Predigtmanuskript
Was macht uns eigentlich Angst?
Was sollte uns Angst machen und wem sollten wir uns damit anvertrauen? Darauf gibt uns der Predigttext zum Reformationstag Antworten. Martin Luther stellte sich seinen Ängsten und brachte sie vor Gott. Als er auf dem Reichstag zu Worms angeklagt und aufgefordert wurde, seine Aussagen zu widerrufen, erbat er sich einen Tag, um darüber nachzudenken. Die ganze Nacht schlief er nicht, sondern sprach mit Gott. Seine Zweifel und die Drohungen waren ihm zu schwer. Er musste sie irgendwo abladen. Seine Heimat, seine Kirche, war sein ganzes Leben. Genau das setzte er aufs Spiel. Letztendlich kam er zum Schluss: „Dieses Spiel gewinnt Gott. Nur mit Jesus kann ich dem standhalten.“ So tritt er mit den überlieferten, so sehr bekannten Worten, vor seine Ankläger: „Nun stehe ich hier und kann nicht anders, … Gott helfe mir! Amen.“
Martin Luther stand auf, um die Gute Nachricht, das Evangelium von Jesus, wieder in den Mittelpunkt zu stellen. „Komm zu Jesus! Lass Dich nicht aufhalten. Schau auf ihn! Lass Dich nicht ablenken.“
Unsere Ängste heute sind ganz andere. Die Antwort ist aber dieselbe. In diesem Jahr haben uns Ängste gepackt, die wir uns nicht hätten vorstellen können. Jeder geht anders damit um. Die einen ignorieren sie. Die anderen sind eingeschüchtert. Die einen tanzen um so mehr. Die anderen blicken wie gelähmt in die Augen einer Giftschlange. Da ist eine reale Gefahr, die wir aber als direkt nicht Betroffene gar nicht richtig abschätzen können. Es ist eine diffuse Gefahr, der wir uns stellen müssen. Die einen tun es unwillig, die anderen im vorauseilenden Gehorsam mehr als nötig.
Für uns, die wir uns nach Jesus Christus Christen nennen, ist es eine echte Probe unseres Christseins. Was macht diese Stresssituation mit uns? Wie gehen wir mit unseren Mitchristen und ihren Reaktionen um? Schaffen wir es in dieser Zeit wirklich auf Jesus zu schauen, von dem wir unseren Namen bekommen haben? Sind wir bereit gemeinsam, zumindest in seine Richtung zu stolpern?
Die Worte von Jesus, an die uns Matthäus erinnert, wollen und können uns beim Sortieren und Aufräumen unserer Gedanken helfen.
Matthäus 10,26-32 (Lutherübersetzung 2017)
Darum fürchtet euch nicht vor ihnen.
Denn es ist nichts verborgen, was nicht offenbar wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. 27 Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das verkündigt auf den Dächern.
28 Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, doch die Seele nicht töten können; fürchtet viel mehr den, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle. 29 Verkauft man nicht zwei Sperlinge für einen Groschen? Dennoch fällt keiner von ihnen auf die Erde ohne euren Vater. 30 Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Haupt alle gezählt.
31 Darum fürchtet euch nicht; ihr seid kostbarer als viele Sperlinge.
32 Wer nun mich bekennt vor den Menschen, zu dem will ich mich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel. 33 Wer mich aber verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem Vater im Himmel.
Wenn wir diesen kurzen Abschnitt hören, müssen wir uns daran erinnern, dass er nur ein Teil einer Rede von Jesus an seine Nachfolger ist. Es geht darum, dass er sie mit seiner Guten Nachricht zu den Menschen sendet. Dabei spricht er finanzielle Ängste an. Sie betreffen Kleidung und Nahrung und ein Zuhause. Die größte Bedrohung bilden aber in seinen Augen die Menschen, welche die Gute Nachricht als persönlichen Angriff verstehen. Sie fühlen sich angegriffen und reagieren aggressiv. Das ähnelt sehr an die Situation von Martin Luther. Da kommt ein ganzer Pack an Bedrohungen auf die Nachfolger von Jesus zu, die einen hintergründig, die anderen klar und offen.
Dabei sendet Jesus seine Leute mit einer Guten Nachricht: „Erzählt allen davon, dass Gottes Herrschaft nahe ist. Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige gesund (wascht die Schmutzigen), treibt Dämonen aus.“ Jesus sagt: „Tut Gutes, wohin ihr auch kommt. Lasst Euch von Gott beherrschen. Erzählt davon. Seine Herrschaft ist mit Euch.“
Auch wenn unsere Situation eine ganz andere ist. Die Botschaft und Zusage von Jesus ist doch dieselbe. Wie gehen wir also mit unseren persönlichen Herausforderungen, Grenzen, Ängsten und Sorgen um?
Jesus will seinen Leuten, will uns, Mut machen und sagt dreimal: „Fürchtet Euch nicht!“, einmal aber: „Fürchte Dich an der richtigen Stelle!“ Kurz gesagt bedeutet das: „Ersetze Gott nicht durch Deine Ängste! Lass Deine Ängste nicht zu Deinem Gott werden. Lass Gott über Deinen Ängsten stehen! Lass ihn Priorität in Deinem Leben sein. Du kommst sonst aus dem Hamsterrad Deiner Wünsche, Hoffnungen, Sorgen und Ängste nicht raus. Lass ihn das Rad stoppen und komm zur Ruhe!“ Wie geht das? Drei Hilfen dazu:
- Hab keine Angst Geheimnisse zu verraten, von Jesus, von Dir.
- Hab erst recht keine Angst vor der Reaktion der Menschen.
- Mach ernst, die Fürsorge des himmlischen Vaters in Anspruch zu nehmen.
Hab keine Angst Geheimnisse zu verraten
Manchmal habe ich die Befürchtung, dass ich die Gute Nachricht von Jesus selbst noch nicht ganz verstanden habe. Ich glaube, wir müssen uns das immer wieder selbst sagen und dann unserem Nachbarn: „Ich habe eine Gute Nachricht! Jesus hat eine Gute Nachricht für Dich!“ Schau jetzt mal Deine Sitznachbarin, Deinen Sitznachbarn an und sag zu ihm genau das.
Diese Gute Nachricht führt aber dazu, dass man mit seinen eigenen Grenzen, Geheimnissen, Sorgen, Ängsten, Fehlern nicht isoliert von anderen zu Jesus kommen muss. Wenn wir mit ihm darüber sprechen und uns ehrlich dazu stellen, können wir auch Dinge mit unseren Mitmenschen bereinigen, die im Augenblick im Verborgenen liegen. Das sind Dinge, die uns bedrücken, die uns reizbar machen oder depressiv. Diese Dinge beginnen uns zu steuern, uns zu beherrschen. Und nach und nach vergessen wir die erste Botschaft von Jesus: „Die Herrschaft Gottes ist nahe gekommen.“ Wie nahe ist sie Dir gekommen, diese Botschaft, diese Herrschaft?
Von wem lasse ich mich beherrschen? Von der Meinung meiner Mitmenschen oder von den Medien, von dem Gerede über die Pandemie oder der Pandemie selbst? Jesus fordert uns dazu auf, uns dem zu stellen und damit zu ihm zu kommen. Er möchte das Steuer in unserem Leben wieder übernehmen und uns in ruhiges Fahrwasser leiten.
„Nimm die Gute Nachricht wieder als Gute Nachricht an!“ „Was ich Dir zuhause in der Stillen Zeit beim Gebet und beim Bibellesen gesagt habe; das behalte nicht für Dich. Was Dich bedrückt, teile es mit anderen und bringt es gemeinsam vor den Herrscher.“
Alles wird offenbar. Vor Gott gibt es keine Geheimnisse. Jesus ist deswegen auch kein Heimlichtuer. Nicht alles gehört an jeden Platz. Aber vieles hat seinen Platz und das Ohr noch nicht gefunden, wohin es gehört und bleiben kann. Hab also keine Angst, die Gute Nachricht von Jesus selbst anzunehmen und anderen nicht vorzuenthalten.
Hab keine Angst vor der Reaktion der Menschen
Es ist ja schon eine komische Sache. Warum haben wir Angst öffentlich mit Gott zu reden, also zu beten? Könnte da jemand lachen oder schmunzeln oder uns nicht ernst nehmen? Warum sollten es gerade meine Mitchristen sein, vor denen ich Angst habe, laut mit Gott zu reden?
Zu oft haben wir oder andere den groben Fehler gemacht uns zu kritisieren, wenn wir es versucht haben: „Du musst lauter beten. Ich verstehe dich nicht.“ „Warum betest Du denn für sowas. Das ist doch viel zu unwichtig.“ Das sind nur zwei von unendlich vielen Reaktionen, die das Beten zur Last gemacht haben. Ich denke, der eine oder andere muss für solche Gedanken oder Worte oder Reaktionen Buße tun. Dann ist da aber auch irgendwas Komisches, das uns hindert uns als Christ zu benehmen. Es hat mit uns zu tun und unseren Bedenken. Da lassen wir uns von uns beherrschen, von unseren Mitmenschen und vergessen, dass Gottes Herrschaft uns nahe ist und uns und anderen so unheimlich gut tun würde.
Jesus sagt deswegen: „Wenn Du Gott fürchtest, also den, der Dir nichts vorenthalten will. Warum fürchtest Du dann noch jemand anders?“ Das hört sich paradox an, widersprüchlich. Aber so ist es. „Gib dem Prioritäten, der sich letztendlich um Dich kümmert. Verweise alle anderen ans Ende der Warteschlange. Und wenn sie sich wieder vorgearbeitet haben. Dann schließe die Kasse und gehe mit Jesus nach Hause. Lass die anderen stehen und gib Jesus Priorität in Deinem Leben. Immer wieder neu.“ Das bedeutet es, Gott zu fürchten.
Mach also ernst damit, die Fürsorge des himmlischen Vaters in Anspruch zu nehmen.
Jesus sagt: „Fürchte Dich nicht! Fürchte Dich nicht! Fürchte Dich nicht!“ Dreimal sagt er das. „Du bist unendlich viel wert vor Gott, der Dich schon kannte, als Du noch nicht geboren warst.“ Gott kannte uns also schon, als unsere Mutter und Vater noch nichts von uns wussten. Wen Gott einmal kennenlernt. Den vergisst er nicht. Bei ihm haben wir schon einen Namen, bevor wir einen von unseren Eltern bekommen. Dieser Name ist: „Wertvoll“ Sag das doch mal deiner Sitznachbarin, deinem Sitznachbarn: „Du bist wertvoll vor Gott.“
Jesus benutzt das Bild eines Schwarms Spatzen. Sie gehörten auf dem Markt zum billigsten Tagesmenü mit Fleischgehalt. Ein erwachsener Haussperling wiegt zwischen 24 und 40 Gramm, ein Feldsperling kommt nur auf 24. Wenn wir uns mal einen 80-Kilo-Mann vorstellen, wären das 3.333 Feldsperlinge oder 2000 fette Haussperlinge. Das ist nicht nur ein Schwarm. Das wäre eine Plage von Spatzen. Und was für ein Lärm! Gott liebt es, sich mit Lärmern zu umgeben.
Jesus sagt: „Du bist noch viel mehr wert!“ Selbst um einen kleinen Spatz kümmert sich Gott und vergisst ihn nicht. Wenn er auch als kleines Küken aus dem Nest fallen sollte. Gott fällt mit ihm. „Dennoch fällt keiner von ihnen ohne euren Vater.“ Er stürzt sich hinter uns herunter, überholt uns im Sturz und fängt uns in seinen Armen. Das ist der Sinn und die Bedeutung von Jesus am Kreuz, Jesus, dem Auferstandenen.
Wovor hast Du Angst? Warum sollten wir das anderen Menschen vorenthalten? Sollte diese Gute Nachricht ein Geheimnis in unserer Stadt bleiben? Gerade jetzt?