Neustart Ostern – Die Sache mit den Erlebnissen

Predigtmanuskript

Ostern ist inzwischen zwei Wochen her. Bis Pfingsten ist aber Osterzeit, Himmelfahrt eingeschlossen. Das ist Zeit sich auf die Auferstehung einzulassen und Karfreitag neu zu entdecken. Von diesem neuen Blickwinkel geht es dann ins Leben, das uns Gott in der Kraft seines Geistes schenkt.

Ich würde diesen Weg gerne so gehen, wie Lukas ihn uns in seinem Evangelium, dem Bericht über Jesus, beschrieben hat. Er lässt ganz viele Sachen weg, die wir von den anderen drei Jesusberichteschreibern kennen. Jeder von ihnen legt seinen ganz besonderen Osterschwerpunkt.

Matthäus beschreibt Gottes Macht, die sich gegen Widerstände durchsetzt und motiviert dazu Menschen zu gewinnen. Markus berichtet vom festsitzenden Unglauben und der befreienden Kraft des Glaubens. Johannes nimmt sich die unterschiedlichsten Nachfolger von Jesus einzeln vor und legt den Schwerpunkt auf ihre Beziehungen untereinander und zu ihm, dem Auferstandenen.

Lukas dagegen geht es um den Prozess, den seine Nachfolger durchmachen, bis sie nach ihrem traumatischen Erlebnis an Karfreitag wirklich wieder an ihn glauben. Diesen Prozess möchte ich mich mit Euch etwas näher anschauen und am Ostermorgen anfangen.

An Ostern hatten wir ja schon gesehen, was die Frauen erlebt hatten. Es waren nicht die 11 übrig gebliebenen Apostel. Ein paar Frauen waren die ersten, die das leere Grab entdeckten und anfingen zu verstehen, was da passiert war. Jesus war auferstanden. Zwei Männer erinnerten sie an das, was Jesus darüber erzählt hatte. Langsam verstanden sie und begannen zu glauben. Aber den auferstandenen Jesus selbst hatten sie noch nicht gesehen, nicht persönlich erlebt. Aber sie waren schon mal wach und bereit für diese Begegnung.

Was ist das nächste, das sie machen? Schauen wir uns mal den Verlauf des Ostersonntagvormittags an, wie ihn Lukas uns beschreibt.

 “[Die Frauen] liefen vom Grab in die Stadt zurück, um den elf Aposteln und den anderen Jüngern zu berichten, was sie erlebt hatten. * Zu diesen Frauen gehörten Maria aus Magdala, Johanna, Maria, die Mutter von Jakobus, und noch etliche andere. * Aber die Apostel hielten ihren Bericht für leeres Gerede und glaubten den Frauen kein Wort. * Doch Petrus sprang auf und lief zum Grab. Als er hineinschaute, sah er außer den Leinentüchern nichts. Verwundert ging er in die Stadt zurück.

(Lukas 24,9–12 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle, Version 2015)

Da ist erstmal der Erlebnisbericht der Frauen, dann der abschätzige Zweifel der Nachfolger von Jesus und schließlich doch die Neugierde eines Nachfolgers. Lukas erwähnt hier beispielhaft nur Petrus. Zum Schluss bleibt ehrliche Verwunderung. Bis zum wirklichen Glauben müssen aber noch ein paar Stunden vergehen, wie wir nächste Woche sehen werden.

Vielleicht passt das, was Lukas uns beschreibt, auch in unsere persönliche Erfahrung.

Da ist zuerst die Sache mit unseren Erlebnissen

Erinnerst Du Dich noch, wie Du zum Glauben gekommen bist? Wie war das? Kennst Du noch den Tag und die Stunde? Feierst Du ihn sogar als zweiten Geburtstag, wie das Einige machen? Oder bist Du langsam in den Glauben hineingewachsen? Oder war es vielleicht ein Mischmasch aus Beidem? Vielleicht hast Du Dich auch manchmal manipuliert gefühlt oder gedrängt. Oder du hast darauf gewartet, dass Dich endlich jemand anspricht, weil du selbst nicht wusstest, wie das geht - zum Glauben an Jesus kommen.

An diesem Punkt des Glaubens waren die Menschen am Ostersonntagvormittag aber noch nicht. Es war etwas anderes, das den Glauben vorbereiten sollte. Denn niemand kommt aus dem Nichts zum Glauben. Immer gibt es einen Vorlauf. Es gibt ja auch keine Geburt ohne Schwangerschaft.

Alles hat seinen Zauber. Aber nicht jeder weiß es zu schätzen.

Gucken wir aber doch mal zuerst auf die Frauen. Die haben den auferstandenen Jesus noch nicht gesehen. Aber sie erzählen schon von dem, was sie erlebt haben. Da wiederholt sich etwas am Auferstehungstag, was schon bei der Geburt von Jesus passiert ist. Hier sind es die Frauen, die davon berichten, was sie erlebt haben. Damals waren es die Hirten, die sich etwas sagen lassen und das weitergeben.

Beide, die Frauen und die Hirten hatten Jesus noch nicht gesehen. Aber beide machen sich auf den Weg um davon zu berichten, dass da etwas dabei ist zu passieren. Und auf diesemWeg begegnen sie Jesus. Keiner von ihnen kommt auf die Idee sein Erlebnis zu verschweigen. Sie wollen wissen, ob es wahr ist, was ihnen da gesagt wurde und sich mit anderen darüber austauschen.

Sie wollen ihr Erlebnis weitergeben. Was sie da erlebt hatten, durchbricht die Mauer ihrer Trauer und Enttäuschung. So gehen sie in Richtung Mauerdurchbruch und versuchen andere mitzunehmen. Sie bleiben nicht am leeren Grab, sondern machen sich auf zu den anderen. Wenn sie sich auch wundern und grübeln. Sie lassen sich davon nicht lähmen, sondern bewegen. Sie wollen, ja sie müssen sich darüber austauschen.

Dann kommt jedoch die Sache mit dem Zweifel

Die Menschen, denen sie von ihrem Erlebnis berichten, tun es ab als Geschwätz, als leeres Gerede. Dabei sind es doch gerade die, mit denen sie die letzten Jahre das Leben geteilt hatten. Sie waren doch alle gemeinsam Jesus gefolgt. Aber genau von denen, zu denen sie am meisten Vertrauen hatten, werden sie enttäuscht.

Den Frauen schlägt Zweifel ins Gesicht. Es ist so, als ob jemand den offenen Mauerdurchbruch mit einer Decke verhängt. Da steht ein grimmiger Grenzbeamter und senkt die Schranke.

Hier musst Du Deinen Glauben verzollen. An mir kommt nichts vorbei. Was ich nicht kenne, kann es nicht geben. Vor allem finde ich es nicht in der Liste der zu verzollenden Gegenstände. Glaube, Auferstehung. Blödsinn! Unverzollbar. Kommt nicht über diese Grenze.

Habt Ihr Euch auch schon mal so gefühlt? Vielleicht einmal als jemand, der von seinen Erlebnissen im Glauben an Jesus erzählt hat. Vielleicht ertappt Ihr Euch selbst gerade dabei, wie Ihr die Schranke schließt.

Diese Art von Erlebnis will ich nicht annehmen. Das ist mir zu perfekt. Ich habe sowas noch nicht erlebt. Und deswegen gibt es das auch nicht. Du frustrierst mich eher. Bleib mit Deinem Erlebnis für Dich. Für mich gilt das nicht.

Da erzählt jemand im Gottesdienst oder auf einer Konferenz von seinem Erlebnis mit Jesus. Die einen werden motiviert und sagen: “Ja, genauso war und ist es auch bei mir. Halleluja!”. Die anderen sehnen sich nach demselben Erlebnis und warten. Andere wiederum reagieren mit Ablehnung: “Das ist ja gar nicht authentisch. Kann nicht sein. Hier redest Du so fromm - und morgen?” Ich persönlich glaube, dass alle Reaktionen authentisch sind. Ein Erlebnis ist persönlich - ja. Aber worum es dabei geht, ist es nicht.

Denn als Lukas das Leben von Jesus recherchiert und Menschen interviewt, fällt ihm eines auf. Bei jedem ist es anders. Jedem begegnet Jesus so, wie er oder sie es braucht.

Was dabei wichtig ist: helfen wir den anderen doch auf diesem Weg hin zum Glauben. Verheimlichen wir unsere Erlebnisse nicht. Tun wir der anderen auch nicht ab. Gehorchen wir unserem gesellschaftlichen Gesetz nicht, unter dem Glaube etwas Persönliches ist, was auch persönlich bleiben muss. Glaube gehört in unserer Gesellschaft heute nicht in die Öffentlichkeit. Die Menschen damals, die begannen Glauben zu fassen, sahen das ganz anders. Sie konnten nicht anders, als davon zu erzählen.

Trotzdem war es so: der Zweifel der Mehrheit schlägt ihrem persönlichen Erleben entgegen. Da hat sich bis heute nichts geändert.

Doch da ist auch die Sache mit der Neugierde

Lukas erwähnt nur Petrus, der aufhorcht. Von Johannes wissen wir aus seinem Jesusbericht, dass auch er selbst neugierig wurde.

Es hat sich also gelohnt, dass die Frauen ganz naiv von ihrem Erlebnis am leeren Grab berichtet hatten. Nur die Ausbeute war nicht wirklich ermutigend: nicht nur zwei von 11, sondern nur zwei von 11 und den anderen, die dabei waren, werden neugierig.

Aber es sind eben diese, für die sich alles gelohnt hat. Da ist schon eine gute handvoll Menschen, die sich auf den Weg Richtung Mauerdurchbruch mitnehmen lässt. Erst die Frauen und dann zwei von den Aposteln beginnen sich zu erinnern, was Jesus ihnen schon lange vorher immer wieder erzählt hatte:

Es muss alles so geschehen. Schaut doch in die Schrift, ins Alte Testament und erinnert Euch an meine eigenen Worte. Ohne Kreuz und leerem Grab kein neues Leben!

Da kommt das Erlebnis und das Wort Gottes, das das Erlebnis bestätigt, zusammen. Aber Jesus selbst war ihnen noch nicht begegnet. Trotzdem machen sich einige auf den Weg des Vertrauens. Sie sagen sich:

Na ja - vielleicht ist es ja doch authentischer, als ich gedacht habe, was die da erlebt haben. Vielleicht sollte ich mich doch auch auf den Weg machen. Wenn es bei mir auch anders ist. Ich beginne den Mauerdurchbruch zu sehen. Die Schranke beginnt sich zu öffnen. Ich selbst beginne in den Listen der zu verzollenden Güter nachforschen und entdecken, dass dieses Erlebnis des leeren Grabes die Schranke öffnet und nicht schließt. Ich will die Schranke nicht mehr runterdrücken - nicht für mich und nicht für andere.

Das ist die lohnende Sache mit der Verwunderung

Lukas berichtet von Petrus, der die Schranke hochschnellen lässt und sich in Richtung Mauerdurchbruch aufmacht. Ihm begegnen keine Engel, wie den Frauen. (So schade aber auch! Dabei spricht Lukas ja auch nur von zwei Männern in leuchtenden Gewändern. Aber immerhin.) Was für Petrus erstmal wichtig ist. Da sind die Leinentücher, mit denen Jesus eingewickelt wurde. Warum sollte man eine Leiche stehlen und sie umständlich auswickeln? Erstens macht das unrein. Zum anderen ist das ja auch schon ein bisschen eklig, oder?

Verschiedene Menschen, unterschiedliche Erlebnisse, derselbe Kern: Jesus ist auferstanden. Ist es wirklich wahr?

Das ist kein Totschlagzweifel mehr. Das ist Verwunderung. Petrus beginnt sich selbst zu hinterfragen. Petrus beginnt zu staunen. Niemand berichtet so viel von stauenden, verwunderten Reaktionen, wie Lukas. Mit dem Bericht über die Entstehung der ersten Gemeinde, der Apostelgeschichte, kommt er auf fast die Hälfte aller Vorkommen im Neuen Testament. Wo man Jesus begegnet oder dabei ist ihm zu begegnen, beginnt die Verwunderung. Ratlosigkeit bei den einen, Staunen bei den anderen, Widerwillen bei den Dritten, einen Schritt Jesus zu vertrauen bei den Vierten.

Petrus macht sich auf den Weg Jesus wieder zu vertrauen. Von anderen Jesusberichterstattern erfahren wir, dass er eine richtige Sehnsucht danach hatte, sich mit Jesus auszusprechen. Lukas aber bleibt erstmal hier stehen. Am Nachmittag desselben Tages passiert dann aber das nächste. Jesus begleitet zwei Männer inkognito (ja, jetzt sind auch mal wieder die Männer dran) auf ihrem Weg. Und dann passiert etwas ähnliches wie bei den Frauen und bei Petrus.

Ob es jetzt zwei Engel sind oder Leinentücher oder andere Dinge. Meistens sind es ja andere Dinge. Es kommt darauf an, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen zum Grenzübergang und über die Grenze hinaus, zur Mauer unseres Zweifels und sie durchbrechen lassen und dann durchgehen.

Lasst uns also über unsere Erlebnisse auf dem Weg zum Glauben austauschen, uns den Zweifeln stellen, gegenseitig neugierig machen und uns alle zum Staunen bringen.

Das ist Ostern als Neustart in den Glauben.