Vom sich Fürchten und Mutigwerden
Darum soll es heute auf unserer Reise durch’s Markusevangelium gehen. Dabei liest man eigentlich wenig von Mut bei den Nachfolgern von Jesus, eher von Selbstüberschätzung oder falscher Einschätzung der Lage. Die Nachfolger von Jesus kommen nicht gut weg bei Markus. Aber ist das so schlimm? Erzählt uns das Markus, um uns runterzuziehen? Nein, ich glaube nicht. Eher im Gegenteil. Er stellt uns die engsten Vertrauten von Jesus nämlich als ganz normale Menschen vor. Er malt nicht das Bild von Superhelden. Vielmehr malt er uns das Bild von Menschen, die sich auf Jesus einlassen und in ihrer Furcht immer wieder auf Jesus werfen.
Als Jesus am Ende am Kreuz zu enden scheint und sie drei Tage später am leeren Grab stehen, wissen sie erstmal gar nicht weiter. Aber genau an dieser Stelle, im Anblick der totalen Leere, keimt Hoffnung auf. Und schließlich ändert sich etwas grundlegend. Der auferstandene Jesus lässt einladen, sich auf den Weg zu machen und ihm zu begegnen. Darum geht es.
“Das ist der Anfang der Guten Nachricht von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.”
(Markus 1,1)
Vom sich Fürchten und Mutigwerden als wesentlicher Teil der Guten Nachricht von Jesus.
Darum soll es heute in drei Abschnitten gehen.
• Erstens: Wenn mein Leben durcheinanderkommt.
• Zweitens: Wenn ich Jesus nicht mehr erkenne.
• Drittens: Wenn ich mich zu klein fühle.
Zuletzt und mittendrin aber immer die Auflösung: Die Begegnung mit Jesus.
Zuerst: … wenn mein Leben durcheinander kommt
Es gibt immer wieder Momente oder Situationen in unserem Leben, in denen wir uns neu orientieren müssen. Leute, die schon öfters umgezogen sind, kennen das gut. Aber auch solche, die immer am selben Ort oder Region geblieben sind, erleben das. Im Übergang jeder Etappe unseres Lebens werden wir aufgefordert uns neu zu orientieren, das durcheinander gekommende Leben wieder zu ordnen. Kinder, Teenager, Jugendliche, junge Erwachsene und so weiter bis zu Senioren. Der Wechsel vom Kindergarten in die Schule, dann Schulwechsel, Studien- und Berufsfindung. Die Kinder gehen aus dem Haus. Das Berufsleben geht dem Ende zu; und irgendwann auch das Leben hier auf der Erde. Das sind alles normale Situationen im Leben von uns allen. Es gibt kaum jemand, den das nicht durcheinanderbringt. Nicht alle wollen sich das eingestehen. Aber jedem passiert das. Dann gibt es aber auch Situationen, die wir so nicht hätten voraussehen können. Da bricht etwas in unsere Routine hinein, das wir so nicht erwartet hätten. Du verpatzt eine Prüfung an der Uni, verlierst den Beruf, vielleicht sogar deine Familie oder kämpfst mit Deiner eigenen Gesundheit oder die von anderen lieben Menschen.
Da machen sich Jesus und seine Vertrauten eines Tages nach anstrengendem Dienst an vielen Menschen auf zu neuen Ufern. Sie steigen in ein Boot, fangen an zu rudern und segeln schließlich weiter. Stürmisches Wetter wird eingerechnet, aber nicht wirklich erwartet. Wellen ist man gewohnt. Doch plötzlich, so berichtet uns Markus im vierten Kapitel seines Berichts, geraten sie in einen schweren Sturm, viel größer, als sie es erwartet hätten. Plötzlich kommt alles durcheinander. Die Menschen im Boot kämpfen um ihr Leben. Furcht überkommt sie. Gleich ist alles zu Ende. Wo ist Jesus? Jesus schläft. Ihm scheint das alles egal zu sein. Aber doch! - da ist ein wirklicher Sturm. Da ist echte, begründete Angst. Nicht lange danach - natürlich sind sie heil ans andere Ufer gekommen - Passiert etwas ganz anderes, aber doch Ähnliches .
Ein frommer Mann, eine heile, glückliche Familie, großes Engagement in der Gemeinde. Doch plötzlich gerät das Leben durcheinander. Der Traum platzt, die Wirklichkeit kehrt sich um. Die kleine Tochter erkrankt schwer und liegt im Sterben. Der fromme Mann findet Jesus. Die Menschen finden den Mann: “Deine Tochter ist tot.”
Da ist der Sturm und da ist der geplatzte Traum. Alle überkommt Angst. Wer würde das nicht verstehen? Da brechen Dinge in mein Leben ein, die mich durcheinanderbringen. Wie gehe ich damit um? Die Menschen damals, die engsten Vertrauten von Jesus und der fromme Mann. Sie klammern sich an Jesus. Den ersten sagt er:
“Ich bin doch bei Euch. Warum fürchtet Ihr Euch? Vertraust Du mir noch nicht?”
Und dann stillt er den Sturm. Er war aber auch vorher dabei und schlief. Und wenn Jesus schläft, kann ich mich ruhig neben ihn legen, selbst wenn es stürmt. Vielleicht kann ich nicht einschlafen. Aber ich lege mich zu Jesus. Denn Jesus selbst ist mehr als die Stillung des Sturms. Wer ist dieser Jesus, der im Sturm schlafen, ihn aber auch stillen kann? Dem frommen und tief besorgten Vater spricht Jesus zu:
“Fürchte dich nicht, glaube nur!”
(Markus 5,36)
Wenn alles durcheinanderkommt in meinem Leben, dann will ich lernen bei Jesus Ruhe zu suchen; mich im Sturm neben ihn legen; wenn die Träume platzen, mich nicht von ihm abbringen lassen. Er wird Neues ins Leben bringen. Wir werden überrascht sein.
Was ist aber … wenn ich Jesus nicht (mehr) erkenne?
Es gibt auch Situationen, in denen wir einfach ausgelaugt sind. Müde von den Anforderungen auf Arbeit, in der Familie, vielleicht auch in der Gemeinde oder einfach müde, weil wir in unsere Freizeit zu viel reinpacken.
Da sind die Jünger wieder auf dem See unterwegs im Boot; diesmal allein. Sie sollen schon mal vorfahren, hatte ihnen Jesus gesagt. Er würde irgendwie nachkommen. Doch der Wind steht ihnen entgegen, die Strömung scheint irgendwie anders zu sein als sonst. Segel setzen und wenden hilft nichts. Ran ans Ruder. Starke Männer am Ende ihrer Kräfte. Sie sind nicht verzweifelt. Aber unheimlich müde. Dann begegnet ihnen Jesus auf dem See laufend. Sie denken, es ist ein Gespenst und bekommen riesige Angst.
“Seid getrost, ich bin’s, fürchtet euch nicht!” , sagt Jesus.
(Markus 6,50)
Aber sie kommen nicht zur Ruhe. Denn das kann nicht sein. Das passt nicht in ihr Bild dessen, was möglich ist und nicht in ihr Bild von Jesus. Markus weiß warum. Sie hatten alles von Jesus gesehen und viel mit ihm erlebt, aber für das nächste Mal nichts mitgenommen. Ihr Herz war verkrustet. Harte Kruste, die nichts durchließ.
Da konzentriere ich mich so sehr auf meine eigene Kraft, dass ich dabei vergesse mich auf Jesus einzulassen. Wenn er dann kommt, bin ich so überrascht, dass ich ihn erstmal gar nicht erkenne. Er kommt mir unecht vor. Ich sehe ihn irgendwie. Er kommt auf mich zu, gehört aber nicht in meine Lebenswelt. Ich lasse ihn nicht rein.Ich habe mich so sehr auf mich und die Umstände gekümmert, dass sie zum Maßstab dessen werden, was möglich ist. Weil Jesus so anders ist; weil er nicht Kind der Umstände, sondern Gottes Sohn ist, kommt er mir dann plötzlich vor, wie ein Gespenst.
Jesus kommt und will mir begegnen. Ich aber rudere um so mehr von ihm weg. Der Jesus, den ich im Kopf und Herzen habe, muss so sehr Mensch sein, dass er meinen Gedanken entspricht. Ich mache mir meinen eigenen Jesus. Doch irgendwie kann er mir so nicht mehr helfen. Jesus will seinen Freunden die Welt zeigen, wie sie wirklich ist. Es ist die Welt seines Vaters. Er hat sie geschaffen, und dann nicht an unsere Vorstellungen angepasst. Er lädt uns ein, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist, wie er sie geschaffen hat. Lassen wir uns doch auf Jesus ein und uns von ihm überraschen. Lassen wir die Kruste um unser Herz doch von ihm aufbrechen und bleiben wir neugierig.
Dann gibt es aber Situationen, in denen ich mich zu klein fühle.
Da machen mir Dinge in der Welt Sorgen. Jesus spricht ganz offen davon, dass auch das passieren kann. Krieg und Angst davor. Rezession und Inflation. Die politische oder gesellschaftliche Großwetterlage verändert sich. Wir haben das die letzten zwei Jahre und diese Wochen ganz intensiv erlebt.
Jesus sagt: “Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei, so erschreckt nicht: Es muss geschehen.”
(Markus 13,7)
Das Schlimmste passiert aber dann, wenn ich zusehen muss, wie Jesus selbst Angst bekommt. Wie kann das sein? Der Sohn Gottes, den uns Markus so eindrucksvoll vor Augen malt. Genau dieser Jesus hat plötzlich selbst Angst, als er merkt, dass die erste Etappe zu Ende geht. Der Anfang der Guten Nachricht nimmt ein Ende. Die zweite Etappe naht und ist sicher. Aber Jesus bekommt Angst, die erste Etappe zu beenden, obwohl ihm diese zweite sicher ist.
“Jesus nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen.”
(Markus 14,33)
Von wem soll ich jetzt noch Hilfe erwarten? Wenn selbst der Sohn Gottes von Angst überwältigt wird, wo gehe ich dann hin?
“Da verließen sie ihn alle und flohen.”
(Markus 14,50)
Selbst als sie das leere Grab sehen, bleiben sie verunsichert. (Um diese Begegnung soll es das nächste Mal gehen und welche Kraft sie freisetzt). Da hören sie ermutigende Worte, können sie aber noch nicht fassen:
“Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten. * Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. * Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemand etwas; denn sie fürchteten sich.”
(Markus 16,6–8)
So endet die erste Version von Markus Jesusbericht. Später fügt er noch was dazu. Aber wir können das erste nicht einfach ignorieren. Der Anfang der Guten Nachricht, die erste Etappe sozusagen, endet mit der Verunsicherung der Vertrauten von Jesus.
Was hilft dann gegen Furcht und Angst? Wie werden wir wieder mutig?
Jesus macht uns das vor. Er selbst sucht die Begegnung und Gemeinschaft, das Gespräch mit Gott, dem Vater. Aus dieser Beziehung lebt und handelt er. Jesus macht uns das vor. Er begegnet seinen Jüngern und anderen, die auf ihn zukommen und bringt Ruhe, Leben, Hoffnung, Mut. Die Frauen und Männer unter seinen Nachfolgern bekommen nach seiner Kreuzigung erst wieder Mut, als er ihnen persönlich begegnet. Das leere Grab reichte nicht aus. Es war nur der erste Schritt. Das leere Grab ohne die Begegnung mit Jesus ist nicht mehr als Religion. Das leere Grab bekommt erst seine Bedeutung, wenn wir Jesus begegnen.
Wann bist Du Jesus das letzte Mal begegnet? Stehst Du noch vor dem leeren Grab? Hast Du die Nachricht von der Auferstehung gehört, aber Jesus noch nicht gesehen?
Warte auf Jesus in Deiner Verunsicherung und lade andere dazu ein ihm zu begegnen!
“Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen.”
(Markus 16,7)
Und dann beginnt die zweite Staffel der Guten Nachricht von Jesus. Jesus lässt Dich nicht allein. Bleib deswegen auch nicht allein. Lass Dich auf ihn ein. Sprich mit ihm. Nimm Dir Zeit. Lass Dich überraschen, wenn er in Deine Unruhe hineinbricht. Er kommt. Mach Dich auch auf den Weg.
Amen!
(Alle Bibelzitate aus der Lutherbibel 2018)