Woher kommst du? Wohin gehst du?

“Du bist ein Gott, der mich sieht.”

Das ist die Jahreslosung für dieses Jahr. Über dieses Bekenntnis, diesen Ausruf, haben wir am letzten Sonntag, an Neujahr, nachgedacht. Es ist das Bekenntnis einer Frau, die in der Bibel nur eine Nebenrolle spielt, die aber etwas erlebt, was zum Vorbild für die Männer und Frauen der Bibel wurde, die dort Hauptrollen spielen. Von Isaak haben wir gehört. Aber auch David und Jeremia erleben Gott als jemand, der sie sieht, der sie nicht vergessen hat, dem man nicht aus dem Weg gehen muss. Wenn er uns begegnet und ansieht und wir zurückschauen, ist das ein Erlebnis, das befreit und erlöst. 

“Du bist ein Gott, der mich sieht.”

Doch vor diesem erleichterten Ausruf wird Hagar mit einer doppelten Frage konfrontiert. Erst als sie sich auf diese Frage einlässt, kommt sie zu dem Bekenntnis, das sie von ihren Lasten befreit. Sie wird gefragt:

“Wo kommst du her? Wo gehst du hin?”

Für Hagar und für uns heißt das, dass Gott unsere Vergangenheit erlösen, in unsere Gegenwart kommen und uns in eine neue Zukunft führen will. 

Doch hören wir erstmal auf diesen kurzen Ausschnitt von dem Bericht, der beschreibt, was Hagar erlebt:

In der Wüste rastete Hagar bei dem Brunnen, der am Weg nach Schur liegt. Da kam der Engel des Herrn zu ihr *  und fragte sie: »Hagar, Sklavin Sarais! Woher kommst du? Wohin gehst du?« »Ich bin meiner Herrin davongelaufen«, antwortete sie. *  Da sagte der Engel: »Geh zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter! *  Der Herr wird dir so viele Nachkommen geben, dass sie nicht zu zählen sind. 

(Genesis 16,7–10 nach der Bibelübersetzung Gute Nachricht 2018) 

Diese Begegnung lässt Hagar erleichtert ausrufen: “Du bist der Gott, der mich sieht!” Gott begegnet ihr nach einem Konflikt und bereitet ihre Rückkehr vor. Dabei fordert er sie auf, ihre Situation zu reflektieren. Was hat dazu geführt? Was soll daraus wachsen? 

Genau diese Fragen bringen die Erlösung für Hagar und wollen auch zu uns sprechen.

Was ist in deiner Vergangenheit geschehen? Wie willst du deine Zukunft gestalten?

Genau das sind Fragen die Gott nicht nur Hagar, sondern auch uns hin und wieder stellt, jedem von uns. 

Zuerst verwickelt er uns in ein Gespräch. Er will mit uns reden. 

Dann hilft er uns zur Besinnung zu kommen. Er möchte uns helfen Ruhe zu finden.

Zuletzt hilft er uns zu einem neuen Aufbruch. Er fordert uns heraus und macht uns Mut. 

Gespräch, Besinnung, Aufbruch – das sind die drei Schritte, die Gott mit Hagar gegangen ist und auch mit jedem von uns gehen will.

Gespräch: Gott will mit uns reden

Manchmal müssen wir uns erst in der Wüste wiederfinden, bevor wir uns Zeit für Gott nehmen. David Wilkerson hat das in seinem Andachtsbuch mal so ausgedrückt:

Es ist unmöglich Gottes Gnade zu verstehen, bevor wir mit unseren Möglichkeiten nicht ans Ende gekommen sind und seine Barmherzigkeit erleben. 

(David Wilkerson, aus: God is Faithful, Andacht zum 5.Januar)

Hier an dem Brunnen mitten in der Wüste und auf dem Weg ins Ungewisse hat Hagar Raum und Zeit für Gott. Genau hier am Ende ihrer Möglichkeiten bleibt ihr nichts anderes mehr übrig als Gott zu begegnen. Hier lässt sie sich darauf ein. Vorher war sie viel zu beschäftigt mit sich selbst. 

Als der Bote Gottes auf sie zukommt, nimmt sie sich Zeit und lässt sich in dieses lebenverändernde Gespräch mit Gott ein. Sie schweigt nicht. Sie wendet sich nicht ab. Sie hat den Mut zu antworten. 

“Wo kommst du her? Wo gehst du hin?” 

Das und das ist mir passiert, antwortet sie. Ich bin der Herausforderung aus dem Weg gegangen, bin geflohen. Weißt du, Gott, da ist ein Mensch, der hat mir das Leben schwer gemacht. Jetzt bin ich hier in der Wüste an diesem Brunnen und will mich erfrischen. 

Etwas ähnliches passiert, als Jesus auf seinem Weg mit einer verzweifelten Frau ins Gespräch kommt. Auch sie sitzt am Brunnen. Auch sie sucht mehr als Erfrischung für diesen einzelnen Tag. Ihr Leben ist ausgetrocknet. Sie sucht nach lebendigem Wasser. Jesus bietet ihr ein erneuertes Leben an. Er antwortet ihr: 

Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird nie mehr Durst haben. Ich gebe ihm Wasser, das in ihm zu einer Quelle wird, die bis ins ewige Leben weitersprudelt.« 

(Johannes 4,13–14 nach der Bibelübersetzung Gute Nachricht 2018)

Hagar und auch diese Frau lassen sich auf das Gespräch mit Gott ein. Sie schweigen nicht. Sie lassen sich herausfordern. Jesus lässt ihre Vergangenheit nicht ruhen, bis er sie erlösen darf. 

Das macht er auch mit uns. Jesus will uns ganz. Er will nicht unser Selbstmitleid beweinen, sondern uns aus unserer Schuld erlösen. Er will uns ganz heilmachen. Dazu müssen wir uns auf ihn einlassen. 

Schweige nicht, wenn Gott dir einen Boten schickt, einen Engel, der manchmal garnicht so aussieht. Schweige noch viel weniger, wenn Jesus vor Dir steht, mit Dir ins Gespräch kommen und dich erlösen will. 

Kommen wir zur Besinnung: Gott möchte uns helfen Ruhe zu finden. 

Der Bote Gottes hält Hagar den Spiegel vor: “Nimm dir doch mal die Zeit zu reflektieren, deine Situation, dich selbst anzuschauen. Fahre mal ganz runter. Komm zur Ruhe vor Gott. Nimm dir die Zeit.

Hagar macht das. Sie fühlt sich nicht bedroht, sondern eingeladen und spürt die freundliche Ansprache Gottes. Als sie in den Spiegel guckt, sieht sie sich als jemand, die geflüchtet ist. Ich bin Hagar, die die Herausforderung nicht angenommen hat. Ich bin die Magd Sarais, die ihre Chefin gemobbt hat. Ich bin die Frau, die von ihr tief verletzt wurde. Ich fühle mich missbraucht. Ich schaue mich an: hochschwanger und in der Wüste. Das bin ich und noch viel mehr.

Wer bist Du? Wer bin ich? Wer sind wir? 

Hagar kommt auf jeden Fall gut weg. Sie beschreibt ihre Situation und verschweigt gleichzeitig auch nicht das Problem. Mittendrin sucht sie Erlösung. 

Am Anfang der Bibel lesen wir von einer ähnlichen Begebenheit. Adam und Eva haben alles verbockt. Als sie hören, wie Gott auf sie zukommt, beruhigt sie das nicht, wie Hagar. Sie machen sich jetzt erst recht aus dem Staub. Sie verstecken sich, gehen dem Problem als auch der Lösung aus dem Weg. Als Gott nicht loslässt, entschuldigen sie sich auf Kosten anderer. Sie schauen nicht in ihren eigenen Spiegel, sondern halten ihn anderen vor. Hagar dagegen kommt zur Besinnung, fasst Mut und beschreibt das Problem. Sie geht ihm nicht aus dem Weg. Und so kommt sie zur Ruhe und erlebt dazu noch Erlösung. 

Gott will uns helfen. Dazu müssen wir uns auf ihn einlassen. Er gibt uns die Hand. Wir müssen sie annehmen. Er spricht uns an. Wir müssen mit ihm reden. Er blickt uns an. Wir sind eingeladen uns ihm zuzuwenden. 

Auf wen sehen wir? Auf wen hören wir? Wen spüren wir? Auf wen lassen wir uns ein?

Gott lädt uns ein zur Ruhe zu kommen mitten in noch ungelösten Problemen. 

Das führt uns zum Aufbruch: Gott macht uns Mut 

Wenn Gott uns Mut macht, fordert er uns auch heraus. Er lädt uns ein das Unerwartete zu wagen und Altem ganz neu zu begegnen. Diese doppelte Frage: “Wo kommst Du her? Wo gehst Du hin?” fordert uns heraus uns nicht nur der Gegenwart zu stellen, sondern auch die Vergangenheit aufzuarbeiten. Gott will uns ganz erlösen und nicht nur ein Teil von uns, einen kleinen Ausschnitt. Wie macht er das? 

Er geht erstmal auf unsere ganz natürlichen Bedürfnisse ein. Hagar lässt er einen Brunnen finden. Später in ihrem Leben in einer ähnlichen Situation macht er es genauso. Gott macht uns Mut in genau der Situation, in der wir uns befinden. Das können manchmal ganz natürliche Dinge sein: eine nette Begegnung, ein freundlicher Blick, das Zwitschern von einem Vogel, die unerwartet niedrige Stromrechnung und so weiter und so weiter … 

Gott will uns für’s Heute auf ganz natürliche Weise erfrischen. Er will aber noch mehr. Er gibt sich nicht mit unserem Heute zufrieden. Er will unser Gestern und Morgen. Deswegen schickt er Hagar einen Boten, der sie daran erinnert. 

Für den Augenblick erfrischt, öffnet sich Hagar der Ansprache Gottes. Das finden wir immer wieder in der Bibel. Elia, Vorbild aller Propheten, die später noch kamen, erlebt ähnliches. Auch er auf der Flucht müde, verzweifelt und mitten in einer Depression. Mittendrin begegnet ihm Gott, lässt ihn schlafen, essen, schlafen, essen, schlafen, essen; und dann wird er ganz persönlich. Er fragt auch ihn: “Was machst du hier?” Dann fordert auch er ihn heraus: “Geh los und mach dich auf! Du hast einen langen Weg vor dir. 

Elia lässt sich darauf ein, Hagar auch. Sie geht zurück ordnet sich in den Alltag ein. Aber sie geht verändert und mit einem großen Versprechen: “Der Herr wird dir so viel Nachkommen geben, dass sie nicht zu zählen sind.” Die Magd Hagar wird zur Stammmutter eines großen Volkes. Gott gibt Hagar eine neue Zukunft, Freiheit sie zu gestalten und sich von Gott begleiten zu lassen. Genau das ist es auch, was er uns anbietet, wenn er uns begegnet. 

Gehe in eine neue Zukunft. Nimm dir die Freiheit sie zu gestalten. Lass Dich von Gott begleiten. Gib den Packen an Vergangenheit aber ganz bewusst und konkret bei Gott ab. Erwarte nicht, dass es ohne Gespräch mit ihm und seinen Boten geht. Lass dich heute erlösen vom Vergangenen und gehe in eine erneuerte Zukunft. 

Lass Dich segnen von dem Gott, der Dich sieht und mit Dir ins Gespräch kommen will. Nimm Dir die Zeit dafür. Es lohnt sich. Dazu muss man nicht erst in die Wüste gehen.