Neue Perspektiven… – Wer bin ich? (2)

Predigtmanuskript

Neue Perspektiven ... - Wer bin ich? (2)

Gedanken zu Jakobus 1,10–12; Jakobus 1,18; Jakobus 2,5–7; Jakobus 3,9; Jakobus 4,5; Jakobus 4,14

Heute soll es auf der Reise durch den Jakobusbrief weitergehen. Wie in den letzten Wochen soll es um neue, erneuerte Perspektiven gehen und heute besonders um die Frage: “Wer bin ich?”.  

Es geht in seinem ganzen Brief darum sich als Mensch anzunehmen, der man ist und als Christ beschenken zu lassen, der man sein darf. 

Genau das ist es ja auch, was wir in unserer augenblicklichen Situation neu lernen müssen. Die letzten zwölf Monate haben uns als Menschen und auch als Christenmenschen vor große Herausforderungen gestellt. Wir haben unsere menschliche Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit ganz neu vor Augen geführt bekommen. Niemand kann sich dem entziehen. 

Selbst wenn man bisher gesund geblieben ist, die staatlichen Maßnahmen für übertrieben hält.  Auch, wenn es einen unerwartet und überraschend getroffen hat. Wir werden ganz neu an unsere Grenzen geführt, Grenzen der Gesundheit, besonders der Geduld, aber der Moral. Diese Grenzen kratzen an unserer Befindlichkeit.

Da haben wir einerseits Angst vor dem Virus, andererseits aber auch vor den möglichen Nebenwirkungen einer Impfung. Gleichzeitig ist es so, dass wir gerne geimpft werden wollen, aber auch nicht wirklich als allererste. Denn von den Ersten können wir die Folgen und den Nutzen besser abschätzen. Dann ergibt sich plötzlich eine Möglichkeit außer der Reihe. (Viele von uns sind eben nicht über 80.) Und schwupp, ohne groß nachzudenken, hat sich der eine oder andere ein Pralinchen in Form einer Impfung geschnappt. Man ergreift die Gelegenheit eben beim Schopfe, auch wenn man sie jemand anders hätte gönnen können und sollen. Als Betroffene, die diese Gelegenheit nicht hatten, zeigen wir schnell mit dem Finger auf den Kapitän, der zuerst vom sinkenden Schiff ins Rettungsboot geht. manchmal vielleicht auch gar nicht so zu unrecht. 

Worum es mir geht, ist aber nicht der erhobene Zeigefinger. Vielmehr zeigt uns unsere augenblickliche Situation mehr als viele vorher, wie sehr wir in unserem Menschsein gefangen sind, in unserer körperlicher und charakterlicher Zerbrechlichkeit. 

Genau darum geht es Jakobus in seinem ganzen Brief. Nachdem er sich selbst zuerst gefragt hat: “Wer bin ich?”, fragt er jeden einzelnen ganz persönlich: “Wer bist Du?”. Er nimmt uns rein in die Versammlung der Zerstreuten, die ihre Gedanken neu ordnen sollen, wollen, dürfen: “Wer sind wir? 

Jakobus macht uns unsere Grenzen am Anfang und gegen Ende seines Briefes sehr deutlich. Mittendrin aber zeigt er uns mindestens fünf Merkmale, mit denen Gott uns Christen geschlossene Grenzen weit öffnet. 

Jakobus schreibt deutlich und streng auf der einen Seite. Gleichzeitig malt er uns immer wieder neu Gottes Barmherzigkeit, Güte und Liebe vor Augen. 

Dabei hält er uns einen Spiegel vor, in den wir nicht gerne schauen wollen. Da sehen wir uns, wie wir wirklich sind und erschrecken vielleicht zuerst. Und weil wir schon im Voraus nur widerwillig hineinschauen, sehen wir in der grauen Kleidung, die wir tragen auch nicht, die bunte, die uns Gott anbietet. 

Fangen wir mit diesen grauen Fetzen an. Das ist das Erste.

Nimm die Grenzen Deines Menschseins an.

Gleich am Anfang seines Briefes lesen wir folgendes:

Ein Reicher dagegen soll niemals vergessen, wie wenig sein irdischer Besitz vor Gott zählt. Wie eine Blume auf dem Feld wird er samt seinem Reichtum vergehen. * In der glühenden Mittagshitze verdorrt das Gras, die Blüten fallen ab, und alle Schönheit ist dahin. Ebenso wird es den Reichen ergehen. All ihre Geschäftigkeit bewahrt sie nicht vor Vergänglichkeit und Tod. 

(Jakobus 1,10–11 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015) 

Noch deutlicher wird Jakobus gegen Ende seines Briefs:

Nun zu euch, die mit großen Worten ankündigen: »Heute oder morgen wollen wir in diese oder jene Stadt reisen. Wir wollen dort ein Jahr bleiben, gute Geschäfte machen und viel Geld verdienen.« * Ihr wisst ja noch nicht einmal, was morgen sein wird! Was ist denn schon euer Leben? Nichts als ein flüchtiger Hauch, der – kaum ist er da – auch schon wieder verschwindet. 

(Jakobus 4,13–14 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle 2015)

Jakobus zeigt den Selbstsicheren unter seinen Lesern ganz klar ihre Grenzen. Sie unterscheiden sich in ihrem Menschsein kein bisschen von denen, die jeden Tag aufs neue um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen. 

So gut es ist gesund zu sein. So wichtig es ist, Dinge im Voraus planen zu können. So schön es ist auf Erfolge zurückblicken zu können. All das sind nur kürzere oder längere Episoden in unserem Leben. Das macht Jakobus hier deutlich.

Jakobus ist dabei aber weder Spielverderber noch Spalter der Gesellschaft. Er kritisiert die Wohlhabenden nicht um ihrer Güter willen. Genauso wenig lobt er die Verarmten als Vorbilder. Eifersucht, Geiz und Gier sind eben kein Alleinstellungsmerkmal einer der beiden Gruppen. Vor allem, weil es immer jemand über und unter einem gibt. Der eine lässt sich verleiten durch das, was er zu haben meint, der andere von dem, was er nicht sein Eigen nennen kann. Allerdings trägt die erste Gruppe Verantwortung für die zweite. 

Jakobus warnt also davor uns von den falschen Werten vereinnahmen und treiben zu lassen. 

Er macht dagegen Mut uns in unserem Angefochtensein und in unserer Zerbrechlichkeit als ganze und echte Menschen anzunehmen. Das ist es, was ihm von Anfang bis Ende so wichtig ist.

Mach Dich nicht zu jemand, der Du nicht bist. Übersieh aber auch nicht den großen Wert, den Du als Kind Gottes schon im Hier und Jetzt hast. Nimm eine neue Perspektive ein und sieh den weiten Horizont, der sich vor Dir auftut. Nimm die Liebe Gottes an und lass sie in Dir wachsen und Dich verändern.” Das ist das Zweite und die Mitte seiner Botschaft:

Lass Dir von Gott die Grenzen Deines Menschseins öffnen.

Während Jakobus uns zweimal unüberwindbare Grenzen setzt (nämlich unsere Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit), zeigt er uns dazwischen an fünf Stellen, wie Gott unsere Grenzen weit öffnet und einlädt hindurchzugehen. Wir bleiben auch als Christen ganz Menschen. Aber unsere Perspektive ändert sich total. Wir dürfen die grauen Fetzen gegen bunte Sachen tauschen. Da lesen wir folgendes:

Freuen darf sich, wer auf die Probe gestellt wird und sie besteht; denn Gott wird ihm den Siegeskranz geben, das ewige Leben, das er allen versprochen hat, die ihn lieben.
(Jakobus 1,12 nach der Bibelübersetzung GN)

“Gott hat uns aus seinem freien Willen durch das Wort der Wahrheit, durch die Gute Nachricht, ein neues Leben geschenkt. So sind wir gleichsam die Erstgeborenen seiner neuen Schöpfung.” (nach Jakobus 1,18 aus der Bibelübersetzung GN) 

Hört gut zu, meine lieben Brüder und Schwestern! Hat Gott nicht gerade die erwählt, die in den Augen dieser Welt arm sind, um sie aufgrund ihres Glaubens reich zu machen? Sie sollen in Gottes neue Welt kommen, die er denen versprochen hat, die ihn lieben.
(Jakobus 2,5 nach der Bibelübersetzung GN) 

Sind es nicht die Einflussreichen, die den hohen Namen lästern, der bei der Taufe über euch ausgerufen wurde?
(Jakobus 2,7 nach der Bibelübersetzung GN) 

Mit der Zunge loben wir Gott, unseren Herrn und Vater – und mit ihr verfluchen wir unsere Mitmenschen, die nach Gottes Bild geschaffen sind.
(Jakobus 3,9 nach der Bibelübersetzung GN) 

Es heißt nicht umsonst in den Heiligen Schriften: »Mit Leidenschaft erhebt Gott Anspruch auf den Geist, den er, der Schöpfer, in uns wohnen ließ
(Jakobus 4,5 nach der Bibelübersetzung GN) 

Da zählt Jakobus nicht nur Dinge auf, auf die wir noch warten müssen. Wir sollen uns schon hier und jetzt daran freuen. Wir sollen es wahrnehmen und festhalten und uns davon prägen lassen. 

Wir haben es nicht nötig uns als Leute zu präsentieren, die wir nicht sind. Wir brauchen auch nicht auf die Erfüllung von zukünftigen Versprechen zu warten. Wir dürfen mitten in unserem Menschsein, in den Herausforderungen vor denen wir stehen, in den Anfechtungen, in unserer Zerbrechlichkeit, manchmal auch in der Ausgrenzung wissen, dass wir unheimlich wertvoll sind in Gottes Augen. Lassen wir uns das von anderen Einflüssen nicht nehmen:

Gott gibt uns einen Wert, den wir uns nicht größer erträumen könnten. 

Wir vertrauen seinem Wort, seiner Zusage, und merken, dass wir ein neues Leben bekommen haben. Wir sind wie von Neuem geboren. Wir dürfen alles auf Null setzen (wir müssen es sogar 😉 Wir beginnen alle neu als gleichwertige Kinder Gottes. Wir dürfen unser Menschsein ganz neu denken udn daran freuen.

Noch mehr: Gott ist so stolz auf uns, wie die Eltern auf ihren Erstgeborenen. Auch wenn gute Eltern die später Geborenen nicht weniger lieb haben. Das Erlebnis der ersten Geburt ist eben das der ersten: ganz neu. Die Faszination des ersten neuen Lebens kann durch nichts übertroffen werden. Gott kann seinen Blick einfach nicht von uns wenden, wenn wir uns dem Herrn Jesus, unserm Diener, seinem Sohn, anvertrauen und so neu geboren werden.

Da sind natürlich Menschen, die das nicht zu schätzen wissen. Vielleicht schauen sie sogar abschätzig auf uns herab. Jakobus erinnert uns aber: “Lass Dich nicht von denen treiben, die Deinen Wert nicht schätzen. Lass Dich von dem prägen, der Dir einen großen Namen gegeben hast! Die Taufe ist das sichtbare Zeichen, dass Gott Dich in eine ganz besondere Familie gestellt hat. Du bist jemand Besonderes gemeinsam mit Deinen neuen Geschwistern. Das sprengt alle natürlichen Familienbande. 

Du bist also wie neu geboren und geschaffen nach dem Bild Gottes genauso, wie die ersten Menschen der Weltgeschichte. Das ist doch unglaublich! Gott stellt Dich vor sich und will sich in Dir spiegeln. Du brauchst keinen Vorbildern nachzulaufen, die Dir nur was vorgaukeln. Warum willst Du Dir ein gefälschtes Spiegelbild vorhalten lassen, in dem Du den Wert nicht sehen kannst, den Du durch Jesus bekommen hast? Lass Dir das nicht rauben! Verleugne Den Menschsein nicht. Aber zieh die neue Kleidung an, die Dir Gott anbietet.

Freu Dich seiner unübertroffener Liebe! Als Du ihm Dein Leben anvertraut hast, hat er Dir seinen Geist geschenkt. So will er Dich mit seiner Kraft in Deiner Schwachheit füllen, mit seinen Werten und Eigenschaften. Lass Dich nicht vom Zeitgeist abwerten oder aufwerten. Lass Dich von Gottes Geist bewegen.“ 

Dieser Geist Gottes ist übrigens total eifersüchtig. Weil Gott uns liebt, leidet er unermesslich, wenn wir uns falschen Werten zuwenden. Da zeigt er sich wieder in seiner Schwäche. Jesus wurde schwach für uns um uns stark zu machen, um uns einen großen Wert zu geben. 

Und ganz zum Schluss bekommen wir einen Siegeskranz überreicht. Für Jakobus ist es sogar der erste Punkt in seinem Brief. Er lässt schon am Anfang die Sektkorken knallen. Alle Engel im Himmel jubeln, wenn nur einer umkehrt, erinnert uns Jesus an anderer Stelle. Wir werden auf das Siegertreppchen gebeten und bejubelt. Wir bekommen die Goldmedaille und viele staunen. “Lass sie gucken!

Wir brauchen uns nicht mehr von anderen blenden zu lassen, die auf uns herabschauen. Denn wir schauen miteinander auf den, der uns mitten in unserer Zerbrechlichkeit und im Angefochtensein einen Wert gibt, der durch nichts übertroffen werden kann. 

Das ist die Botschaft von Jakobus: “Schau, wer Du vor Gott bist, und nimm es an!”

Amen!