Ich möchte heute einmal direkt mit dem Predigttext anfangen. Er ist etwas länger, aber gehört zu einen der schönsten in der ganzen Bibel, finde ich. Ich lese die Geschichte aber nicht bis ganz zu Ende, weil da noch was Besonderes drinsteckt.
Grundsätzlich geht es aber darum, wie zwei Männer von einem Karsamstagsglauben oder Ostersamstagsglauben zu einem Ostersonntagsglauben kommen. Vielleicht können wir uns sogar an dem einen oder andere Punkt mit ihnen identifizieren. Schauen wir mal:
“Am selben Tag gingen zwei, die zu den Jüngern von Jesus gehört hatten, nach dem Dorf Emmaus, das zwölf Kilometer von Jerusalem entfernt lag.14 Unterwegs unterhielten sie sich über alles, was geschehen war. 15 Als sie so miteinander sprachen und alles hin und her überlegten, kam Jesus selbst hinzu und ging mit ihnen.16 Aber sie erkannten ihn nicht; sie waren wie mit Blindheit geschlagen.
17 Jesus fragte sie: »Worüber redet ihr denn so erregt unterwegs?« Da blieben sie stehen und blickten ganz traurig drein,18 und der eine – er hieß Kleopas – sagte: »Du bist wohl der Einzige in Jerusalem, der nicht weiß, was dort in diesen Tagen geschehen ist?« 19 »Was denn?«, fragte Jesus.
»Das mit Jesus von Nazaret«, sagten sie. »Er war ein Prophet; in Worten und Taten hat er vor Gott und dem ganzen Volk seine Macht erwiesen.20 Unsere führenden Priester und die anderen Ratsmitglieder haben ihn zum Tod verurteilt und ihn ans Kreuz nageln lassen.21 Und wir hatten doch gehofft, er sei der erwartete Retter, der Israel befreien soll! Aber zu alledem ist heute auch schon der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist!
22 Und dann haben uns auch noch einige Frauen, die zu uns gehören, in Schrecken versetzt. Sie waren heute früh zu seinem Grab gegangen23 und fanden seinen Leichnam nicht mehr dort. Sie kamen zurück und erzählten, sie hätten Engel gesehen, die hätten ihnen gesagt, dass er lebt. 24 Einige von uns sind gleich zum Grab gelaufen und haben alles so gefunden, wie es die Frauen erzählten. Nur ihn selbst sahen sie nicht.«
25 Da sagte Jesus zu ihnen: »Was seid ihr doch schwer von Begriff! Warum rafft ihr euch nicht endlich auf zu glauben, was die Propheten gesagt haben?26 Musste der versprochene Retter nicht dies alles erleiden und auf diesem Weg zu seiner Herrschaft gelangen?« 27 Und Jesus erklärte ihnen die Worte, die sich auf ihn bezogen, von den Büchern Moses und der Propheten angefangen durch die ganzen Heiligen Schriften.
28 Inzwischen waren sie in die Nähe von Emmaus gekommen. Jesus tat so, als wollte er weitergehen.29 Aber sie ließen es nicht zu und sagten: »Bleib doch bei uns! Es geht schon auf den Abend zu, gleich wird es dunkel!« Da folgte er ihrer Einladung und blieb bei ihnen. 30 Als er dann mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, sprach das Segensgebet darüber, brach es in Stücke und gab es ihnen.31 Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn. Aber im selben Augenblick verschwand er vor ihnen.
32 Sie sagten zueinander: »Brannte es nicht wie ein Feuer in unserem Herzen, als er unterwegs mit uns sprach und uns den Sinn der Heiligen Schriften aufschloss?«”
Da sind zwei Männer, tief in ihrer Enttäuschung und Trauer gefangen. Sie sind am ersten Tag der Woche von Jerusalem unterwegs in das Städtchen Emmaus. So aufgewühlt, wie sie waren können sie nicht schweigen. Beim Gehen reden sie über das, was sie die Tage zuvor erlebt hatten.
Sie waren Nachfolger von Jesus gewesen. Sie gehörten nicht zum engsten Kreis der Apostel. Aber auf ihren Platz in der zweiten oder dritten Reihe waren sie sehr stolz gewesen. Sie hatten alles aufgesogen, was Jesus ihnen gesagt hatte. Sie hatten ihm aufmerksam zugeschaut. Vielleicht gehörten sie sogar zu den 70, die Jesus einmal ausgesandt hatte, um überall von Gottes Herrschaft zu erzählen. Alles stimmte und funktionierte, was Jesus ihnen gesagt hatte.
Dann hatten sie sich mit ihm nach Jerusalem zum Passafest aufgemacht, das Fest der Erlösung, der Erinnerung an die Befreiung des Volkes Gottes aus der Sklaverei in Ägypten. Jesus, der neue Mose, der angekündigte Erlöser. Ja, er musste es sein. Dann kam der triumphale Einzug in die Stadt Gottes. Die Massen der Festpilger jubeln ihm zu.
Doch nur ein paar Tage danach wendet sich das Blatt. Die religiösen und politischen Verantwortungsträger des Volkes sind ganz anderer Meinung. Für sie ist Jesus kein Befreier, sondern ein Verführer, vor allem aber eine Bedrohung ihrer Stellung in der Gesellschaft. Ein lang geplanter Anschlag wird nun ausgeführt. Die Stimmung der Massen wendet sich auch. Nur einige sehen wie versteinert zu, was passiert. Jesus endet am Kreuz zusammen mit zwei Verbrechern. Schluss! Aus!
Jetzt sind die zwei unterwegs und rekapitulieren alles nochmal. Sie müssen ihre Enttäuschung und Trauer verarbeiten. Schweigen ist für sie unmöglich.
Ohne dass sie es merken, gesellt sich ein Dritter zu ihnen und hört zu. Es ist Jesus. Ihre Augen sind mit Blindheit geschlagen. Ist es ihre Trauer, die Enttäuschung, vielleicht sogar böse Mächte oder sogar Gott selbst? Wir wissen es nicht. Lukas macht nur deutlich, dass die Beiden das Offensichtliche nicht erkennen können. Am Schluss gibt es aber auch die gute Nachricht. Sie werden von ihrer Blindheit geheilt und erkennen Jesus.
Mittendrin führt Jesus sie von Karfreitag über Samstag zum Ostersonntag, von der Kreuzigung zur Auferstehung, vom Tod ins Leben und rettet sie aus ihrem Karsamstags- oder Ostersamstagsglauben.
Wie viele von uns teilen den mit diesen Zweien? Natürlich – wir wissen, dass Jesus auferstanden ist. Aber unser Leben leben wir so, als wäre es noch nicht geschehen. Wir spüren was von Ostern, aber in uns drin ist noch Samstag.
Nein – wir haben die Uhr nicht an Karfreitag angehalten, aber irgendwie war die Batterie am Samstag vor Ostern doch leer. Oft passiert es ja auch bei Erdbeben oder anderen Katastrophen, dass Uhren bei genau diesem Zeitpunkt stehen bleiben. Das Leben hängt.
Jesus hilft den beiden jetzt in drei Schritten, vom Ostersamstagsglauben zum Ostersonntagsglauben zu kommen. Lukas will uns an diese drei Schritte erinnern.
Erzähl – Hör zu – Erlebe
Jesus selbst lädt uns auch dazu ein, wie die beiden damals. Schauen wir doch mal, was da passiert.
Erzähl doch mal
Jesus stellt sich unwissend und hilft den Beiden, alles nochmal, der Reihe nach durchzubuchstabieren. Das macht er übrigens öfters in der Bibel. Jesus lädt die Menschen ein: “Erzähl doch mal”. Das hat er zu den Nachfolgern vom zweifelnden Johannes dem Täufer auch gesagt, als sie zu ihm kamen und fragten, ob er der Erlöser wäre, ob er die Lösung hätte. Ähnlich geht er auch mit der Frau am Jakobsbrunnen vor und mit Nikodemus…
Manchmal muss man stehen bleiben, um auf den Punkt zu kommen und seiner Enttäuschung Raum und Platz geben.
“Wo und wann ist Deine Uhr stehen geblieben? Schau doch mal zurück, nicht um den Moment zu zelebrieren, sondern als Anlass zu nehmen auch mal davor zu schauen und dann natürlich auch danach. Erzähl das doch mal jemand, dem Du vertraust. Macht das aber mit Jesus im Blick und mit Blick in die Bibel.”
Wie war es bei den zwei Männern? Da war ihre ursprüngliche Hoffnung: “Wir konnten es schon fast greifen und dachten Jesus wäre gerade dabei uns zu erlösen, und dann… …dann zerbrach plötzlich alles.”
Wie geht es uns? Jesus war doch mächtig in Wort und Tat. Das haben wir früher doch auch in der Kinderstunde gehört und geglaubt. Doch dann passierten so ein paar Dinge, die uns ausgebremst haben. Auseinandersetzungen, krumme Beziehungen, fromme Traditionen, die uns komisch vorkamen, kein Durchbruch im Bibellesen, das Gebet fade. Vielleicht kam auch Enttäuschung über die Verantwortlichen dazu (die anderen).
Und wo war Jesus in allem? Am Kreuz, im Grab, verschwunden, geraubt?
Welche Erfahrungen haben Dich geprägt?
Jesus lädt ein zu erzählen, alles mal mit ihm zu rekapitulieren und hört einfach zu. Dann bittet er aber auch um ein Wort und lädt uns selbst ein ihm zuzuhören.
Hör doch mal
Hörst Du meine Stimme? Willst Du meine Stimme hören?
Die drei waren stehengeblieben. Doch Jesus setzt sie wieder in Bewegung. Manchmal ist es gut stehenzubleiben, zurückzublicken zu erzählen. Doch dann will uns Jesus aber auch wieder in Bewegung setzen. Wenn wir beginnen ihm zuzuhören, passiert das.
In dieser Geschichte hilft Jesus den Beiden ihre Enttäuschung und Trauer zurückzulassen, nicht aber ihre Vergangenheit zu verleugnen.
Was Du früher mal mit Jesus erlebt hast, ist heute immer noch wahr. Vergiss das also nicht. Blick Dich aber auch um, was Jesus Dir hier und jetzt und morgen und übermorgen noch zeigen will.
Jesus rügt die beiden Jünger aber auch, weil sie sich in ihren Emotionen vergraben. Sie schauen auf die stehen gebliebene Uhr und sind blind für die Realität, das wirkliche Leben mit Jesus an ihrer Seite. Jesus erteilt die Noten 5 und 6: in der Prüfung durchgefallen. Die ganzen Jahre über nicht aufgepasst. Doch er überrascht auch. Jesus lässt die Beiden nicht sitzen, sondern versetzt sie in die nächste Klasse.
Er geht mit ihnen alles nochmal durch und erklärt ihnen die Bibel; und nicht nur die Bibel, sondern wie die Bibel doch überall mit ihm zu tun hat. Vom ersten Kapitel der Bibel bis zum letzten dreht sich alles um Jesus. Er selbst, Jesus, ist die Hoffnung, von der überall die Rede ist. In ihm liegt nicht nur die Hoffnung. Er selbst ist die Hoffnung.
Die Bibel ist mehr, als eine Betriebsanleitung. Sie ist ein Ort der Begegnung. Such nicht in erster Linie, was Du wie und wann tun sollst, sondern suche Jesus. Lass Dir Mut machen und Dich korrigieren. Aber suche Jesus, suche die Begegnung mit ihm!
Wie lebst Du mit der Bibel? Ist sie mehr diese abstrakte Betriebsanleitung oder ist sie schon ein Ort der Begegnung?
Das eine und andere widerspricht sich natürlich nicht. Jesus lädt Dich aber nicht dazu ein Regeln zu studieren, sondern Gemeinschaft zu leben mit ihm.
Läuft Jesus noch inkognito an Deiner Seite? Ist alles fade und geschmacklos oder spürst Du schon so ein Brennen im Herzen?
Das ist der Punkt, wo Jesus zum dritten Schritt kommt.
Erleb’s doch mal
Da ist dieses persönliche, aber subjektive und doch wieder angenehme Feuer im Herzen, bei dem noch nicht klar ist, worum es sich handelt. Das möchte man festhalten.
Man kommt aus der Kälte in die warme Wohnung. Das ist mehr als nur Urlaub in der Sonne. Das ist Heimat, Zuhause.
Inzwischen sind die drei in Emmaus angekommen. Die zwei Männer sagen: “Bleibe bei uns!”, obwohl sie Jesus noch nicht erkannt haben. Sie beginnen etwas zu erleben, obwohl sie es noch nicht verstehen, einordnen können.
Jesus hatte sie gerügt, aber nicht weggestoßen. Er hatte ihnen schlechte Noten ausgeteilt, aber war den Weg weiter mit ihnen gegangen. Sie lassen sich einladen, weil sie mittendrin etwas Angenehmes spüren. Die Karfreitags- und Karsamstagserfahrungen, alle Enttäuschungen und Trauer und Verwirrung beginnen sich aufzulösen.
“Bleibe bei uns!”
Und Jesus bleibt. Er macht sich greifbar, fassbar und sichtbar. Er gibt sich zu erkennen. Er erinnert an den Abend vor seiner Kreuzigung, an das letzte Abendmahl mit seinen Nachfolgern. Er erinnert damit an die Kreuzigung selbst. Aber indem es Jesus als der Auferstandene macht, bekommt es eine ganz neue Bedeutung.
Für die zwei Männer ist jetzt Sonntag geworden, nicht nur der erste Tag der Woche, sondern eines neuen Lebens. Gott hat etwas ganz Neues geschaffen. Deswegen feiern wir als Christen auch den Sonntag und nicht den Samstag als Tag des Gottesdienstes. Wir feiern einen neuen Anfang und nicht das Ende. Wir lassen das Alte zurück.
Worum es seit Ostern geht
Bei allem Wissen und Nichtwissen ist Eines wichtig. Das Wissen muss mit der Erfahrung zusammenkommen. Was allgemein in der Bibel steht, muss persönlich erlebt werden.
Das beste Bibelwissen nützt nichts, wenn man sich nicht persönlich darauf einlässt. Aber das schönste Erlebnis kann auch zur Täuschung werden, wenn es nicht durch die Bibel gedeckt ist.
Und in dem allen geht es darum, dass Jesus sich fassbar macht, greifbar, sichtbar.
Deswegen gilt uns diese Einladung uns auszutauschen, Jesus alles zu erzählen, auf Jesus zu hören. Dann erleben wir, was die zwei Männer auch erlebt haben. Jesus!