Von Stammbäumen und Telefonbucheinträgen

Mann, Mann, Mann! Das darf doch nicht sein. Muss ich mir das anhören? Da spricht ein Mann über Frauen. Jetzt reicht’s aber, oder?! Das ist ja wieder typisch für die Männer in der Kirche. 

Bevor ich weiter darauf eingehe, eine andere Frage. Stöbern Sie gerne in Telefonbüchern? Oder noch etwas enger gefasst: Haben Sie schonmal versucht ein Telefonbuch auswendig zu lernen? Ich erinnere mich noch daran, wie da jemand eine Wette im Fernsehen eingegangen ist. Erinnern Sie sich auch noch? Was hat das aber bitteschön mit Männern zu tun, die über Frauen reden? Nun, es sind die Details. Manchmal findet man im Telefonbuch ja auch ganz interessante und ungewöhnliche Namen und darüber hinaus echte Menschen. 

In der Bibel gibt es auch so einige Abschnitte, de eher an Telefonbücher erinnern. Matthäus, ein Mann und ehemals korrupter Zollbeamter, schreibt da einen Bericht über Jesus. Das erste Kapitel ist eigentlich etwas zäh. Da werden einfach nur viele Namen der Vorfahren von Jesus aufgezählt. Eigentlich nicht sehr spannend. Doch halt! In der damals sehr stark männerdominierten Gesellschaft setzt er deutliche Akzente. Er erwähnt unter den vielen Vorfahren von Jesus fünf ganz besondere Frauen. Damit holt er sie nicht als Feigenblatt aus der Schublade der Geschichte. Er hinterfragt das Familienbild seiner Zeit und kritisiert das Verhalten der Männer, indem er sie in den Hintergrund stellt. Was sind das für Frauen? Es sind Frauen, die alle unter die Räder ihrer Gesellschaft gekommen waren. 

Da ist Tamar, die Verschmähte und verzweifelt zur Prostituierten wird. Ich kennen kaum eine traurigere und bittere Geschichte in der Bibel. Da ist Rahab, die eher ein ein leichtes James-Bond-Girl erinnert und Spione versteckt. Da ist Rut, die Ausländerin, die trotz Fremdenfeindlichkeit eine neue Heimat findet. Ohne es zu ahnen, wird ihr Enkel später sogar König. Eine der romantischsten Geschichten der Bibel. Aber da ist auch eben auch Batseba. Die wird von eben diesem sonst vorbildlichen und zuverlässigen König, verführt. Dazu verliert sie durch einen üblen Mordanschlag ihren eigentlichen Mann, einen der treuesten Offiziere des Königs. Und schließlich stoßen wir auf Maria, die Mutter von Jesus. Wovon nur sehr selten gesprochen wird ist, dass sie ihr Leben lang mit dem Ruf zurechtkommen muss ein leichtes Mädchen gewesen zu sein, die von einem zum anderen Bett springt. Ein grobes Unding damals. 

Matthäus erwähnt diese fünf Frauen nur nebenbei. Er wirft die Nadel damit aber nicht in den Heuhaufen. Ganz im Gegenteil. Er legt seine Finger voll in die versteckte Wunde seiner arroganten Gesellschaft. 

Dann macht Matthäus aber auch eins deutlich. Gott identifiziert sich mit uns Menschen selbst in den Brüchen und Gemeinheiten unserer eigenen Geschichte. Genau deswegen sendet er seinen Sohn Jesus und wird Teil unserer Geschichte. Genau deswegen sind die trockenen Einträge des Stammbaums so wichtig für Matthäus. Denn gleich danach fügt er an: 

Er, Jesus, wird sein Volk retten von ihren Sünden

(Matthäus 1,21)

Das hat Matthäus selbst erlebt. All das Kaputte in unserer Geschichte. Das, was andere uns angetan haben. Aber denk mal nach. Auch das, was wir vielleicht anderen zugemutet haben. Genau das dürfen wir zu Jesus bringen und heilmachen lassen. Mit ihm können wir unsere Vergangenheit nicht ändern. Aber wir dürfen unsere Zukunft neu gestalten. Bei ihm gibt es keinen Status Quo. Er beginnt neu mit uns! Matthäus lädt uns ein die Einladung anzunehmen – immer neu. Herzlich Willkommen also in der Familie Gottes!