Neustart Ostern – … und Tschüß?

Predigtmanuskript

Was für ein Verhältnis habt Ihr eigentlich mit Abschieden? Fällt es Euch eher leicht oder schwer? Wahrscheinlich hat es auch damit zu tun, um was für einen Abschied es sich handelt. Sieht man sich bald wieder, vielleicht am nächsten Tag. Oder wird es länger dauern, Wochen oder Monate oder Jahre vielleicht? 

Aber es ist nicht nur die Länge der Abwesenheit, die den Abschied prägt. Es ist auch die Reise, die den Lieben bevorsteht. Reisen sie vielleicht das erste Mal mit dem Flugzeug? Geht es an einen Ort, an dem es schön ist oder eher kompliziert? Ist der Ort weit weg und sieht man sich ab und zu mal wieder? Abschied nehmen ist immer eine vielschichtige Sache. Mal ist es ein simples Tschüß, dann ein tränenreiches Auf Wiedersehen. 

Die Geschichte, von der wir heute hören, schaut auf die, die zurückbleiben. Und der, der sie verlässt, geht in keine ungewisse Zukunft. Er hatte lange vorher sein Zuhause verlassen und geht jetzt heim. Trotzdem lässt er Menschen zurück, die er lieb gewonnen hat. Sie waren mit ihm durch dick und dünn gegangen. Bis zu einem gewissen Punkt. Dann wurden sie schwach und ließen ihn im Stich. Mit Scham erfüllt ziehen sie sich zurück.

Was aber passiert ist, dass er diese Menschen nicht enttäuscht verlässt. Er geht nicht im Zorn. Er sucht sie wieder auf. Er erklärt ihnen die Zusammenhänge. Und er verspricht ihnen etwas ganz Besonderes. Versöhnt, ja ausgesöhnt, nehmen sie Abschied. 

Es sind Jesus und seine Nachfolger. Hören wir die vier letzten Verse aus dem Lukasevangelium, die Geschichte von der Himmelfahrt.

Jesus führte seine Jünger von Jerusalem nach Betanien. Er segnete sie mit erhobenen Händen. * Noch während er sie segnete, entfernte er sich von ihnen und wurde zum Himmel emporgehoben. * Die Jünger fielen vor ihm nieder. Danach kehrten sie voller Freude nach Jerusalem zurück. * Von da an gingen sie immer wieder in den Tempel, um Gott zu loben und ihm zu danken. 

(Lukas 24,50–53 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)

An diesem Tag beginnt eine Zeit ohne Jesus, die sich aber vollständig von der am Karfreitag unterscheidet. Was sind diese Unterschiede? An Karfreitag sehen sie Jesus am Kreuz sterben. Heute sehen sie den lebendigen Jesus in den Himmel fahren. An Karfreitag denken sie, aller Segen wäre verpufft. Jetzt erfahren sie, dass der Segen unzerstörbar ist. An Karfreitag ziehen sie sich zurück und verstecken sich, von sich selbst enttäuscht und aus Angst ihnen würde etwas ähnliches drohen. Jetzt ziehen sie ermutigt und voller Freude in die Stadt zurück und loben Gott in aller Öffentlichkeit. 

Jetzt verstehen sie, dass Jesus am Kreuz alle Mächte des Bösen besiegt hat und nun auf dem Weg ist, die Herrschaft an der Seite Gottes, des Vaters, zu übernehmen. 

Hier beginnt etwas Neues, eine neue Zeit. Auch, wenn es ein Tag des Abschieds ist, ist er nicht geprägt von allem, was wir so mit Abschied verbinden, Nostalgie, Tränen, Trauer, Wehmut etc. Dieser Tag ist auch erstmal nicht geprägt vom Ausblick. Er ist geprägt von dem, was uns in unserem hier und heute auch begleiten will. Das sind mindestens drei Dinge nämlich Segen, Freude und Anbetung. Das sind keine Dinge für nur einen Tag. Das sind Dinge, an die wir uns immer wieder erinnern lassen müssen. Die einen bekommen wir geschenkt, ohne, dass wir etwas dazu tun können, außer uns darauf einzulassen. Die anderen müssen wir uns bewusst immer wieder erobern. Aber mit dem ersten wird uns eine Tür aufgestoßen, die nicht so leicht zu schließen ist.

Da ist zuerst der Segen.

Immer, wenn Gott etwas Neues beginnt, legt er seinen Segen darüber. Das war nach der Schöpfung so und beim Neuanfang nach dem Ende der Sintflut. Genauso war es auch wie bei der Berufung von Abraham und kurz vor dem Einzug in das verheißene Land. Gott segnet. Alles Neue, was Gott tut, steht unter seinem Segen selbst, wenn es erstmal nicht so aussieht. 

Jedes Mal geht es auch um Gottes Herrschaft. Denn seine Herrschaft und sein Segen gehören zusammen. Wenn wir anfangen uns auf Jesus einzulassen, beginnt nicht nur irgendetwas Neues. Wir nehmen auch Abschied vom Alten. Wir lassen uns jetzt von Jesus beherrschen und nicht mehr von den Zwängen, die uns sonst begegnen. Oberste Autorität ist Jesus. Jesus ist Herr. Der Herr ist auferstanden, nicht irgendwer. 

Diese neue Loyalität ist aber nicht von blinder Unterwürfigkeit geprägt, sondern vom Segen des Gottes, der die Welt geschaffen hat. Jesus hebt die Hände zum Segen über seine Nachfolger wie Mose es über dem Volk Gottes tat und das Volk die Herrlichkeit Gottes sah. Es war der Segen und die Herrlichkeit, der dem Volk auch den Sieg gab gegen übermächtige Feinde. So lesen wir es schon im Alten Testament, dem ersten Teil der Bibel.

Dem Segen Gottes und seiner Herrschaft kann niemand widerstehen. 

Das ist die Haltung, mit der die Freunde von Jesus wieder zurück nach Jerusalem gehen. Sie geben damit nicht an. Das macht sie nicht arrogant. Aber sie bekommen ein neues, gesundes Selbstbewusstsein, das anderen auch diesen Segen mitteilen und nicht vorenthalten will. Das muss gefeiert werden.

Das ist Grund sich zu freuen. 

Lukas erzählt ganz kurz und prägnant, wie Frieden hineinkommt in das Durcheinander der Erlebnisse der Nachfolger von Jesus. Sie werden ruhig und froh.

Was Lukas hier absichtlich ganz kurz beschreibt, geschieht in einem Zeitraum von 40 Tagen. Das verrät er aber erst in der Apostelgeschichte, also im zweiten Teil seines Berichts über Jesus Christus und die Gemeinschaft der Christen. Hier aber rückt er den ersten Tag ganz eng an den 40sten und macht daraus einen einzigen. 

Genau auf diese Weise kann er den Kontrast des Vorher und Nachher am Besten deutlich machen. Mit dieser Freude hat er seinen Bericht von Jesus auch begonnen. Diese Freude erwähnt er auch immer wieder. Vor der Geburt von Jesus kommt diese Freude auf einen alten Priester. Dann nach seiner Geburt auf Hirten, dann auf Engel, wenn sie sehen, dass jemand in Gottes Arme läuft, dann auf die Nachfolger von Jesus, als sie große Dinge mit ihm erleben, dann auf alle anderen, die sich auf Jesus einlassen. 

Dich und mich klammert er dabei nicht aus. Empfange den Segen, lass Dich auf seine Herrschaft ein und so mit Freude erfüllen.

Mit dieser Freude beendet Lukas auch sein Evangelium, die gute Nachricht von Jesus. Die Jesusleute kehren voller Freude zurück nach Jerusalem. Das ist die Freude darüber, dass etwas ganz Neues passiert. Das ist die Freude darüber, dass sie keinem Schicksal ausgeliefert sind, nicht den Mächtigen dieser Welt und auch keiner Krankheit und auch nicht dem Tod. Denn Jesus ist auferstanden von den Toten. 

Es ist immer wieder dasselbe, wenn Lukas von dieser Freude spricht.  Es beginnt etwas Neues, die Herrschaft des Segens Gottes für alle, die sich auf Jesus einlassen. Das ist Lukas total wichtig. Wer Jesus begegnet, den lässt das nicht kalt. Kann es nicht. Das ist Grund aus der Deckung zu gehen.

Zeit zu offener Anbetung.

Die Freunde von Jesus gehen zurück nach Jerusalem. Sie gehen nicht zurück in ihr Versteck in der Stadt. Sie gehen nicht zurück ins Private. Sie gehen in den Tempel um Gott anzubeten, den Segen öffentlich zurückzubringen. Sie machen das erst noch aus der Kraft des Segen und der augenblicklichen Freude. Sie machen das aber auch in Erwartung der Kraft Gottes, die Jesus ihnen versprochen hat. Sie wissen, dass ihre Freunde schwankt, der Geist Gottes nicht. Auf ihn warten sie. Das machen sie öffentlich mit großer Vorfreude im Tempel.

Wenn man privat sein wollte, blieb man in Privathäusern. Jesus selbst fordert ja woanders dazu auf im stillen Kämmerlein zu beten, also zurückgezogen für sich. Auch gab es Gemeindehäuser, Synagogen, wo man sich in festen Gruppen traf. Das waren aber alles Treffen mit einem ganz anderen Charakter, nämlich einem privaten, intimen und begrenzten. 

Für uns heute sind Tempel und Kirchen des Rückzugs, der Stille, der persönlichen Einkehr. Der Tempel damals war dagegen ein öffentlicher Raum. Er bestand nicht nur aus dem eigentlichen Gebäude, sondern einem sehr großen Hof, eingerahmt von geräumigen Säulengängen. Das waren Orte des Blicks auf Gott und gleichzeitig des Austauschs und der Anbetung. Das konnte man zu festen Zeiten machen, aber auch irgendwann anders. 

Jetzt war aber der Tag, den Segen und die Freude und die Anbetung im Licht zu feiern. Was die Freunde von Jesus persönlich erlebt hatten, konnte nicht in ihnen drin bleiben. Es musste raus. 

Der christliche Glaube ist kein Tresor, der nur zu besonderen Zeiten geöffnet wird, und das auch nur von dem, der die Geheimzahl kennt. Glaube ist wie ein überfließender Bach, der die Umgegend bewässert. 

Glaube führt zur Anbetung. Glaube bringt den Segen, den man empfangen hat, zurück zu dem, von dem man ihn empfangen hat. Man sucht nicht nur den persönlichen Segen, sondern den segnenden Gott. Das ist Anbetung, und so wird der Segen komplett. 

Dieser Glaube führt auch aus der Heimlichkeit raus in die Öffentlichkeit. Warum? Weil das Private viel zu klein ist für den großen Segen Gottes. Das merken die Freunde von Jesus.

Sie sind voll vom Segen Gottes, erfüllt von Freude, mit der Sehnsucht den Segnenden anzubeten. An dem Tag geht es weniger um Dank. Da geht es um Faszination.  Es beginnt etwas Neues, die Herrschaft des Segens Gottes für alle, die sich auf Jesus einlassen. Das ist Lukas immer wieder total wichtig. Ganz besonders am vorläufigen Ende seiner Geschichte von Jesus. 

Wer Jesus begegnet, den lässt das nicht kalt. Amen!

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich; * der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; *der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. 

(4. Mose 6,24–26 nach der Lutherbibel 2017)