Wo Furcht und Freude aufeinandertreffen (Psalm 112)

Predigtmanuskript

Halleluja!

Wohl dem, der den Herrn fürchtet, der große Freude hat an seinen Geboten!

2 Sein Geschlecht wird gewaltig sein im Lande; die Kinder der Frommen werden gesegnet sein. 3 Reichtum und Fülle wird in ihrem Hause sein, und ihre Gerechtigkeit bleibt ewiglich. 4 Den Frommen geht das Licht auf in der Finsternis, gnädig, barmherzig und gerecht.

5 Wohl dem, der barmherzig ist und gerne leiht und das Seine tut, wie es recht ist! 6 Denn er wird niemals wanken; der Gerechte wird nimmermehr vergessen. 7 Vor schlimmer Kunde fürchtet er sich nicht; sein Herz hofft unverzagt auf den Herrn. 8 Sein Herz ist getrost und fürchtet sich nicht, bis er auf seine Feinde herabsieht. 9 Er streut aus und gibt den Armen; seine Gerechtigkeit bleibt ewiglich. Sein Horn wird erhöht mit Ehren.

10 Der Frevler wird’s sehen und es wird ihn verdrießen; mit den Zähnen wird er knirschen und vergehen. Denn was die Frevler wollen, das wird zunichte.

Psalm 112 nach der Bibelübersetzung Luther 2017

Nach dem ersten Hören, Lesen oder Singen hört sich der Psalm an, als ob es denen, die Gott vertrauen immer gut und immer besser geht. Wir lesen von den praktischen Auswirkungen, die fromme Menschen erleben dürfen, wenn sie Gott ehren und seinen Geboten gerne folgen. Das hört sich nach dem sogenannten Wohlstandsevangelium an. Es verspricht all denen Glück und Erfolg, die sich bekehren und Christen werden. Nun, so ganz falsch ist das nicht, so ganz richtig aber auch nicht.

Natürlich ist es so, dass die Gute Nachricht von Jesus, also eine heilsame Beziehung zu Gott, positive Auswirkungen auf unser Leben hat. Es kann ja gar nicht anders sein. Wenn ich Jesus in mein Leben lasse, dann begegne ich der Güte, der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit Gottes, ja Gott selbst, der mich heil macht. Wer so etwas erlebt, kann nicht so bleiben, wie er ist – nicht weil er muss, sondern weil es an ihm passiert. Gott beginnt zu handeln, nicht wir.

Wir erleben aber auch Menschen, die ihr Leben Gott anvertraut haben und doch von einem Unglück ins andere stolpern. Dann fragen wir uns mit Recht, warum das passieren muss. Als biblisches Beispiel fällt uns da sofort Hiob ein.

Fragen kommen dann auf wie: „Funktioniert der Glaube an Jesus?“ oder: „Kümmert sich Gott wirklich um mich?“ oder: „Ist das wirklich wahr, was ich da in der Bibel lese oder doch nur ein Beruhigungsmittel für meine Seele?“ Natürlich ist es das. Es ist aber noch weit mehr. Und genau davon handelt dieses Lied.

Von diesen dunklen Erfahrungen schreibt auch Paulus an die Christen in Korinth, besonders in seinem zweiten, persönlichsten Brief. Der große Apostel gibt zu, dass er und seine Freunde schon das eine oder andere Mal am Leben verzweifelten. Auch innere Unruhe bekennt er, tiefe Sorge um enge Freunde. Aber Paulus hält an dem fest, was uns in Psalm 112 zugesungen wird.

Da geht es als Erstes darum zu merken, dass Gott zu fürchten und Freude an seinem Willen zu haben kein Widerspruch ist, sondern zu einem neuen Leben befreit.

Daran schließt sich das Zweite an. Es geht um den, der uns Halt im Leben gibt auch, wenn es wankt und Licht bringt, wenn es im finster um uns wird.

Die Furcht Gottes und die Freude an seinem Willen sind kein Widerspruch. Zusammen machen sie mich frei.

Das Lied beginnt mit dem Menschen, der sich an Gott orientiert und endet mit dem, der sich gar nicht um ihn schert. Da ist auf der einen Seite der Mensch, der nicht nur glaubt, dass es einen Gott gibt, sondern ihn auch achtet und nach seinem Willen leben will. Auf der anderen Seite steht der Frevler, wie Luther übersetzt, ein Mensch, der Gott missachtet, wie wir in der Guten Nachricht Übersetzung lesen. Er knirscht vor Eifersucht mit den Zähnen, spürt, dass sich sein Gegenüber Gott anvertraut hat, beobachtet den Frieden in dessen Leben und merkt, dass ihm selbst am Schluss alles aus den Händen rinnt, was er meinte festhalten zu müssen. All sein Verlangen löst sich in Luft auf, er selbst schließlich sogar von Gott vergessen.

Aber das ist es gar nicht, worum es dem Komponisten des Psalms in erster Linie geht. Er hat sein Lied wieder am hebräischen Alphabet angelehnt. Der erste Vers beginnt mit Aleph, der letzte mit Taw, auf Deutsch also der erste mit A, der letzte mit Z. Nur die drei letzten Buchstaben will er denen widmen, die Gott ignorieren. Im Psalm ist das einer, von 10 Versen. Wir machen das oft anders.

Worum es dem Liederdichter geht, sind die Auswirkungen seiner Beziehung zu Gott. Was passiert mit mir, wenn ich mich ihm anvertraue?

Er will mir helfen, mich nicht von Nörglern und Kritikern ablenken zu lassen. Das sind die, die mir die Freude an Gott und seinem Willen nehmen wollen, echte Spaßverderber. Sie richten sich groß auf und wollen mir Angst machen. Sie sagen, dass es weder gut noch gesund ist Gott zu fürchten. Nur ohne Gott wäre man wirklich frei. Seine Regeln würden nur das Leben einengen.

Der Liederdichter stellt sich gegen diese Illusion. Er will mir viel mehr Mut machen mich denen zu widmen, die mit Gott und nach seinem Willen leben. Er selbst will darauf achten und singt deswegen davon und lobt Gott: Halleluja.

Er erinnert sich und mich daran nicht die Falschen zu fürchten. Will sich nicht ins Bockshorn jagen lassen von denen, die Gott leugnen. Er lässt sich von ihnen keine Angst mehr machen. Dagegen fürchtet er Gott und freut sich an seinen Regeln fürs Leben. So steht es im ersten Vers.

Wenn ich nur Gott fürchten muss, den, der ganz oben steht, der voll Gnade, Güte, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit ist; dann brauche ich keine Angst vor anderen haben, die nicht einmal an seinem Schatten kratzen können. Es ist so entlastend den zu fürchten, vor dem ich keine Angst haben muss. Es ist so befreiend sich nach dem zu richten, über dessen Willen für mich, ich mich freuen kann.

Wenn wir in der Bibel mal nach denen schauen, die Gott fürchten, sich manchmal sogar vor ihm erschrecken. Dann entdecken wir, dass Gott allen ohne Ausnahme sagt: „Fürchte dich nicht!“. Genau das Gegenteil fällt bei denen auf, die Gott spotten. Für sie gibt es keinen Trost, kein Heil. Sie lehnen es ja sogar ab.

Was ich als erstes von diesem Lied lerne ist: Die Nörgler und Kritiker kann ich nicht ignorieren. Es ist ja auch gut, wenn ich mich mal hinterfragen lasse! Sie sollen aber auf ihrem Platz bleiben. Ich will mir nicht den großen, freien Raum nehmen lassen, den Gott mir eröffnet. Sein Wille ist weiter, als die Zwänge derer, die nichts von ihm wissen wollen. Verweisen wir sie doch immer wieder auf ihren Platz, die letzten drei Buchstaben im Alphabet von über 20. Überlassen wir ihnen doch nicht mehr als einen Vers von 10, wie es unser Psalmdichter macht.

In dieser Freiheit, die mir die Furcht Gottes und Freude an seinem Willen öffnet, finde ich auch Licht, wenn es dunkel um mich und andere wird. Das ist das Zweite:

Wir dürfen im Dunkel Licht aufgehen sehen.

Es ist eine Illusion zu glauben, dass Christen kein Unglück trüben kann. Es ist einfach Teil unserer Welt, dass Schlimmes passiert. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht Nachrichten von Bosheiten und Unglücken hören müssen. Der eine oder andere von uns hat das auch schon am eigenen Leib erfahren.

Worum es in unserem Lied aber geht, sind wieder zwei Sachen. Das Erste: Ein Mensch mit Gott, wird von ihm nicht verlassen. Das Zweite: ein Mensch mit Gott nimmt sich den Verlassenen an. Nochmal das Erste: der Mensch mit Gott sieht Licht in der Finsternis. Nochmal das Zweite: der Mensch mit Gott bringt Licht in die Finsternis seines Mitmenschen.

Da ist erstmal das eigene Dunkel, das wir, du und ich, erleben.

Wir hören im Psalm von Gottes Güte, Gnade, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit singen. In den Nachrichten hören wir immer wieder von Gerichtsverhandlungen, die auch uns bewegen. Dabei legen die Journalisten ihr Augenmerk nicht nur auf das Urteil, sondern besonders auf die Reaktion der Betroffenen.

Wie groß ist die Enttäuschung der Opfer, wenn die Strafe zu niedrig ausfällt, die Beweislage zu schwach ist. Der Täter, der das Wort Barmherzigkeit nicht kannte, soll sie jetzt erfahren. Welche eine Ungerechtigkeit! So legt man Berufung ein. Manchmal tut es sogar der Täter. Manche Verhandlungen ziehen sich dann über Monate und Jahre hin, sodass sogar die penetrantesten Journalisten das Interesse verlieren, Außenstehende allemal. Man wird vergessen.

Es ist so gut zu wissen, dass Gott uns während langen Zeiten der Prüfung nicht allein lässt. Wenn wir uns Jesus anvertrauen, der alle Dunkelheit der Welt ans Kreuz getragen hat, dann werden wir seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit erleben. Er macht es in uns hell, wie am ersten Tag der Schöpfung, selbst wenn alle die Augen davor verschließen.

Auch, wenn dunkle Stunden nicht enden wollen und sich kaum wer dafür interessiert. Gott vergisst uns nicht.

Der Psalm singt uns das zu: Gott wankt und wackelt nicht, wenn wir auch zittern. Du brauchst dich nicht zu fürchten. Er hat alles unter Kontrolle!

Dann gibt es aber auch das Dunkel, das andere erleben.

Da sind wir an der Reihe, die wir selbst Gottes Treue und Barmherzigkeit und Gerechtigkeit erlebt haben. Geben wir sie weiter! Vergessen wir uns nicht in uns selbst. Wenn wir selbst aus unserer Dunkelheit in Gottes Licht treten, können wir die Dunkelheit anderer sehen, ihnen begegnen und Licht bringen. Davon singt der Psalm. Das ist seine Melodie. Gottes Treue und Barmherzigkeit ist etwas, das über uns hinauswachsen möchte. Es sind Eigenschaften, die uns selbst wachsen lassen und auch andere aus Zwängen und aus falscher Furcht befreien. Sie füllen uns und andere mit Freude und machen das Leben leichter.

Dafür kann sich jeder entscheiden.

Niemand ist davon ausgenommen. Aber jeder muss es für sich tun. Der Segen der einen Generation fließt in die nächste über. Aber diese muss sich dann auch wieder selbst entscheiden, ob sie in diesem Segen, der aus der Beziehung zu Jesus wächst, leben möchte: in der Furcht Gottes und großer Freude an seinem Willen. Wagen wir das doch immer wieder und laden dazu ein.

Amen!


Vollständige Quellenangabe des Bibelzitats: Luther, Martin ; Evangelische Kirche in Deutschland (Hrsg.): Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017. revidierte Fassung. Stuttgart: Deutsche Bibelgesellschaft, 2017