Predigtmanuskript
Was macht uns glücklich?
Ich habe diesen Satz mal im Internetbrowser eingegeben und ziemlich viel gefunden, hilfreiche und weniger hilfreichere Seiten. Allgemein messen internationale Studien (z.B. worldhappinessreport) das Glück auf einer Skala von 1 bis 10. Die deutschen Bundesländer rangieren dabei zwischen 6,8 und 7,4, Durchschnitt 7,07. Der Glücksspitzenreiter ist Finnland mit 7,8 von 10 Punkten. Kein Land schafft es aber auf über acht Punkte.
Übrigens unterscheidet man Zufallsglück und Lebensglück. Während man das erste nicht beeinflussen kann, liegt das zweite zum großen Teil in unserer Hand. Wir können uns also dafür entscheiden, sagen die Wissenschaftler.
Nicolas Chamfort, ein prägender Schriftsteller während der französischen Revolution sagte wohl: „Es ist schwer, das Glück in uns zu suchen. Aber es ist ganz unmöglich, es anderswo zu finden.“ Letztendlich zerrieben ihn die Wirren der Zeit. Er beging Suizid. Auf karrierebibel.de wird der Weg zum Glück folgendermaßen zusammengefasst: „Nicht der Erfolg macht uns glücklicher – andersrum: Wer sich für das Glücklichsein entscheidet, wird erfolgreicher.“
Konkrete Dinge, die glücklich machen, und diese Aussagen stützen, sind nach den Studien unter anderem Singen, Meditieren und Fehler akzeptieren. Daneben ist Glück übrigens ansteckend, sagt man.
Ich glaube, dass an all dem wirklich was dran ist. Da haben Menschen ernsthaft geforscht und nach festen Maßstäben gesucht. Diese Maßstäbe sind also nicht irgendwo herbeigeholt, sondern wissenschaftlich überprüfbar.
Es ist nur ein Punkt, den ich als Christ nicht so sehen würde, nämlich die durchgehende Behauptung, das Glück läge in mir, würde von mir selbst abhängen. Ich glaube, dass es etwas, oder besser gesagt jemand, außerhalb von mir gibt, der mir die Grundlage gibt glücklich zu sein, zu bleiben oder immer wieder zu werden. Die Studien sagen ja selbst, dass Glück keine gleichmäßige, durchgängige Erfahrung ist. Das Leben schwankt. Es geht auf und ab. Deswegen ist es gut einen Halt außerhalb von sich selbst zu finden.
In Psalm 145 besingt David diesen Halt und das Glück, das aus Gott kommt.
Textlesung: Psalm 145 (BasisBibel)
1 Alphabetpsalm EIN LOBGESANG, MIT DAVID VERBUNDEN.
Hoch über alles will ich dich loben, mein Gott und König! Ich will deinen Namen preisen für immer und alle Zeit. 2 Jeden Tag will ich dich preisen! Ich will deinen Namen rühmen für immer und alle Zeit.
3 Groß ist der Herr und verdient höchstes Lob. Niemand kann seine Größe erforschen. 4Jede Generation soll deine Werke rühmen und deine mächtigen Taten verkünden. 5 Die Pracht deiner herrlichen Erscheinung, die Geschichten von deinen Wundern – auch ich will darüber nachdenken. 6 Von deinen gewaltigen Taten sollen sie reden und von deinen großartigen Werken – auch ich will davon erzählen. 7 An deine unendliche Güte sollen sie erinnern. Jubeln sollen sie über deine Gerechtigkeit:
8 »Reich an Gnade und Barmherzigkeit ist der Herr, unendlich geduldig und groß in seiner Güte.« 9 Der Herr ist gut zu allen Menschen. Aus Mitleid hilft er allen seinen Geschöpfen.
10 Herr, alle deine Geschöpfe sollen dich loben, und die Menschen, die sich zu dir bekennen, sollen dich preisen. 11 Von deinem herrlichen Königreich sollen sie reden und von deinen mächtigen Taten sprechen. 12 So hören die Menschen von Gottes Taten, von der Pracht seines herrlichen Königreichs. 13 Dein Königreich ist ein Reich für alle Zeit. Und deine Herrschaft wird weiter bestehen von Generation zu Generation.
Der Herr ist zuverlässig in allem, was er sagt. Und er ist gütig in allem, was er tut. 14 Der Herr stützt alle, die fallen könnten. Und alle Gebeugten richtet er wieder auf. 15 Mensch und Tier halten Ausschau nach dir. Du gibst ihnen Nahrung zur richtigen Zeit. 16 Du öffnest deine wohltätige Hand. Und alles, was lebt, wird davon satt. 17 Der Herr ist gerecht in allem, was er unternimmt. Und er ist gütig in allem, was er tut. 18 Der Herr ist allen nahe, die zu ihm rufen, all denen, die aufrichtig zu ihm rufen. 19 Begegnen sie ihm mit Ehrfurcht, erfüllt er ihnen ihren Wunsch. Er hört ihr Schreien und rettet sie.
20 Der Herr behütet alle, die ihn lieben. Doch alle Frevler vernichtet er. 21 Zum Lob des Herrn öffne ich meinen Mund. Alle sollen seinen heiligen Namen preisen für immer und alle Zeit.
BasisBibel: Das Neue Testament und die Psalmen. Stuttgart : Deutsche Bibelgesellschaft, 2012
David singt sein Glück heraus. Wenn er an Gott denkt, dann sprudelt es aus ihm heraus. Dann jauchzt er laut über Gottes Gerechtigkeit. So lesen wir es wörtlich übersetzt im siebten Vers: „Die Erinnerung an deine großen Taten sollen aus ihnen [den Menschen] heraussprudeln, und über deine Gerechtigkeit sollen sie laut jauchzen.“
Ich bin kein Freund von zu viel Kohlensäure. Aber ich denke, wir sind uns alle einig, dass nichts fader schmeckt als eine warme Cola ohne Kohlensäure oder ein abgestandenen Bier, mag beides noch so gesund sein.
David zumindest sprudelt über vor Glück, wenn er an Gott denkt. Er wehrt sich gegen ein fades, abgestandenes Leben. Es fühlt sich eher so, wie eine geschüttelte Sektflasche. Er lädt uns ein uns auch schütteln zu lassen.
In aller Spontaneität ist sein Lied gut durchdacht. Er will sich immer wieder leicht daran erinnern können. Will anderen auch dabei helfen bewusst aufs Glück zu schauen, auf Gott, den Glücklichmacher.
Deswegen buchstabiert er das hebräische Alphabet durch den ganzen Psalm. Jeder einzelne Vers beginnt mit dem jeweils nächsten Buchstaben. Bei uns wäre es A bis Z, im Griechischen Alpha bis Omega und im Hebräischen Aleph bis Taw. David gibt sich also so richtig Mühe sein Glück festzuhalten. Glücksforscher würden das vielleicht als Meditationshilfe bezeichnen.
Wenn es ihm einmal aus den Händen gleitet – und er weiß, dass ihm das immer wieder passiert – braucht er eine Hilfe, eine Eselsbrücke, das Glück wieder aufzuheben. So fehlt in Davids Lied übrigens der Vers mit dem Buchstaben Nun (Zumindest in der hebräischen Grundlage. In der ersten griechischen Übersetzung des Alten Testaments um 300 vor Christus, der Septuaginta, und in späteren hebräischen Texten, findet man den Vers.). Es scheint so, dass David eine kleine Stolperfalle einbaut. „Was fehlt dir, mir?“, scheint er zu fragen, und: „Bei welchem Buchstaben bleibst du immer wieder stecken? Welchen vergisst du immer wieder?“ David weiß, wie wankelmütig er selbst ist. Er verleugnet seine Fehler und Versäumnisse nicht. Deswegen konzentriert er sich um so mehr auf Gottes Treue. Bei ihm gibt es immer mehr. Mit Gott fehlt nichts. Er vergisst nichts.
David entscheidet sich konkret dazu, bei Gott sein Glück zu suchen. Als zweites lädt er andere dazu ein, und als Drittes besingt er im größten Teil seines Liedes Gottes Treue und Handeln.
David entscheidet sich bei Gott sein Glück zu suchen.
Eine feste Entscheidung für das Glück ist ein wichtiges Merkmal in der Glücksforschung. David ist auch darauf gekommen. Für ihn ist es aber nicht in erster Linie das Glück, sondern der Glücklichmacher, Gott.
David verkriecht sich nicht in der Höhle der Enttäuschungen. Er wartet nicht. Er tritt vor die Höhle treten lässt sie hinter sich. Er hat viele Enttäuschungen erleiden müssen. Hat selbst Menschen enttäuscht. In anderen Liedern singt er von diesen Höhlenerfahrungen.
Hier aber tritt er bewusst aus seiner dunklen Höhle heraus ins Licht und sagt: „Ich will!“, „Ich will es immer mehr und immer wieder.“ Das will ich nicht vergessen. Für alle Zeit, jeden Tag neu. „Immer und ewiglich.“ übersetzt Luther. „Ich will auf Gott schauen! Ich tus!“
Im Blick auf Gott sieht er einen weiten Horizont. David kann sich nicht satt sehen. Da steht er und sieht Berge und Täler, Flüsse, Wiesen und Wälder. Er sieht fasziniert, wie die Sonne durch den Nebel in den Tälern scheint. Er sieht dunkle und helle Wolken und in allem Gott, den Schöpfer, der sich seiner Schöpfung nicht entzieht.
Diese bewusste Entscheidung auf Gott zu schauen, macht etwas mit David.
So lädt er uns dazu ein, bei Gott Glück zu suchen.
Jede Generation soll sich neu auf diesen weiten Horizont einlassen, den Gott uns bietet. Es ist Gott, der ein neues Panorama auf die Leinwand malt. Er macht mehr. Er malt es in unser Leben, wenn wir es zulassen. David lädt uns ein uns auf Gott einzulassen. Er ist der Meinung, dass wir dann auch übersprudeln und fasziniert jauchzen können.
Das ist ganz unabhängig von unserer Persönlichkeit. Die Finnen sind eher in sich gekehrte Menschen, halten aber den ersten Platz im Weltglücksreport. Die Chinesen haben dafür sogar ein neues Wort erfunden: „Jin-Fen, der spirituelle Finne“. Glück ist also nicht von der Persönlichkeit abhängig. Trotzdem hinterlässt es einen Eindruck. Bei David hinterlässt der den Eindruck, der das Glück erfunden hat, Gott. Diesen Eindruck will er weitergeben.
So erkennt David überall Fußspuren des Glücks.
Diese Fußspuren haben nicht immer tiefe Eindrücke. Aber sie lassen alle Gottes Güte, Gnade und Barmherzigkeit erkennen. Der große, gewaltige Gott schlägt eben nicht unkontrolliert mit der Faust rein. Er betritt die Bühne nicht als wild-zorniger, um sich tretender Berserker.
Was David erst erahnt, hier aber gar nicht thematisiert, ist Gottes Plan in seinem Sohn, in einem Nachkommen Davids, ganz klein und sanft auf die Erde zu kommen: Jesus. Er kommt dabei noch nicht einmal als König, sondern als Handwerker, der sich selbst zum Diener macht. So baut er ein neues Königreich auf, wo alles zueinander passt. Da wird das Lied Davids wahr:
„Der Herr stützt alle, die fallen könnten und alle Gebeugten hebt er wieder auf. (Alle Augen) Mensch und Tier halten Ausschau nach dir. Du gibst ihnen Nahrung zur richtigen Zeit. Du öffnest deine wohltätige Hand.“ (Verse 14-16)
„Er ist nahe allen, die … aufrichtig zu ihm rufen. Begegnen sie ihm mit Ehrfurcht, erfüllt er ihren Wunsch. … Er behütet alle, die ihn lieben.“ (Verse 18-20)
David kniet wie ein Spurenleser nieder. Er bückt sich zu den Fußspuren Gottes herunter und beginnt sie zu lesen. Manchmal muss er länger schauen und nachdenken. Dabei sieht er auch dunkle Spuren neben den hellen.
Doch in all dem, füllt er sich Schritt für Schritt, Blick für Blick, mit mehr Glück. Deswegen buchstabiert er dieses Glück durch von Aleph bis Taw, von A bis Z. Wie weit sind wir schon gekommen? Haben wir schon angefangen? Sind wir irgendwo stehen geblieben? Haben wir einen Buchstaben vergessen? Oder sind wir schon mittendrin beim Singen? Ich glaube, es lohnt sich, aus unserem Ich herauszutreten und sich auf jemand außerhalb von uns einzulassen. Denn das letzte Glück liegt nicht in uns. Wir finden es bei Gott. Machen wir es David nach.
Amen!