Predigtmanuskript
Was passiert eigentlich, wenn ich dabei bin Liebgewordenes zu verlieren? …oder noch schlimmer, wenn jemand dabei ist, mir Liebgewordene zu rauben? Ein Stück Zuhause und Heimat wird mir genommen. Wie geht es mir dabei? Wie reagiere ich? …
Die COVID19-Krise fordert auch viel von uns. Wir müssen Gemeinde und Gottesdienst wie wir sie gewohnt waren wieder neu erfinden. Oder sitzen wir die Krise einfach aus antworten dann mit einem: „Weiter so! Lasst uns unser Zuhause wieder zurückerobern, wie es war!“
Dann die Fragen: Schmerzt es uns, dass es nicht so ist wie vorher? Was ist es, das uns schmerzt? Ist es das Gewohnte, das wir nach und nach mit viel Eifer aufgebaut haben oder ist es die Gemeinschaft, der freundliche Blick meines Mitchristen, der Handschlag, die Umarmung, das gemeinsame Singen … ? Ehrlich gesagt: „Ich fühle mich beraubt, hinterfrage mich aber die letzten Wochen, was mir eigentlich genommen wurde?“ Sind es meine liebgewordenen Gewohnheiten, meine Art Zuhause zu erleben oder der, der das Liebgewordene und Zuhause füllen möchte, Jesus?
Was macht diese Zeit mit unserem Glauben? Auf welchem Fundament stand oder steht oder fällt unser Glaube, unsere Gemeinde, unser Gottesdienst? Ich glaube, dass Gott uns gerade die Gelegenheit gibt, uns ehrlich zu hinterfragen! Und zwar jenseits des verfassungsmäßigen Rechtes Gottesdienst zu feiern auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Aussage, Gottesdienst und christliche Gemeinde wäre doch viel mehr als das, ohne zu erklären, was.
Im heutigen Predigttext geht es auch darum, dass Menschen den Eindruck haben, ihnen würde etwas Liebgewordenes, ja der Inhalt und Ziel ihres Lebens genommen, das Fundament ihres Zuhauses, ihrer Heimat. Sie wehren sich gegen das Angebot, das Gott ihnen macht, nämlich sie an den wirklichen Sinn des Liebgewordenen zu erinnern: seine persönliche, heilsame, befreiende Gegenwart durch den Glauben an Jesus Christus, seinen Sohn. Er will unser Zuhause füllen mitten in Veränderungen, seine sie noch so groß oder unscheinbar.
Textlesung: Apostelgeschichte 6,8-15; 7,1.45-54 (nach der Übersetzung Hoffnung für Alle)
Stephanus vollbrachte öffentlich durch Gottes Gnade und Kraft große Zeichen und Wunder.
9 Eines Tages verwickelten ihn Anhänger einer jüdischen Gemeinde, die sich die »Freigelassenen« nannten, in ein Streitgespräch. Auch Leute aus Kyrene, Alexandria, Zilizien und der Provinz Asia beteiligten sich daran. 10 Aber keiner von ihnen hatte der Weisheit, mit der er sprach, etwas entgegenzusetzen, denn in ihm wirkte der Heilige Geist mit seiner Kraft.
11 Deshalb stifteten sie ein paar Leute zu der Behauptung an: »Er hat Gott gelästert und Mose beleidigt. Wir haben es selbst gehört.« 12 Dadurch gelang es ihnen, das Volk, seine führenden Männer und die Schriftgelehrten so aufzuwiegeln, dass sie über Stephanus herfielen und ihn vor den Hohen Rat schleppten.
13 Dort traten Zeugen gegen Stephanus auf, die man vorher bestochen hatte. »Dieser Mensch«, so behaupteten sie, »wendet sich in seinen Reden ständig gegen den heiligen Tempel und das Gesetz Gottes. 14 Wir haben selbst gehört, dass er gesagt hat: ›Jesus aus Nazareth wird den Tempel abreißen und die Ordnungen ändern, die Mose uns gegeben hat.‹«
15 Die Mitglieder des Hohen Rates blickten gespannt auf Stephanus, und jedem fiel auf, dass sein Gesicht aussah wie das eines Engels.
7,1 Der Hohepriester fragte Stephanus: »Stimmt es, was die Männer hier von dir behaupten?«
[Stephanus antwortet und schließt mit den folgenden Sätzen ab:]
7,48 Aber der höchste Gott wohnt ohnehin nicht in Häusern, die ihm Menschen bauen. So sagt schon der Prophet Jesaja: 49 ›Der Himmel ist mein Thron und die Erde mein Fußschemel. Und da wollt ihr mir, dem Herrn, ein Haus bauen? An welchem Ort soll ich mich denn niederlassen? 50 Ich habe doch Himmel und Erde geschaffen!‹« 51 »Ihr seid wirklich unbelehrbar!«, fuhr Stephanus fort. »Ihr habt eure Ohren für Gottes Botschaft verschlossen, und auch euer Herz gehört ihm nicht. Genau wie eure Vorfahren widersetzt ihr euch ständig dem Heiligen Geist.
7,54 Über diese Worte von Stephanus gerieten die Mitglieder des Hohen Rates in maßlose Wut. … und steinigten ihn.
Die Menschen, die sich in unseren Bericht gegen Stephanus stellen, fühlen sich von ihm bedroht. Vor allem die, aus den genannten Synagogen. Es sind allesamt Juden, die extra nach Jerusalem gekommen waren, weil ihnen das Gesetz und der Tempel soviel wert war – Inhalt ihres Glaubens, Wunsch ihres Lebens. Die einen waren aus Libyen und Ägypten gekommen, die anderen aus der heutigen Türkei. Die dritten waren, aus Knechtschaft Freigelassene. Es waren Juden aus der sogenannten Zerstreuung, die meinten in Jerusalem endlich wieder Heimat gefunden zu haben. So bildeten sie Versammlungen je nach ihrer Herkunft.
Und jetzt kommt einer von ihnen, Stephanus, und will ihnen nicht nur Liebgewordenes nehmen, sondern ihr ganzes Leben, den Inhalt und Wert ihres Glaubens, den Grund ihrer Hoffnung. Sie verstehen nicht, dass Stephanus eine ganz andere Absicht hat. Er will ihnen zeigen, was wirklich Heimat bedeutet und dass Gott selbst bei ihnen Zuhause sein möchte. Genau das ist der Sinn vom Gesetz des Mose und dem Tempel in Jerusalem.
In seiner Rede beschreibt er den langen Weg, den Gott mit seinem Volk von Abraham an in Assyrien über Ägypten und dann die Wanderung durch die Wüste gegangen ist. Wie er mit Abraham war und ihm als Zeichen die Beschneidung gab, begleitete er dem Volk auf der Wanderung in der sogenannten Stiftshütte und dann nach der Ankunft im versprochenen Land mit David den Tempel – alles Zeichen, dass Gott bei ihnen wohnen und ihr Zuhause erfüllen wollte.
Worum es Stephanus geht ist, …
… seinen Zeitgenossen die Erfüllung ihrer Hoffnungen, den Sinn dieser Zeichen zu erklären. Gott hat seinen Sohn Jesus, den lang erwarteten Messias, zu ihnen gesandt. Der wiederum hat den Geist Gottes, zu denen geschickt, die sich ihm anvertraut hatten. Gottes persönliche Gegenwart im Leben von jedem einzelnen, der sich Jesus anvertraut.
Gottes Gesetz, das durch seinen Geist im Herzen, im Leben des Menschen Gestalt gewinnt und ständig an Jesus erinnert. Orientierung auf dem, sich immer verändernden Weg und Erinnerung daran, dass Jesus die ständigen Opfer beendet und Bitten um Vergebung erfüllt. Der Tempel, auch Zeichen dafür, das Gott jedem Vergebung anbietet, Heilung der Vergangenheit und einen Blick auf die Zukunft: wieder Jesus, der uns ein für alle Mal unkaputtbare Versöhnung zuspricht.
Die Zuhörer blockieren jedoch, wollen nicht weiter hören, sodass Stephanus sie am Ende seiner Predigt an die Blockadehaltung ihrer Vorfahren erinnert. Sie fühlen sich von Stephanus bedroht, nicht befreit. Sie denken, er will ihnen ihr liebgewordenes Zuhause nehmen.
Sie verstehen nicht, dass er ihnen die Liebe Gottes vormalen und dazu einladen will. Sie selbst sind doch die Liebgewordenen Gottes. Weil er sie liebt und die ganze Geschichte durch begleitet, hat er doch seinen Sohn gesandt. War das nicht die Hoffnung Abrahams, Jakobs, Moses, Davids und der Männer Gottes nach ihnen?
Doch was hat das jetzt mit uns zu tun?
Gott möchte bei uns zu Hause sein und uns gleichzeitig Heimat bieten in allen Etappen unseres Lebens. Er möchte unser Liebgewordenes erfüllen; und wenn er es nimmt, dann hat er etwas Besseres schon an der Hand. Dabei begleiten uns zwei Fragen, die uns einladen zu agieren, also in die Zukunft zu schauen und nicht bloß zu reagieren, um die Last der Vergangenheit mit uns zu tragen.
- Einmal ist es die Frage, wie wir darauf reagieren, wenn Gott uns in der einen oder anderen Etappe unseres Glaubenslebens in Frage stellt.
- Die zweite Frage ist die nach unserer Reaktion auf sein Angebot in unserem Leben und Glauben Gestalt in uns zu gewinnen, unter der Woche und im Gottesdienst – gestern, heute, morgen, in allen Veränderungen.
Wenn Gott dich in Frage stellt.
Wie reagierst du darauf? Da ist vieles, was uns lieb geworden ist, auch viel Frommes. Doch vielleicht hat das eine oder andere ein Eigenleben in uns geführt. Wenn das Fromme nicht mehr von Gottes Geist bewegt wird, kann es nicht mehr auf Jesus zeigen. Abgesehen davon, merken Außenstehende gar nicht mehr, worum es eigentlich geht.
Dabei hat Gott ja gar nichts gegen das Liebgewordene, unsere Gewohnheiten und Wünsche. Er zieht sich nur zurück, wenn wir ihm darin keinen Raum mehr geben oder wenn das, was wir lieben uns eher zerstört als aufbaut. Stephanus versucht das, seinen Lieben zu erklären: Gott ist bei dir zu Hause, wenn du dich Jesus anvertraust. Dann wirst du Tempel des Heiligen Geistes – Gott selbst mitten in Deinem Leben. Lass es zu, dich von Gott immer wieder heilsam in Frage stellen zu lassen!
Was ist deine Reaktion auf das Angebot Gottes?
Er gibt dir sein Gesetz, sein Wort, und macht dir das Angebot bei dir zu sein, dich nicht zu verlassen. Manchmal kommt uns das peinlich vor. Aber warum eigentlich?
Gottes Gesetz ist nichts, was uns einengt. Es ist das Lebendige Wort, der Leben schaffende Zuspruch von Gott für dich und mich. So drückt das Stephanus übrigens auch aus. Ist das Wort Gottes für dich Orientierung und Befreiung oder eine Sammlung von Verboten dessen, was dir eigentlich Spaß macht?
Vielleicht sollten wir uns reformieren lassen, wie Martin Luther es getan hat. Gott zeigt uns unsere Grenzen, um uns neue Türen zu öffnen. Das nennt Luther Gesetz und Gnade. Gott verbirgt sich nicht hinter unseren falschen Vorstellungen, sondern schaut hinter ihnen hervor in unsere Augen und wartet auf unsere Einladung ihn in unser Zuhause zu lassen. Er lugt auch hinter unserem Liebgewordenen hervor und blickt uns fragend an, ob er uns auch lieb haben darf.
Stephanus lädt uns sozusagen ein: Lass dich in deinen Fragen und Grenzen liebhaben von Jesus! Er möchte dein Leben erfüllen, heilen, versöhnen. Er möchte bei dir zu Hause sein.
Welche Räume, Plätze, Zeiten können wir nun in dieser so komischen Zeit anbieten, wo uns Gott in Frage stellen darf, wo wir uns aber auch lieb haben lassen dürfen von ihm? Wo sind diese Tempel des Heiligen Geistes? Suchen wir sie! Lernen wir aktiv zu agieren und nicht einfach nur passiv zu reagieren.
Das Wort Gottes, Gottes Gegenwart, will uns das zeigen. Es geht nicht um eine Stunde am Sonntag oder Mittwoch oder Freitag, die wir mit Liebgewordenem füllen müssen. Es geht um die wirkliche Gegenwart Gottes in diesen Zeiten und dann auch außerhalb davon mitten in unserem Leben.
Gott, wirklich zu Hause bei uns.