kreuz zurückgeschreckt ist, hat ihn Gott zu sich genommen. So hat Jesus unsere Schuld wie auch unsere Krankheit weggetragen. Alles das sollen wir zu ihm bringen und so seine geliebten, befreiten Kinder werden.
Der hohe Beamte lässt sich befreien. Seine Wünsche wurden mehr als erfüllt, einfach nur durch seine und Philippus Neugierde.
Bleiben wir doch auch neugierig …
… auf das, was Gott uns vor die Füße legt in der neuen Situation, am unerwarteten Ort, durch das unverstandene Wort, dem wir in der Bibel begegnen. In dem allen will dich Jesus überraschen, dir begegnen, dir zeigen, dass er sich ganz und gar mit Haut und Haar in dich investiert hat. Dann werden wir viele Nachkommen sehen, die wachsende Familie Gottes mit Jesus in der Mitte.