Neue Perspektiven… Was soll ich tun? (1)

Predigtmanuskript

Heute soll es weiter gehen mit der Reise durch den Jakobusbrief. Er lädt uns den ganzen Brief hindurch ein uns auf neue Perspektiven einzulassen. Heute geht es um die Frage: “Was soll ich tun?” und die erste von mindestens zwei Antworten, auf diese konkrete Frage. Da lesen wir:

Wenn es aber jemandem unter euch an Weisheit mangelt, so bitte er Gott, der jedermann gern und ohne Vorwurf gibt; so wird sie ihm gegeben werden.
(Jakobus 1,5 nach der Übersetzung der Lutherbibel von 2017)

“Falls jemand von euch nicht weiß, was der Wille Gottes in einer bestimmten Sache ist, soll er um Weisheit bitten. Ihr wisst doch, wie reich Gott jeden beschenkt und wie gern er jedem hilft. Also wird er auch euer Gebet erhören.
(Jakobus 1,5 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle, Version 1996)

Ich glaube, jeder kennt diese Situation - oder vielleicht fast jeder. Es soll ja Menschen geben, die nie daran zweifeln, was sie tun. Entschuldigt bitte, wenn ich das ein bisschen auf die Spitze treibe. Jakobus zumindest kennt solche Menschen; und hier scheint es so, dass er sich selbst mit den Ratlosen identifiziert.

Da steht man mit offenem Mund oder sitzt mit geschlossenem auf dem Sofa und weiß nicht wirklich weiter. Das kann eine Frage sein, die einen schon länger begleitet. Vielleicht ist es aber auch eine Situation, die plötzlich über einen gekommen ist. Man sucht nach einer Antwort oder Erklärung, wird aber nicht fündig.

Vielleicht ist da etwas in der Familie so ganz schief gegangen. Man selbst oder jemand anderes von seinen Lieben, oder inzwischen nicht mehr so ganz Lieben, hat da was gemacht, was die Beziehung gestört hat.

Wie kommen wir da raus?

Vielleicht ist es aber auch die Berufswahl oder die Frage, was man studieren soll oder welche Ausbildung man beginnen möchte. Das war übrigens Thema in zwei unserer Jugendgottesdienste der letzten 12 Monate. Kann aber auch sein, dass man schon Jahre dasselbe gemacht hat. Jetzt schleicht sich der Eindruck ein, dass ein Wechsel dran wäre. Es sind also nicht nur Jugendliche, die sich solche Fragen stellen und nach konkreten Antworten suchen und fragen.

Vielleicht sind es aber auch Fragen, die uns als Gemeinde, als Landeskirchliche Gemeinschaft betreffen, Einzelne oder Mehrere.

Oder es sind einfach die Entscheidungen im alltäglichen Leben, die man treffen muss, aber über das normal Übliche hinausgehen.

Was soll ich tun?

Das ist die große Frage, die man manchmal gar nicht laut zu stellen wagt. Trotzdem, oder vielleicht deswegen, brennt sie um so mehr unter unseren Nägeln.

Viele bleiben dann aber im Fragen stecken. Sie schauen auf die Frage und konzentrieren sich auf das Problem. Problemorientiert bleiben sie in der Situation stecken. Andere suchen konsequent nach klaren Antworten und suchen nach der Lösung, komme was wolle. Lösungsorientiert preschen sie voran.

Jakobus kennt das. Wenn wir uns mit seinem ganzen Brief beschäftigen, fällt uns genau das auf. Allerdings enttäuscht er den einen oder anderen Leser in seinen Erwartungen. Er weigert sich nämlich Stein auf Bein sich einerseits von Problemen gefangen nehmen zu lassen. Andererseits ist er auch überhaupt nicht bereit einfache Lösungen anzubieten.

Jakobus ist kein Magier, der unser Leben oder unseren Glauben verzaubern will. Er lädt uns dafür ein, uns den Herausforderungen zu stellen. Er möchte, dass wir unseren Glauben ernst nehmen.

Das füllt seinen ganzen Brief. Immer neu wiederholt er, was er vorher schon angesprochen hat. Die Themen, auf die er am Anfang eingeht, spricht er später wieder neu und vertieft an. Er arbeitet sie nicht konsequent und analytisch nacheinander ab. Für ihn kann man das eine von dem anderen nicht trennen. Man darf es noch nicht einmal. Das Leben ist viel zu komplex für simple und oberflächliche Lösungen. …und abgesehen davon viel zu wertvoll.

In der augenblicklichen Pandemie sehen wir, wie schwer es ist, Entscheidungen zu fällen, die allen gerecht erscheinen. Ich bin wirklich erleichtert, wenn Politiker und andere Entscheidungsträger zugeben, dass sie nicht alles richtig gemacht haben. Vorher konnte man alles schön nacheinander abarbeiten - oder man meinte zumindest es machen zu können. Doch plötzlich steht man vor einem Problem, dass den Blick auf die Zusammenhänge fordert, ja erzwingt.

Da stellt sich die Frage:

Wo ist der, der die Zusammenhänge im Blick behält? Wo ist der, der überhaupt alles zusammenhält? Wo ist auch der, der es wirklich gut mit uns meint?

Jakobus wendet unseren Blick genau auf diese Frage; und diese Frage beantwortet er. Er ist der Meinung, dass man ohne die Antwort auf genau diese Frage keine heilsame Lösung finden kann.

Er sagt sozusagen:

Du musst einen Punkt finden, der Dir in Deinen Fragen Halt gibt, auf den Du in Deiner Ratlosigkeit Deinen Blick werfen kannst. Das ist es, was Ruhe in Deine Unruhe bringt.

Er weigert sich also ganz klar uns vorzugaukeln, es gäbe immer die eine richtige Entscheidung. Die Frage: “Sag mir doch, was ich (konkret) tun soll!” beantwortet er nicht.

Deswegen lenkt Jakobus unsere Frage nach dem: “Was soll ich tun?” auf die Frage nach dem: “Worauf und besonders an wen orientiere ich mich? (in meinen Entscheidungen)

Jakobus enttäuscht auf den ersten Blick, lässt uns aber auch nicht allein in unseren nicht erfüllten Erwartungen.

Er lädt uns ein Gott kennenzulernen.

Er macht ganz klar, an wem wir uns orientieren sollen. Jakobus lenkt unseren Blick also vom Problem weg nicht zuerst auf die Lösung, sondern auf den Erlöser, auf den, der die Lösung selbst ist.

Er sagt:

Du brauchst jemand, der zuverlässig ist, der Halt gibt, der Dich zur Ruhe bringen kann. Du musst vom Rand des Sturms in sein Auge. Den Sturm kannst Du nicht verhindern. Aber im Sturm der ungelösten Fragen, der Anfechtungen, der Versuchungen, der Eifersucht, der Enttäuschung, der ungewissen Zukunft bietet Dir Gott Halt im Glauben an Jesus Christus.

Deswegen hat Jakobus seinen Brief mit ihm angefangen. Gottes Diener ist er, Diener des Herrn Jesus Christus. Er ist es, der seinem Leben eine neue Qualität gibt, einen Wert, der durch nichts übertroffen werden kann. Er ist sein Herr, dem er gehorsam sein will. Weil er der Herr ist, der ihn nicht loslässt, wenn es stürmt. Gott lässt uns eben nicht wie ein Blatt im Wind herumwehen.

Wenn ich ihm diene, diesem Gott, der sich durch Jesus Christus fassbar gemacht hat und als Herr unser Diener geworden ist, erkenne ich, dass mein Leben einen neuen Wert bekommen hat.

Jakobus beschreibt Gott als jemand, zu dem ich mit meiner Ratlosigkeit nicht nur kommen soll, sondern sogar darf.

Gott ist ein Gott der Ratlosen, nicht ein Gott der Ratgeber.

Er ist ein Gott der Durstigen, der Wissensdurstigen, derer, die nicht nur Lösungen wollen, sondern den Erlöser selbst.

Gott schaut nicht spöttisch auf uns herab, wenn wir zu ihm kommen. Er ist nicht enttäuscht, wenn wir zugeben, dass wir nicht weiter wissen. Er freut sich um so mehr über das Vertrauen, das wir ihm zeigen.

Wenn wir mit zerzaustem Haar, vereistem Gesicht und klammen Händen zu ihm kommen, nimmt er uns in den Arm. Dann können wir uns sozusagen auf seinen Schoß setzen. Gott macht uns keine Vorwürfe. Er gibt gerne und ohne Vorbehalte. Dazu müssen wir aber zu ihmkommen und nicht zu jemand anderem gehen.

Jakobus lädt uns ein unsere so tief sitzenden Zweifel Gott gegenüber abzulegen. Das sind die Splitter und Balken in unseren Augen, die er uns nehmen will. Aber dazu müssen wir ihn an unsere Augen lassen, an unsere Ideen, Denkmodelle und Lösungsstrategien, Ansichten und Einsichten.

Jakobus erfindet genau für diese Situation oder jene Herausforderung einen Begriff, den es vorher im Griechischen gar nicht gab. (Das ist übrigens typisch für den Hebräer Jakobus. Er mag es neue Wörter für altbekannte Dinge zu erfinden. Er geht sehr respektlos und experimentierfreudig mit der hohen Griechischen Sprache um.) Er spricht von einem Menschen mit gespaltener Seele (dipsychos). Martin Luther und andere übersetzen Zweifler. Die Bibel Hoffnung für Alle und andere schwankend, unbeständig, haltlos, wankelmütig, halbherzig.

Die Worte, die Jakobus in den Versen vorher und nachher wählt, um diesen Menschen zu beschreiben, scheinen hart und unbarmherzig. Er spricht von schäumenden Wellen, einem großen Durcheinander. Das sind Menschen, besonders Christen übrigens, die Jesus Christus gut finden, sich ihm aber nicht anvertrauen wollen. Jesus ist gut für die augenblickliche Lösung. Sich ihm aber ganz anzuvertrauen, ist ein Schritt zu viel.

Jakobus bleibt aber dabei. Es geht um mehr als um die Antwort auf eine bestimmte Frage. Es geht um den, der vertrauenswürdig ist, Gott, zu dem wir mit unseren Fragen kommen dürfen. Er meint es gut mit Dir. Du darfst Dich ihm anvertrauen. Er hat mit Jesus gezeigt, dass er Dein Menschsein so richtig versteht. Er kennt auch Deine Angst zu ihm zu kommen.

Er nimmt Dich vorbehaltlos an und lässt durch Jakobus fragen, ob Du ihn vorbehaltlos annehmen willst. Mit den Worten von Jakobus also “mit ganzer Seele”. Es ist gut, sich als Christ immer mal wieder daran erinnern zu lassen.

Wenn Du schwankst, findest du Halt bei ihm. Wenn Du unbeständig bist, findest Du neue Beständigkeit bei ihm. Wenn Du mit Deinem Wankelmut zu ihm kommst, nimmt er Dich bei der Hand und hilft Dir auf. Wenn Du mit Deinem halben Herz zu ihm kommst, vertrau ihmauch die andere Hälfte an. Mach es ganz.

Die Nachfolger von Jesus haben das gemacht. Als sie mal im Boot in einen Sturm gerieten und nicht weiter wussten. Da kamen sie mit ihrem kleinen Glauben zu Jesus. Aber sie zweifelten nicht an ihm.

Deswegen dürfen wir, darfst Du wissen: Er stößt Dich nicht weg, sondern freut sich um so mehr, wenn Du genau mit deinem kleinen Glauben zu ihm kommst und Dir helfen lässt. Darin liegt viel Potenzial. Es lohnt sich es nach und nach auszuschöpfen.

Das ist der allererste Schritt zur Antwort auf die Frage: “Was soll ich tun?” und das Bekenntnis: “Ich weiß nicht weiter.Nimm Gott als guten, liebevollen Vater und Herrn an. Lass Dich auf ihn ein. Lass ihn Dein Chef sein und finde so Halt bei ihm, Ruhe, Frieden.

Das ist die erste Antwort von Jakobus auf die Frage nach dem “Was soll ich tun?”. In der nächsten Woche kommt die zweite Antwort, die Jakobus für uns bereit hat. Ich weiß nicht, ob sie Dich befriedigt. Aber ich denke schon, dass es sich lohnt sich darauf einzulassen und sich herausfordern zu lassen.

Amen