Predigtmanuskript
Welche Gründe gibt es eigentlich zu schweigen?
Manchmal ist es erholsam. Man flieht vor der Ablenkung. Immer mehr Menschen suchen die Stille. Schweigefreizeiten werden angeboten. Man kommt zusammen nicht um sich auszutauschen, sondern miteinander Ruhe zu finden und sich einzeln und gemeinsam nur auf Gottes Reden einzulassen.
Manchmal schweigt man dagegen, wenn man keine Worte mehr hat. Man ist fassungslos über das, was man erlebt hat. Man weiß nicht mehr weiter. Man braucht Zeit um nachzudenken.
Dann gibt es Menschen, die schweigen um zu strafen. Sie entziehen sich ihrem Gegenüber. Manche Eltern erziehen so ihre Kinder. Vielleicht ist es bewusst, vielleicht aber auch aus Hilflosigkeit. Für manche ist es die schlimmste Strafe, die sie sich vorstellen können.
Wieder andere schweigen, weil sie keine Antwort wissen oder meinen, ihrem Gegenüber wäre die Antwort ja klar.
Ein letzter schweigt, weil er ertappt wird. Jesus erwähnt so einen in einem Gleichnis. Er hat sich in das Fest des Königs reingeschlichen. Ihm werden Festkleider angeboten. Er lehnt ab. Dabei sein ist für ihn alles. Verändern lassen will er sich nicht. Als der König fragt, warum, schweigt er.
Bestimmt gibt es noch andere Gründe zu schweigen.
Was für ein Schweigetyp bist Du?
Heute geht es um das Schweigen Gottes. Im selben Atemzug dreht es sich aber auch um Gemeinschaft mit Gott. Denn Gottes Schweigen ist anders.
Gott möchte uns zuhören, nicht zutexten. Er will unsere Gedanken kennenlernen, unser Herz, unsere Motivation. Nein, falsch … und doch richtig! Er weiß das ja alles schon. Er kennt uns wahrscheinlich besser, als wir selbst. Gerade deswegen hört er uns gerne zu. Er lässt uns Zeit. Er wartet, bis wir Worte finden. Er wartet nicht auf schöne Worte, sondern auf unsere ganz persönlichen. Er will uns dann helfen, unsere Gedanken zu ordnen. Er will Gemeinschaft mit uns im Hören, Handeln und Reden. Mitten im Schweigen geht es um diese aktive Gemeinschaft. Und dann spricht er zu uns und handelt. Denn er hat uns zugehört, uns Raum gegeben. Wie oft wird uns dieser Raum aber zu groß?
Wie füllen wir diesen Raum, den Gott uns gibt? Wie füllen wir das Schweigen Gottes? Wie füllt ihn David? Hören wir auf Psalm 28 nach der Lutherbibel.
1 Von David.
Wenn ich rufe zu dir, Herr, mein Fels,
so schweige mir nicht,
dass ich nicht, wenn du schweigst,
gleich werde denen, die in die Grube fahren.
2 Höre die Stimme meines Flehens, wenn ich zu dir schreie,
wenn ich meine Hände aufhebe zu deinem heiligen Tempel.
3 Raffe mich nicht hin
mit den Gottlosen und Übeltätern,
die freundlich reden mit ihrem Nächsten
und haben Böses im Herzen.
4 Gib ihnen nach ihrem Tun
und nach ihren bösen Taten;
gib ihnen nach den Werken ihrer Hände;
vergilt ihnen, wie sie es verdienen.
5 Denn sie wollen nicht achten auf das Tun des Herrn
noch auf die Werke seiner Hände;
darum wird er sie niederreißen
und nicht wieder aufbauen.
6 Gelobt sei der Herr; denn er hat erhört
die Stimme meines Flehens.
7 Der Herr ist meine Stärke und mein Schild;
auf ihn traut mein Herz und mir ist geholfen.
Nun ist mein Herz fröhlich,
und ich will ihm danken mit meinem Lied.
8 Der Herr ist seines Volkes Stärke,
Hilfe und Stärke für seinen Gesalbten.
9 Hilf deinem Volk und segne dein Erbe
und weide und trage sie ewiglich!
Wie empfindet David diesen Raum des Schweigens Gottes? Wie füllt er diesen Raum? Was passiert, als er diesen Raum füllt? Das sind drei Fragen, die wir an das Psalmlied Davids stellen können.
Wie empfindet David diesen Raum des Schweigens Gottes?
Es ist wie ein Grab, verschlossen. So beschreibt David diese Situation, in der er sich befindet.
Wir können nur ahnen, wann er in seinem Leben dieses Lied gedichtet hat, wann ihm diese Worte in den Sinn und aufs Papier gekommen sind. War er schwer krank? Hing er ganz tief in einer Depression? Litt er darunter, dass ihn niemand verstand? War es, als sein Sohn Absalom ihm nach den Leben trachtete und aus dem Palast vertrieb? War es, als er trauerte?
Trotzdem, bei allem beschreibt David Gott nicht wie einen schweren Grabstein. Die Situation ist so, ja. Aber Gott ist sein Fels. Er erdrückt nicht. Gott schützt und hält.
Dieser Fels ist aber auch einer, der an der Grenze steht, der Grenzerfahrungen nicht erspart. Es ist ein Fels, wie ein Wellenbrecher. Er schützt die Küste, bewahrt das Land vor Überschwemmung, ist hoch genug und fest gegründet.
Da brechen die Wellen im Sturm mit lautem Getöse auf diesen Fels und kommen nicht weiter. Die Gischt spritzt herüber. Aber nur die Gischt. Trotzdem kommt es David so vor, als ob Gott das Getöse nicht übertönen kann.
David spricht von Menschen, die von dem Gott, dem er sich anvertraut, nichts wissen wollen. Ihre Taten sind böse. Sie zerstören. Und doch flüstern sie leise und reden freundlich. Sie kommen wie ein sanfter Windhauch. Dann rollen sie aber wie ein Sturm übers Land. Sie drohen nicht mit ihren Worten. Sie schmeicheln. Dann legen sie aber Hand an und wollen den Fels abtragen, auf den David sich verlässt. Ihr mal freundlich leises Reden, mal laut rauschendes Handeln, will ihn ablenken von Gott.
Es scheint fast, als ob er ins Zweifeln kommt. Er hört Gottes Stimme nicht mehr. Ist zu sehr abgelenkt. Sein Raum ist leer und hat dunkle Wände. So scheint es. Er weiß um den Fels, fühlt sich aber doch wie begraben.
Deswegen bittet er Gott sein Schweigen zu brechen und alles andere zu übertönen.
Kennst Du das? Kannst du Dich in David hineinversetzen? Du bist weder Königin noch König. Aber wenn das selbst Herrschern passiert. Warum sollte uns das erspart bleiben? - dieser große Raum des Schweigens Gottes und das Flüstern und Stürmen um uns herum.
Was macht David in dieser Situation? Was können wir machen?
Wie füllt David diesen Raum des Schweigens Gottes?
Er fragt nicht nach dem “Warum?”. Er beschreibt, was er erlebt. Er beschreibt aber noch viel mehr. Er singt davon, wer Gott trotzdem für ihn ist und bleibt. Er hebt die Hände zu Gottes Tempel, sucht seine Gegenwart. Er erinnert sich an Gottes Handeln. Er vergleicht Gottes Reden und Handeln mit dem der Menschen. Das Schweigen Gottes zieht er aber allem vor. Er erkennt die Gelegenheit, die darin steckt.
David lässt sich nicht passiv in die Leere fallen. Er lässt sich durch das Flüstern und Brüllen seiner Umwelt nicht in den Abgrund stoßen. David protestiert dagegen und hebt demonstrativ seine Hände im Gebet zu Gott. Gott schweigt. Aber er entzieht sich nicht seinen Leuten. David ist sich darüber sicher. Deswegen nimmt er sich ganz bewusst Zeit Gottes Gegenwart zu suchen. Der Tempel war der Raum der Gegenwart Gottes. In diesen Raum will er gelangen. In seine Richtung begibt er sich. Er nimmt die Spötter und Zweifler wahr. Aber er wendet sich von ihnen ab. Er wendet sich Gott zu.
Er hat beobachtet, dass die Spötter und Zweifler eben nicht auf Gottes Handeln achten. Was Gott tut und getan hat; davon wollen sie nichts wissen. David macht das anders. Er füllt den Raum des Schweigens mit der Erinnerung an sein Handeln. Es ist das ganz persönliche Handeln in seinem Leben. Es ist aber auch das Handeln in der Geschichte. Es sind die Beispiele von Abraham und Jakob, von Mose und Josua, und vielen anderen. Er merkt:
Gott wendet sich mir ganz persönlich zu. Gott hat aber auch die ganze Welt in der Hand.
Was passiert, als David diesen Raum des Schweigens füllt?
“Auf dich verlässt sich mein Herz und mir ist geholfen.” So singt er im Gebet und so beginnt er Gott zu erleben.
David findet sich plötzlich nicht mehr in einem dunklen Grab. Er sieht das Licht Gottes, das in sein Leben scheint. Gott füllt den Raum des Schweigens mit seinem Licht. Gott macht das in dem Maß, wie David sich auf ihn einlässt. David findet sich im Tempel Gottes wieder, in seiner Gegenwart.
David erlebt Gott, wie er ihm Kraft gibt, wie er ihn schützt, wie er ihm einen neuen Blick auf die Situation schenkt, die sich noch nicht verändert hat.
David erlebt Gott jetzt wie ein Schild. Er wehrt die Angriffe ab, die von innen und von außen kommen, vom eigenen Zweifeln und vom Spott der Mitmenschen. David praktiziert schon jetzt das, wozu uns Paulus später auffordert:
“Was auch kommen mag: Greift nach dem Glauben als eurem Schild! Mit ihm könnt ihr alle brennenden Pfeile abwehren, die der Böse gegen euch schießt.”
(Epheser 6,16 nach der Bibelübersetzung BasisBibel)
David entscheidet sich bewusst, sich auf Gott einzulassen. Paulus fordert auch dazu auf. Gott vertrauen ist eine Entscheidung, die wir treffen müssen. Diese Entscheidung wirst Du nicht bereuen.
David erlebt Gott auch wie Mauern einer Festung, von denen er einen neuen Überblick bekommt, die ihm aber auch Schutz bieten und Geborgenheit.
Indem sich David entscheidet sich auf Gott einzulassen, selbst, wenn er schweigt, bekommt er einen neuen Blick auf dieselbe Situation. Er merkt, dass Gott ihn nicht wie eine dunkle Wand umgibt. Gott ist die Mauer, die ihn schützt. Es ist keine dunkle Mauer und keine Mauer, die den Blick versperrt.
Gott hebt David hoch auf diese Mauer, damit er einen Überblick bekommt. David sieht nun auch nicht nur die, die ihn ablenken wollen, die nichts von Gott wissen wollen.
David freut sich darüber, wie er wieder neu Gottes Handeln erlebt. Ja, Gott schweigt noch. Aber er bleibt nicht passiv ablehnend. David merkt, dass Gott ihm zuhört. Er redet ihm nicht dazwischen. Aber er nimmt ihn auf den Schoß und hebt ihn hoch, gibt einen neuen Blick.
Gott handelt, weil sich David auf ihn eingelassen hat. Das macht ihn unheimlich froh. Und so komponiert er dieses Lied.
Wie füllst Du den Raum, den Gott Dir gibt?
David fragt nicht nach dem Grund des Schweigens Gottes. David füllt diesen Raum, den Gott ihm gibt. Ja, Gott schweigt. Ja, David fällt dieses Schweigen schwer. Aber nein, er zieht sich nicht zurück in den Schatten. Er erobert den Raum und füllt ihn. Dann erlebt er das Handeln Gottes und sein Reden.
David hat diesen Psalm komponiert, weil er merkt, dass andere Menschen die gleichen Erfahrungen machen. Er lädt Dich und mich ein uns auf Gott einzulassen. Er will uns davor bewahren, den Raum, den Gott uns gibt, zu verlassen. Er fordert Dich und mich auf die Gelegenheit zu nutzen dasselbe auszuprobieren. Er lädt Dich und mich ein dasselbe zu erleben.
Er lädt Dich und mich ein dasselbe zu erleben, die Gelegenheit zu nutzen, die Gott uns gibt. Lasst uns diesen Raum füllen, uns Zeit dafür nehmen und auf Gott einzulassen. Lassen wir uns diesen Raum nicht stehlen von Spöttern und Zweiflern, von negativen Erlebnissen und eigenen Fehlern. Lassen wir uns nicht ablenken.
Heben wir die Hände auf zu Jesus. Suchen wir seine Gegenwart. Erinnern wir uns an sein Handeln an uns und anderen. Schweigen wir nicht; und wenn, dann um Gottes Gegenwart zu genießen.