Anders und doch gleich – Über Schatten und Tellerand

Predigtmanuskript

Einleitung des Gottesdienstes

Verschiedene Teller und Schalen als Wohnorte. Wo würdet Ihr am ehesten wohnen wollen, wenn Ihr Euch eins aussuchen müsstet? 

Der eine mag die Weite und die andere den Schutz, wieder andere die Sicherheit dazwischen. Wenn es aber darum geht, über den Tellerrand hinweg zu schauen, wird es spannend. Denn auch den Flachtellerbewohnern fällt es nicht leicht sich auf die Tieftellerbewohner einzulassen oder dem Sicherheitsbedürfnis der Schalenmenschen zu begegnen. Es geht eben nicht nur darum über den Rand zu schauen, sondern sich mit dem anderen hinzusetzen und sich auf ihn einzulassen. Das ist wirklich abenteuerlich.

Das führt uns zum nächsten:

Habt Ihr schonmal versucht, über Euren Schatten zu springen? Also, nicht nur im übertragenen Sinn, sondern echt. Jeder merkt dann natürlich, dass das gar nicht geht. Aber das Spiel ist schon lustig. 

Manche Lebenssituationen laden uns dazu ein das eine wie auch das andere zu tun - sogar als Christen - oder vielleicht besonders als solche. Was aber gibt uns Sicherheit in dem allen? Wo finden wir den Boden, der uns in der einen, wie in der anderen, in der alten, wie auch in der neuen Situation Halt gibt? Gibt es das überhaupt? Ist das alles nötig? Lassen wir uns überraschen.

Predigt

Heute geht wieder um das Thema: Anders und doch gleich. Heute besonders darum, wie Menschen es gewagt haben, nicht nur über den Tellerrand hinauszuschauen, sondern sich auch in andere Teller und Schalen zu begeben. Irgendwie scheint es sogar so, dass sie es erleben über ihren eigenen Schatten zu springen. Aber, wenn wir uns das näher anschauen, ist das gar nicht so. Dafür lernen sie, sich in den Schatten eines anderen zu stellen und darin zu bleiben - also nicht in der Schale, sondern im Schatten. 

Schauen wir doch mal, was Lukas uns in der Apostelgeschichte berichtet. Dabei lässt er die Apostel mal ganz links liegen. Nach ein paar herausfordernden, aber guten Jahren voller Segen, scheint die Gemeinde in Jerusalem zu zerbrechen. So einige Probleme haben sie angehen und lösen können. Nun aber werden die Christen immer mehr als Bedrohung wahrgenommen und leiden schwere Verfolgung. Wenn auch nicht alles zerstört scheint, dann doch vieles. Stephanus, einer der wichtigsten Leiter neben den Aposteln, wird umgebracht. Und während der Ereignisse, von denen wir gleich hören, wird Petrus ins Gefängnis gesetzt und der Apostel Jakobus ohne groß Aufhebens hingerichtet. 

Was berichtet uns Lukas in dieser Zeit über die Gemeinde?

Die von der Gemeinde, die in der Verfolgungszeit nach der Ermordung von Stephanus aus Jerusalem geflohen waren, kamen zum Teil bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia. Sie verkündeten die Botschaft Gottes zunächst nur unter den Juden. 20 Aber einige von ihnen, die aus Zypern und Zyrene (Kyrene) stammten, kamen nach Antiochia und verkündeten dort auch den Nichtjuden die Gute Nachricht von Jesus, dem Herrn. 21 Gott stand ihnen zur Seite, sodass viele Menschen zum Glauben kamen und Jesus als den Herrn annahmen. 

22 Die Gemeinde in Jerusalem hörte davon, und die Apostel schickten Barnabas nach Antiochia. 23 Als er hinkam und sah, was Gott dort gewirkt hatte, freute er sich. Er machte allen Mut und bestärkte sie in ihrem Vorsatz, dem Herrn treu zu bleiben. 24 Denn Barnabas war ein tüchtiger Mann, erfüllt mit dem Heiligen Geist und mit lebendigem Glauben. Gott führte der Gemeinde immer mehr Menschen zu. … 26 ... Hier in Antiochia kam für die Jünger und Jüngerinnen zum ersten Mal die Bezeichnung »Christen« auf. 

(Apostelgeschichte 11,19–26 nach der Gute Nachricht Bibel von 2018)

Das ist schon beeindruckend. In Antiochia passiert dasselbe, wie in Jerusalem am Anfang. Dieselben Dynamiken, die in Jerusalem galten, passieren offensichtlich auch ganz woanders. Jerusalem als Zentrum des Judentums und Antiochia als eine der größten multikulturellen und multireligiösen Metropolen der damaligen Welt. Gott handelt an total unterschiedlichen Menschen. Immer ist aber etwas gleich.

Schon ganz früh war man sogar der Meinung, dass Lukas aus Antiochia stammte und dort zum Glauben kam. Er war kein Jude und hörte als Arzt vielleicht durch diese Flüchtlinge von Jesus. Auf jeden Fall gab es eine ganze Menge Juden in der Stadt, und so einige Nichtjuden hatten schon den jüdischen Glauben angenommen. 

Genau in diese vorbereitete, aber ganz neue Situation kommen nun die verfolgten Christen und versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen. Für einige war es nicht das erste Mal, dass sie umziehen müssen. Sie sind ursprünglich aus Nordafrika, dem Libanon und Zypern. Aber diesmal ist es etwas anderes. Der Preis durch die Verfolgung ist hoch. Sind sie vorher freiwillig gegangen, machen sie sich jetzt gezwungenermaßen auf die Reise. 

Ihnen bleibt nichts weiter über, als über ihren Schatten zu springen. Sie sind gezwungen, nicht nur über ihren Tellerrand zu schauen, sondern auch in einen neuen hinein zu springen. Sie müssen sich in einem ganz neuen Umfeld zurechtfinden. 

Weil jeder Mensch Sicherheiten braucht, suchen die meisten der Flüchtlinge auch Menschen, die ihnen ähnlich sind. Die Menschen mit jüdischem Hintergrund finden deswegen zuerst auch Juden. Man teilt gemeinsame Werte, Erfahrungen, ähnliche Sehnsüchte und Träume. Das ist eine ganz natürliche Sache.

Andere lassen sich dagegen auch auf Nichtjuden ein. Sie wollen neu anfangen. Sie sind Christen geworden und wollen das Alte jetzt ganz hinter sich lassen. Das war in Antiochia einfacher. Denn die Mehrheit der Bevölkerung war ja nichtjüdisch. Mit Griechisch kam man da ganz gut durch, auch wenn es in der Stadt von Ausländern wimmelte. Die geflüchteten Christen hätten also ganz einfach untertauchen können. 

Das meiste ist also anders. Was bleibt aber gleich?

Die Flüchtlinge haben viel verloren, manche mehr, manche weniger. Was ihnen aber trotz der Probleme und Enttäuschungen keiner nehmen konnte, war das Vertrauen auf Jesus. Es war Jesus selbst. Er würde sie nicht verlassen, wohin sie auch gehen müssten. Das war die beste Nachricht. Und von der Guten Nachricht von Jesus erzählen sie dann auch den neuen Menschen beim Kennenlernen. 

Sie haben Jesus Christus im Gepäck. Er ist aber keine Last. Und das Erzählen von ihm, ist keine zusätzliche Aufgabe. Es ist vielmehr so, dass Jesus sie im Gepäck hat. Sie spüren und erleben, dass Jesus sie trägt. Und so bringt sie Jesus zu ihren neuen, ganz anderen, fremden Mitmenschen. Auf diese Weise bringen sie Jesus ganz natürlich mit, wohin sie auch gehen. 

Später beschreibt das Paulus mal als Körper und beweglicher Tempel. Jesus ist nicht nur der Kopf, sondern erfüllt jedes Körperteil. Und wie Gott im Tempel wohnt, lebt Jesus in denen, die ihm im Leben und Sterben vertrauen. Jesus ist also keine Last, sondern untrennbarer Bestandteil der Christen.

Was passiert dann im Verlauf?

Immer mehr Menschen lernen diese Leute kennen, die von Jesus reden und mit ihm leben. Viele beginnen, sich für die Christen zu interessieren und sich Christus anzuvertrauen. Sie werden Christen. Aber selbst die, die von diesem Christus nichts wissen wollen oder genug haben, merken eins. Da sind Leute in die Stadt gekommen, die ständig von Jesus Christus reden. Und weil das so ist, bekommen diese Neuen auch einen Spitznamen. Sie werden Christen genannt. 

Christus war für die griechisch sprechenden Menschen in Antiochia kein Fremdwort. Sie hörten immer von einem Gesalbten sprechen, von einem Christus. Es ging bei Jesus also um einen Mann mit Herrschaftsanspruch und bei seinen Anhängern um Menschen, die ihm nachfolgen und sich von ihm bestimmen lassen, die also auch gesalbt sind, die stolz sind  zu genau diesem Christus zu gehören.

Die Menschen in Antiochia merken, dass es sich um eine alternative Herrschaft handelt. Sie ist offen und einladend. 

Doch dann kommt für alle die Entscheidung, nicht nur über den Tellerrand zu schauen, sondern den Teller zu wechseln. Sie merken nämlich selbst, dass diese Christen bereit sind sich auf Neues einzulassen. Was sie aber dazu bringt den Teller oder die Schale zu verlassen, ist nicht der Spaß an Veränderungen. Es ist Jesus Christus. Er zieht sie rein in seine Herrschaft, in seine Welt. Die Leute in Antiochia sind neugierig und lassen sich auf etwas ganz Fremdes für sie ein. 

Gott hatte sie schon vorbereitet. Es war nicht so, wie bei Kornelius oder vorher schon beim äthiopischen Finanzminister. Aber sie hatten schon einen Vorlauf ohne, dass das jemand gemerkt hätte. Was dann passierte, war aber für alle überraschend. 

Da passiert etwas ganz Neues. 

Das merken auch die Christen in Jerusalem. Und die werden neugierig. Sie platzen förmlich, aber nicht aus Eifersucht, sondern aus Neugierde darauf, was Gott woanders tut. Sie sind bereit, sich auf Anderes einzulassen und Begegnung zu wagen. Es geht ihnen nicht darum Fremdes zu kontrollieren. Sie wollen Gottes Handeln und Segen entdecken. Und das passiert dann auch.

Es ist so spannend, Gott handeln zu sehen und sich darüber auszutauschen.

Sie blicken also nicht nur über den Tellerrand. Sie laden andere auch nicht in ihren Teller ein. Sie verlassen ihre Schale und begeben sich in die anderer. Wichtig ist nicht der Teller, sondern die Suppe, die darin ist. Denn vom Teller kann man nicht leben, von der Suppe schon. Wichtig ist, dass die Suppe genießbar ist. Dann lassen sie sich gerne einladen mitzuessen. Worum geht es dabei? 

Lukas entdeckt die Basis, die unverzichtbare Zutat, Jesus Christus, ihn selbst und die Gute Nachricht, die von ihm ausgeht. Er sieht hin und merkt, dass die Menschen, die nicht zur Gemeinde gehören auch gemerkt haben, was die Leute in der Gemeinde treibt, was ihnen ihren besonderen Geschmack gibt, wer sie prägt, von wem sie sich bestimmen lassen und an wem sie sich orientieren. Immer wieder und überall hören sie von diesem Jesus Christus reden. Deswegen nennen sie die Gemeindemenschen auch Christen. 

Die Christen damals können uns heute noch motivieren. 

Deswegen berichtet Lukas uns davon, was damals passierte und was er auch selbst erlebte. 

Jesus ist keine Last. Er trägt uns. Unsere Mitmenschen, so anders sie vielleicht auch sind, sind Geliebte Gottes. Er ist schon dabei, sie vorzubereiten. Tauchen wir ein in ihr Leben und bringen wir Christus mit. Laden wir sie  im Verlauf ein gemeinsam mit uns etwas Neues zu beginnen. Das heißt, auch wir beginnen etwas Neues, aber eben mit Christus zusammen.

Es gibt nicht viele Menschen auf der Welt, die sich gerne ständig auf Neues einlassen wollen. Jeder weiß, dass solche Zeiten stressig sind. Manchmal ist es trotzdem gut das Wagnis im Vertrauen auf Gott einzugehen. 

Was wäre vielleicht Dein persönlicher Teller, Deine Schale, über die Du gerade schaust? In welchen Teller schaust Du gerade?

Ich denke, schon der Blick ist der erste Schritt. Wie der konkrete Schritt dann aussieht oder wie groß er ist, ist eine ganz andere Frage. Bei den Flüchtlingen damals war es ja auch nicht so, dass sie erpicht waren den Teller ihres Lebens zu verlassen. Die einen machten einen großen Sprung, die anderen einen kleinen. Beim Springen wussten sie sich aber von Jesus gehalten.

Letztendlich geht es nicht darum über seinen eigenen Schatten zu springen, sondern im Schatten von Jesus zu bleiben. Es ist ein heilender Schatten. Er kühlt in der Hitze der Auseinandersetzung, der Ungewissheit, des Zweifels und des Unterwegsseins. Er lässt sehen worum es eigentlich geht und wie und wo Gott handelt. 

Genau das machte Barnabas und alle anderen dann froh.

Schauen wir doch mal, wohin uns Christus trägt! Ich bin gespannt.