Worte oder Taten? (Apostelgeschichte 6,1-7)

Predigtmanuskript

Die junge Gemeinde der Christen ist in Jerusalem so plötzlich entstanden und so stark am Wachsen, dass es nicht ohne Probleme abgeht. In Jerusalem ist es damals schwierig, die Jesusjünger zu übersehen. Es sind inzwischen zu viele.

So werden sie ständig beobachtet, von den einen argwöhnisch, von den anderen neugierig. Manche finden die Gemeinde beängstigend, vielleicht einengend oder sogar bedrohlich. Wieder andere finden sie interessant.

Lukas berichtet das sehr eindrücklich mit prägnanten Berichten und längeren Predigteinschüben. Dabei übergeht er auch nicht die Herausforderungen, mit denen die Gemeinde konfrontiert wird. Er verschleiert oder beschönigt das Unangenehme nicht.

Zuerst werden die Jesusjünger von außen bedroht. Sie merken: Christsein hat seinen Preis. Einschüchtern lässt sich die Gemeinde aber nicht. Jesus ist ihnen viel mehr wert. Ein anderes Mal kommt die Bedrohung von innen. Es geht darum, ehrlich mit sich selbst und vor Gott zu bleiben. Das ist manchmal schmerzhaft, aber doch so notwendig, merken sie. Schließlich berichtet Lukas von einer dritten Herausforderung. Menschen, die fest zur Gemeinde gehören, werden vergessen. Verletzt fangen sie an im Hintergrund zu murren. Sind die schönen Predigten der Apostel über Jesus nur leere Worte?

Später kommen noch andere Herausforderungen hinzu. Heute geht es um Letzteres; nämlich ob unser Christsein nur aus leeren Worten besteht oder auch zu Taten führt, ob unsere frommen Worte im Leben auch sichtbar werden.


Textlesung: Apostelgeschichte 6,1-7 (Neue Genfer Übersetzung)

1 Die Zahl der Jünger wuchs unaufhörlich.

Allerdings wurden in dieser Zeit auch Klagen innerhalb der Gemeinde laut, und zwar vonseiten der Jünger, die aus griechischsprachigen Ländern stammten. Sie waren der Meinung, dass ihre Witwen bei der täglichen Versorgung mit Lebensmitteln benachteiligt wurden, und beschwerten sich darüber bei den einheimischen Jüngern.

2 Da beriefen die Zwölf eine Versammlung aller Jünger ein und erklärten: »Es wäre nicht gut, wenn wir Apostel uns persönlich um den Dienst der Verteilung der Lebensmittel kümmern müssten und darüber die Verkündigung von Gottes Botschaft vernachlässigen würden. 3 Seht euch daher, liebe Geschwister, in eurer Mitte nach sieben Männern um, die einen guten Ruf haben, mit dem Heiligen Geist erfüllt sind und von Gott Weisheit und Einsicht bekommen haben. Ihnen wollen wir diese Aufgabe übertragen. 4 Wir selbst aber werden uns weiterhin ganz auf das Gebet und den Dienst der Verkündigung des Evangeliums konzentrieren

5 Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, und die Gemeinde wählte folgende sieben Männer aus: Stephanus, einen Mann mit einem festen Glauben und erfüllt vom Heiligen Geist, Philippus, Prochorus, Nikanor, Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Nichtjuden aus Antiochia, der zum Judentum übergetreten war. 6 Man ließ sie vor die Apostel treten, und die Apostel beteten für sie und legten ihnen die Hände auf.

7 Die Botschaft Gottes breitete sich immer weiter aus, und die Zahl der Jünger in Jerusalem stieg sprunghaft an. Auch zahlreiche Priester nahmen das Evangelium an und glaubten an Jesus.


Das sind ja nur leere Worte!

So meint man es hinter verschlossenen Türen oder sogar auf den Gassen Jerusalems zu hören.

Die Christen, die so fromm sein wollen, sind auch nur am Frömmeln. Laute Predigten, große Spektakel, die sie Wunder nennen. Mittendrin aber Heuchelei und verschlossene Augen für die Nöte der Schwachen.

Das war vor knapp 2000 Jahren, ist aber so aktuell.

Der christliche Glaube ist ja eine schöne Theorie. Der Lebenspraxis ist er aber nicht gewachsen. Eine Utopie für die Schwachen, die sich nicht erfüllen wird. Die Hoffnung auf ein späteres, erfülltes, ewiges Leben, purer Selbstbetrug.

Dabei waren es damals nicht nur die Außenstehenden, die ihren Unmut äußerten. Die Unzufriedenheit wuchs mitten in der Gemeinde. Das sind Beobachtungen, denen wir uns stellen müssen. Die Augen davor zu verschließen gilt nicht.

Wir dürfen uns aber auch einer anderen Wirklichkeit stellen, nämlich vor den lebendigen Gott und seine Kraft, vor den auferstandenen Jesus und seine liebende Barmherzigkeit, vor den Heiligen Geist, der uns im Auf-und-ab und durch dick und dünn begleitet. Letztendlich stehen wir vor Gott. Ihm sind wir vor allen anderen verantwortlich. Genau das ist es, was uns hilft Herausforderungen anzunehmen und uns Problemen zu stellen.

Das tun die zwölf überforderten und überlasteten Apostel, die Männer der großen Worte und Wundertaten. Und im Verlauf dessen sehen wir, dass Menschen um so mehr Vertrauen fassen. Sie merken, dass den schönen Worten auch konkrete Taten folgen. Das Verhalten der Apostel passt zu ihren Worten.

Der Glaube an Jesus ist also auch etwas für das Diesseits. Er hilft auch in unangenehmen Situationen. Unzufriedenheit breitet sich oft leise aus, kann aber Gott sei Dank nicht wie ein Krebsgeschwür verborgen bleiben und ihr Opfer töten, wenn es auf Jesus schaut. Die Augen werden vor Fehlern nicht mehr verschlossen. Man darf sie benennen, lässt die Angeklagten aber auch nicht nackt dastehen. Glaube bedeutet Korrektur von Fehlern und Heilung von Verletzungen.

Das merken viele Menschen in Jerusalem und nehmen diesen Glauben an, vertrauen sich Jesus an, der für ihre Schuld, aber auch ihre Verletzungen gestorben ist. Der das alles ans Kreuz getragen hat, wie der Mann Gottes Jesaja es schon lange vorher erahnt und darauf gehofft hatte. Echter Glaube funktioniert. Das fällt den Umstehenden, den noch Außenstehenden auf:

  • Sie sehen Christen, die kritikfähig sind.
  • Sie sehen Christen, die feste Grundsätze haben, aber alle mit in den Lösungs- und Entscheidungsprozess einbeziehen.

Das sind also doch nicht nur leere Worte!

Sie sehen Christen, die kritikfähig sind. Sie lassen sich hinterfragen, erkennen ihre Grenzen und bekennen ihre Fehler. Ja! Sie haben wirklich die am Rande stehenden übersehen. Das war nicht beabsichtigt, ist aber passiert.

Die griechischsprechenden Juden hatten lange im Ausland gelebt oder waren dort geboren. Irgendwann sind sie nach Jerusalem gezogen, um nahe am Tempel, dem Zeichen der Gegenwart Gottes und seiner Treue ihren Lebensabend zu verbringen und genau dort zu sterben. Sie gründeten auch eigene Synagogen.

Als sie aber Christen werden, können sie nicht mehr auf die Sozialleistungen ihrer Synagoge zählen. Gleiches passiert natürlich auch den einheimischen, hebräischen Juden, die ihr Leben Jesus anvertrauten. Der Unterschied war, dass die Hebräer in ihrer Not sichtbarer waren, als die Zugezogenen.

Gut erzogen, wie sie sind, fangen sie nicht laut an zu meckern und ihre Rechte einzufordern. Sie warten bemerkt zu werden. Doch je länger, desto tiefer fühlen sie sich verletzt. Sie vertrauen sich einander an, aber nicht den anderen. Sich beleidigt zurückzuziehen ist aber keine Lösung. Gott sei Dank, geht das nicht lange gut. Die Apostel hören schließlich davon und bekennen ihre Fehler.


Haben auch wir Mut Kritik anzunehmen, uns hinterfragen zu lassen und auch Fehler zu bekennen! Die Apostel leugnen ihren Fehler nicht, geben anderen auch nicht die Schuld. Sie wissen, dass Jesus nicht zu Fehlerlosen gekommen ist, sondern um Fehler aufzudecken und heilsame Korrektur anzubieten. Sich daran festzuhalten ist wahrhaftig mutig, manchmal auch unangenehm, aber eben genauso unheimlich heilsam mit Jesus an der Seite.


Es ist leicht, sich hinter den scheinbaren oder wirklichen Fehlern anderer zu verstecken und so das eigene Verhalten zu echtfertigen. Aber das gilt nicht. Meine Nase sitzt in meinem Gesicht und nicht in der meines Gegenübers.

Die Außenstehenden sehen auch Christen, die feste Grundsätze haben, aber alle mit in den Entscheidungsprozess einbeziehen. Vertrauen in demokratische Prozesse ist immer ein Geschäft mit Risiko. Die Apostel binden ihr Vertrauen und den Prozess, den sie in Gang bringen, jedoch an feste Kriterien, an denen christliche Gemeinde steht oder fällt; auch die Mitarbeiter und Leiterschaft.

Lukas beobachtet das immer wieder. Der Heilige Geist muss regieren und prägen und leiten nicht nur die Gemeinde als Ganzes, sondern jeden persönlich.

Es ist der Heilige Geist, dessen Handeln Lukas in der Apostelgeschichte so eindrücklich beschreibt und Paulus in seinem Brief an die Galater so praktisch vormalt (Gal 4,23 – NGÜ):

Die Frucht hingegen, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, * Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung. Gegen solches Verhalten hat kein Gesetz etwas einzuwenden.

Jakobus spricht in diesem Zusammenhang in seinem Brief (Jak 3,13-18) von Weisheit, eine Lebensführung, die von Gott selbst, von Jesus, erfüllt und geprägt ist. Alle Entscheidungen, die getroffen werden, müssen sich daran messen. An den Zeichen des Heiligen Geistes und der Weisheit von Gott. Die Apostel entscheiden also nicht über die Köpfe anderer hinweg, machen aber auch deutlich, dass es feste Kriterien gibt, die in der Gemeinde gelten.

Ohne den Geist Gottes, Jesus selbst, in der Mitte dürfen keine Entscheidungen gefällt werden. Niemand anders kann Glauben schaffen, Einheit bewahren, Fehler korrigieren, Heilung bringen.

Lukas deckt dabei ein Geheimnis auf

Die Christen damals, ganz besonders aber die Leiter der Gemeinde, sehen sich als Diener und Jesus als Herrn. Gebet, Verkündigung, Leitung ist genauso ein Dienst, wie auch Hilfe leisten und zu organisieren. Jesus dabei ist das Vorbild. Er betete allein für sich, aber auch mit seinen Nachfolgern und ganz konkret am Bett der Kranken und auf der Straße für die Aussätzigen. Die Apostel ziehen sich also nicht zurück in einen schönen Elfenbeinturm. Sie gehen wie Jesus auf staubigen Straßen und laden uns dazu ein. Diakonie, das Wort für Dienst, hat genau diese versteckte Wortwurzel: durch den Staub gehen. Als Christen lassen wir uns von Jesus aber auch die Füße waschen, in der Taufe sogar vollständig.

Jesus überlässt uns nicht den staubigen Herausforderungen und knirschenden Problemen. Er sendet seinen Heiligen Geist, um Menschen aus dem Staub zu heben und neu zu machen, reinzuwaschen, ganz rein, ganz neu.

Das ist es, was wir von der Jerusalemer Gemeinde lernen dürfen. Sie lässt den Heiligen Geist öffentlich an sich handeln, Weisheit schenken, und beobachtet dann, wie Menschen zum Glauben kommen, sogar fromme Priester, die jetzt verstehen dürfen, wozu und zu wem sie und wir auch berufen sind: Jesus!

Amen!