Das schönste Lied

(Ein paar Gedanken zum schönsten Lied in der Bibel, dem Lied der Lieder, dem Hohenlied.)

Was ist eigentlich Dein Lieblingslied? Wenn mich das jemand fragen würde, könnte ich spontan gar nicht antworten. Es sind so viele Lieder, die ich mag. Von Zeit zu Zeit ändert auch meine Hitliste. Wenn ich zurückdenke, hat sich auch mein Musikgeschmack geändert oder besser gesagt, angepasst oder noch besser, erweitert. Besonders deutlich wurde mir das, als ich meine Frau kennengelernt habe. Da kamen zwei Musikgeschmäcker zusammen und haben sich vermischt. Die Musik, die ich vorher wohl nie gehört hätte, klingt immer wieder aus den Lautsprechern in unserer Wohnung. Mein Musikgeschmack ist reicher geworden, weil ich mich auf den ihren eingelassen habe; vielmehr noch: weil ich mich auf sie eingelassen habe. Das hat mich verändert und auch mein Leben reicher gemacht und ihres auch, glaube ich. 

In der Bibel finden wir auch sehr viele Lieder. Die meisten sind im Buch der Psalmen gesammelt. Dann gibt es aber auch noch ein Buch mit dem Originaltitel ‘Lied der Lieder’. Übersetzt wurde es meist als ‘Das Hohelied’. Es ist ein Liebeslied, das das Kennenlernen von zwei Menschen beschreibt bis zu ihrer Hochzeit. Es beschreibt auch die Sorge der Brüder um ihre Schwester. Daneben taucht sogar der Spott anderer auf, die dem Mädchen die Liebe nicht gönnen oder sie sogar ersticken wollen. Ihre Freundinnen dagegen freuen sich mit ihr, wenn auch mit gewissem Unglauben, dass sich die größten Wünsche in ihrer Freundin erfüllen. Sie fragen sie:

Was hat dein Geliebter einem anderen voraus, du schönste unter den Frauen? Was hat dein Geliebter einem anderen voraus, dass du uns so beschwörst?

(Hohelied 5,9 nach der Zürcher Bibelübersetzung von 2007)

Dasselbe hätten sie auch ihrem Geliebten fragen können. Denn das ganze Lied singt sich wie eine Explosion gegenseitiger Bewunderung. Sie ist romantisch, bildreich, nachvollziehbar und so natürlich, wie man sie kaum in der Bibel erwartet hätte. Aber genau dort finden wir dieses Lied der Lieder, dieses hohe Lied

Es erinnert uns daran, dass Gott die Liebe zwischen Mann und Frau wertschätzt. Da ist nichts zu verstecken. Da ist im Gegenteil unheimlich viel, woran man sich freuen kann und worüber man sich Gedanken machen soll. Wir sollen sich nicht abbringen lassen von dieser fokussierten Liebe auf den einen Geliebten. Wir sollen sogar darum kämpfen, sie also so ernst nehmen, wie sonst nichts. 

Dieses Lied erinnert uns aber auch daran, dass Gottes Liebe zu uns auch so stark ist und noch viel stärker. Es lädt uns sogar ein, die zu suchen, die so hoffnungslos in Gott verliebt sind, dass er ihnen Hoffnung schenkt. Vielleicht klingt uns der Vergleich dieses Liedes mit dem christlichen Glauben zu profan oder sogar unpassend. Aber wenn wir mal die Bibel durchblättern, finden wir immer wieder denselben Vergleich der Liebe Gottes zu seinem geliebten Volk, wie der eines Mannes zu seiner Frau und eines Verlobten zu seiner Verlobten. Der Prophet Hosea beschreibt wie kein anderer, wie diese Liebe verloren gehen kann, weil das geliebte Volk Gottes sich hat ablenken lassen. Ist es dort Gott als Ehemann, der sich nach der Liebe seines Volkes zurücksehnt, finden wir hier im Lied der Lieder, im Hohenlied, die Liebe des Volkes nach seinem Gott. Der Apostel Paulus nimmt dieses Bild der Liebe immer wieder auf und schreibt:  

Ihr Männer, liebt eure Frauen so, wie Christus seine Gemeinde liebt: Er hat sein Leben für sie gegeben,

(Epheser 5,25 nach der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)

Nehmen wir doch Beides wahr und ernst und freuen uns daran. Die Liebe zwischen uns Menschen, die Gott so geschaffen und gewollt hat. Die Liebe Gottes, des Schöpfers, der uns nie aus den Augen und Gedanken verliert, weil er uns so liebt, dass er nicht nur unser Leben geschaffen, sondern seines auch für uns gegeben hat. Kultivieren wir doch diese Liebe. Lassen wir uns faszinieren von diesem einen, ganz besonderen Menschen und von Gott, der uns diesen Menschen anvertraut hat. Lassen wir uns davon nicht ablenken, fokussiert und treu bleiben und uns daran freuen.

Und beantworten wir doch mal diese Frage der Freundinnen an ihre verliebte Freundin: “Was fasziniert Dich so sehr an Deinem Geliebten? was macht ihn so einzigartig? Warum willst Du mit keinem anderen zusammen sein?” Dann aber auch: “Was macht Deinen Glauben an Jesus so einzigartig? Was macht ihn so besonders? Warum willst Du Dich keinem anderen so anvertrauen, wie ihm?” 

Das ist doch mal eine tolle Hausaufgabe, oder? … und wer weiß, vielleicht wird es das schönste Lied, Dein neues Lieblingslied, Dein Lied der Lieder?