Was ist eigentlich relevant? (Apostelgeschichte 1,1-14)

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Leben in der Wartezeit

Wir befinden uns in diesen Wochen zwischen Ostern und Pfingsten. Wir erinnern uns an die Wartezeit zwischen der Auferstehung von Jesus und der Sendung des Heiligen Geistes Gottes für seine Nachfolger und an die Rückkehr Jesu zum Vater im Himmel. Himmelfahrt.

Gott schaltet die Ampel für die Nachfolger seines Sohnes von grün, auf gelb und rot wieder auf gelb. Wartestellung, Gespanntsein auf das, was kommt – für die Nachfolger eine Mischung aus Ungewissheit und Vorfreude, aber auch Vertrauen. Jesus war nach seiner Himmelfahrt, der Rückkehr zu seinem Vater im Himmel, körperlich nicht mehr da. 40 Tage war er nach seiner Auferstehung mit seinen Nachfolgern noch zusammen. 10 Tage müssten sie noch auf die Einlösung des Versprechens Gottes, des Vaters, warten. Aber, dass es nur 10 Tage dauern sollte; davon wussten sie noch nichts. Es war eine spannende Zeit.
Genau deswegen bereitet Jesus seine Nachfolger auf diese Zeit seit Ostern vor – und das nicht erst ab Ostern, sondern schon vorher. Es sollte etwas kommen – falsch! Es sollte jemand kommen, den sie so nicht erwartet hätten und auf eine Art und Weise, die neu für sie war. Davon berichtet uns besonders Johannes in seinem Bericht von Jesus.

In dieser Wartezeit der gelben Ampel versucht Jesus seinen Nachfolgern klar zu machen, was ihre Aufgabe sein würde. Denn die waren noch in anderen Vorstellungen gefangen. Für sie hatten andere Dinge Priorität, als für Jesus. Wir können das auch anders ausdrücken: für sie waren andere Dinge und Gedanken und Pläne relevant, als für Jesus. Doch Gott selbst hatte schönere Gedanken und größere Pläne für sie vorbereitet. Etwas, das ihnen neuen Halt geben sollte, ihnen und vielen anderen. Jesus will ihnen – will uns – helfen sich neu zu orientieren.

Was ist eigentlich für ins relevant?

Relevanz – oder noch genauer ‚systemrelevant‘ ist speziell in Zeiten der Krise ein Modewort. Worauf kann man auf keinen Fall verzichten? Woran hängt unsere Wirtschaft oder Gesellschaft? Was lässt sie stehen oder fallen? Man sucht nach dem Kern des Lebens. Was ist wirklich wichtig?

In der Börsenkrise vor ein paar Jahren waren die Banken systemrelevant, die Verwalter und Absicherer des Wohlstands. Heute rücken plötzlich ganz andere Bereiche in den Vordergrund: Nahrung, Körperpflege, Gesundheit, Arbeit, Ausbildung. Was vorher vergessen oder sogar missachtet oder gar nicht gesehen wurde, wird plötzlich wertgeschätzt: die Verkäuferin, der Landwirt, die Krankenpflegerin, Kindergärtnerin, der Trucker und andere bisher Unsichtbare.

Doch was war für die Nachfolger von Jesus relevant?

Kurz vorher waren sie noch voll von Trauer um Jesus, von Enttäuschung, dass ihre Träume nicht in Erfüllung gegangen waren und von Furcht ihr Leben zu verlieren. Sie hatten ganz andere Probleme, wie wir heute. Ihre Gefühle kennen wir jedoch auch; der eine mehr, der andere weniger: Trauer, Enttäuschung, geplatzte Träume, Furcht vor dem Tod. Das alles war schon immer aktuell; heute wie damals und in Zukunft. Für die Jünger hatte der Bestand Israels höchste Relevanz. Nationale Wiederherstellung und Selbstbestimmung hatte absolute Priorität. Danach sehnten sie sich. Wenn das passieren würde, wäre alles wieder gut, so dachten sie. Das kennen wir vielleicht auch.

Als zwei von ihnen am Auferstehungstag von Jerusalem nach Emmaus gingen, bekannten sie ihre Enttäuschung (Lk 24,21): „…und wir dachten, Jesus würde Israel wieder aufrichten und erlösen!“ Doch nun war es der dritte Tag, seit Jesus den Tod am Kreuz fand. Sie waren so sehr in ihren Vorstellungen gefangen, dass sie eben diesen Jesus nicht erkannten, der zu ihnen gestoßen war, neben ihnen ging und ihnen zuhörte.

Dann war Jesus noch während 40 Tage immer wieder mit seinen Nachfolgern zusammen und sprach mit ihnen über die Dinge mit wirklicher Relevanz, über all das, was für ihn schon immer absolute Priorität hatte: das Reich Gottes, also seine Herrschaft, so ganz anders, so gut, so befreiend. Doch seine Zuhörer hatten Schwierigkeiten ihm zu folgen. Da hatte sich von der Zeit vor und nach Karfreitag und Ostern nichts geändert. Ihr Herz und ihr Verstand war dumpf. Aber glücklich waren sie irgendwie zusammen mit Jesus.

Noch am selben Tag, als Jesus vor ihren Augen verschwand, als Gott, der Vater ihn zu sich aufnahm, fragen sie ihn nach dem Reich Israels. Würde er ihre zerrissene Nation wieder verbinden, ihr verletztes Volk heilen? Das war doch so wichtig für sie! Und überhaupt: lasen sie nicht überall in den Heiligen Schriften darüber – bei Mose und den Propheten und in den Psalmen?
Sie hatten es immer noch nicht ganz verstanden, als Jesus vor ihren Augen aufgehoben wurde und verschwand. Sie waren so gefangen von diesem so außergewöhnlichen Ereignis, dass sie immerfort in den Himmel starrten. Es mussten zwei weiß gekleidete Männer kommen und sie an die Worte von Jesus erinnern. Nein – es waren keine Ärzte. Viele meinen, es waren Engel, vielleicht – auf jeden Fall wecken sie die erstarrten Nachfolger von Jesus auf: „Mann, Mann, Mann! Männer von Galiläa! Jesus kommt wieder, keine Sorge!“

„Ach ja! Die Ampel ist ja nicht auf rot, sondern schon auf gelb!“ Die Erstarten und Dumpfen lassen sich aufwecken und merken langsam, was wirklich Relevanz hat.

Sie lernen jetzt ganz praktisch, was auch …

… für Jesus Relevanz und Priorität hat. Das würde auch sie verändern. Ihr dumpfes Herz würde wieder leicht werden und sich öffnen; ihre Freude zurückkommen. Schritt für Schritt würden sie verstehen, was Jesus wirklich gemeint hatte.

Übrigens waren es nicht nur die übriggebliebenen 11 Apostel, sondern auch einige Frauen, darunter die Mutter von Jesus, und auch seine Brüder. Besonders die Letzten hatten schon begonnen ihre Meinung von ihrem Sohn und Bruder zu ändern. Vorher waren sie noch die besorgten und leicht spöttischen Geschwister von Jesus. Inzwischen hatten sie ihn jedoch ganz anders kennen gelernt und begonnen sich ihm anzuvertrauen.

Was da in diesen Menschen vorgegangen ist, können einige von uns nachempfinden. Es ist nicht so, dass jemand von uns Jesus körperlich gesehen und angefasst hätte, nein. Aber diesen Prozess des Kennenlernens von Jesus und von dem, was er eigentlich mit uns vorhat, was er für uns getan hat; den können wir nachfühlen.

Was war es nun, dass für sie eine ganz neue Relevanz bekam? Was hatte nun Priorität in dieser Zeit des Wartens? Was soll für uns auch Priorität haben? Warum ist das relevant, systemrelevant, überlebenswichtig?

Da ist zuerst das einmütige Gebet

Das erste, was die noch etwas Dumpfen machen ist, dass sie sich aus ihrer Erstarrung lösen lassen. Sie gehen los. Alle haben nur den einen Gedanken: gemeinsam beten, zusammenkommen und Gott alles bringen, was sie bewegt, was sie meinen verstanden zu haben, was neu für sie war, was ihnen Not machte …

Sie kommen zusammen um zu beten. In diesen Tagen fehlt uns das: das Zusammenkommen. Doch worum geht es beim Gebet? Beten bedeutet: mit Gott reden, wie Jesus es ihnen vorgemacht hatte – ein Gespräch des Kindes mit seinem Papa oder der Mutti. Darin waren sie sich einig. Dazu musste sie plötzlich niemand auffordern: sie wollten mit ihrem Vater im Himmel reden.

Wie sie es gemacht haben, wissen wir nicht – vielleicht etwas liturgisch mit den Liedern aus den Heiligen Schriften, den Psalmen – vielleicht einer nach dem anderen – vielleicht alle gleichzeitig und zusammen – laut oder leise – wahrscheinlich alles von dem.
Wichtig war nicht die Form. Denn es kam von Herzen. Und wenn es das dumpfe Herz war; dann kam es daher. Wenn es das erwartungsvolle Herz war; dann von dort. Wenn es das traurige, das glückliche, das leere oder volle war. Es kam aus ihrem Herzen. Es kam von ihnen selbst. Sie kamen nicht mit halbem Herzen. Sie kamen mit ganzem.

Das war für sie nichts Passives.

Das Gespräch mit Gott war Aktion. Das ist es auch noch heute: Gebet ist Zeichen höchster Aktivität. Selbst, wenn die Ampel auf gelb steht. Man wartet vor Gott. So macht man es in dem Wissen, dass Gott handelt und man selbst mit ihm. Man will auf seine Stimme hören. Er soll und er will uns erklären, was es mit uns und mit ihm und mit Jesus und seinem Heiligen Geist auf sich hat. Wir sollen verstehen, was in der Bibel steht; dass es wirklich relevant für unser Leben ist – dass, was da steht und dass, was Jesus am Kreuz für uns getan hat, was es mit seiner Auferstehung auf sich hat und mit dem Versprechen, dass der Heilige Geist kommen würde.

Deswegen redet Jesus vom Heiligen Geist

Jesus macht das ganz deutlich. Ohne den Heiligen Geist Gottes bleibt das Leben dumpf, unser Verständnis höchstens halb und unser Handeln irrelevant. Der Heilige Geist muss auf uns kommen. Wir müssen mit ihm getauft werden und uns von ihm immer wieder erfüllen lassen. Wir müssen uns für Jesus öffnen. Ihn in in unser Leben lassen. Es ist Gott selbst, der uns umhüllen will. Damit wird er ganz persönlich. Wir sind nicht mehr die Unsichtbaren, Vergessenen, Missachteten in der Masse. Wir sind Gott unheimlich wichtig. Deswegen hat er Jesus gesandt und Jesus dann seinen Heiligen Geist.

Der Heilige Geist ist also kein Gespenst, auch kein Hirngespinst. Er ist auch mehr, als nur die abstrakte Kraft Gottes. Er ist Gott selbst, und seine Kraft soll auf uns kommen, uns erfüllen, uns aus unserer Dumpfheit befreien, die schlechte Luft aus unserem Leben treiben.

Weil Gott durch seinen Heiligen Geist so persönlich wird, kann das auch nicht persönlich bleiben. Es muss raus, überall hin. Für die Jünger war das zuerst Jerusalem und Judäa oder auch Galiläa, dann aber auch das missachtete Samaria und später all die noch unbekannten Menschen irgendwo auf der Welt ganz nah oder ganz weit weg.

Doch jetzt stand die Ampel noch auf gelb! Priorität hatte nun das aktive Warten, das einmütige und beständige Reden mit Gott. …und so nach und nach verstehen sie, was es mit dem Reich, mit der Herrschaft Gottes auf sich hat. Bleiben auch wir gespannt und lernen wir von ihnen! Lasst uns mit Gott reden, Sehnsucht nach dem Gespräch mit ihm haben! Lasst uns auch den Heiligen Geist bitten, dass er uns erfüllt, erfrischt, leitet, mit seiner Kraft erfüllt.

Und wer noch nicht mit dem Heiligen Geist getauft wurde, für den Jesus nur hier und da mal wie erfrischendes Wasser ist – der vertraue sich Jesus an, sein ganzes Herz – und wenn es noch so dumpf ist. Denn wenn man nach Jesus fragt und sich nach der Herrschaft Gottes sehnt, dann kommt der Heilige Geist. Er kommt… Warte nur!

Amen!