Sich was sagen lassen

Sich was sagen lassen

Ich beginne die Predigt heute mal mit einer Tiergeschichte. Als ich in Kolumbien lebte, hatten wir auf dem Gelände unseres Ausbildungszentrums einen Wachhund namens Sansón. Sansón war ein schmutziger Boxer, d.h. kein reinrassiger Hund. Aber er war stark und ein guter Wächter, und er liebte Menschen, die er kannte. Was er gar nicht mochte war allerdings, sich etwas sagen lassen. Der Kuchen auf der Veranda war schnell verschwunden, wenn man kurz ins Haus gegangen war um noch was zu holen. Wenn man ihn dann rügte, senkte er zwar den Kopf und rollte mit deutlich schlechtem Gewissen mit den Augen. Das bedeutete aber nicht, dass er sich ändern wollte. Einmal wurde er sogar etwas zornig. Wahrscheinlich lag das alles auch an unserer fehlenden Kompetenz ihn richtig zu trainieren und daran, dass wir ihn nicht als Welpen bekamen, sondern knapp ein Jahr später später adoptiert hatten. Auf jeden Fall und trotz allem liebten wir ihn sehr mit einer Ausnahme, nämlich unsere Katze Susi. Aber das ist eine andere Geschichte. 

Worum es heute, im sechsten Teil der Reise durch das Markusevangelium, geht ist jedenfalls folgendes. 

Der Anfang der Guten Nachricht von Jesus Christus, dem Sohn Gottes besteht auch darin, sich etwas sagen zu lassen. 

Es geht darum, dass es Jesus wichtig ist, uns manchmal auch mit uns selbst zu konfrontieren. Das hat gar nichts mit Strafe zu tun, sondern ist fester Bestandteil der Guten Nachricht, die er für uns hat. Wir sind nicht seine Haustiere, die er für einen bestimmten Zweck bei sich hat. Er braucht uns weder als Wächter, noch als Gesellschafter. Ganz im Gegenteil. Er selbst hält Wache über uns und ist gerne mit uns zusammen. Deswegen will er bei uns sein. Deswegen hilft er uns zu wachsen, besonders auch, um uns zu helfen über uns selbst hinaus zu wachsen. 

Er konfrontiert uns mit uns selbst aus zumindest drei Gründen.

  • Erstens: Jesus will uns öffnen für uns selbst.
  • Zweitens: Jesus will uns öffnen für den Anderen
  • Drittens: Jesus will uns öffnen für das Miteinander 

All diese Punkte können wir in den drei Begebenheiten wiederfinden, die ich im Jesusbericht von Markus zu diesem Thema entdeckt habe. Deswegen will ich bei jeder Begebenheit einen besonderen Schwerpunkt legen.

Erstens: Jesus will uns öffnen für uns selbst.

Damit fange ich bei der empfindlichsten Stelle an, nämlich unserem Egoismus, der uns daran hindert uns mit uns selbst konfrontieren zu lassen. Der hindert uns nämlich sogar daran, uns etwas Gutes tun zu lassen. Wenn Jesus uns mit uns selbst konfrontiert, will er uns etwas Gutes tun. Er will unsere verschlossenen Herzen öffnen und neu füllen und ist dabei sehr hartnäckig.

Eines Tages legt Jesus mit dem Bot am östlichen Ufer des Sees Genezareth an. Da kommt ihm schon ein bedrohlicher Mensch entgegen, will aber eigentlich nichts mit Jesus zu tun haben. Jesus lässt jedoch nicht locker. Er hat Mitleid mit diesem so ganz unsympathischen Mensch, der von einem ganzen Haufen Dämonen besessen ist. Sein, ihm aufgezwungenes Lebensmotto ist Aggression und Selbstzerstörung. Eigentlich kein Lebensmotto, sondern einsamer Tod auf Raten. 

Jesus geht diesem eigentlich wenig bemitleidenswerten Menschen nicht aus dem Weg. Er befreit ihn von den Dämonen. Er ist wirklich der Sohn Gottes. Das Problem dabei: eine ganze Schweineherde stürzt sich in Panik in den See und ertrinkt. Markus berichtet uns jetzt folgendes: 

Daraufhin baten die Leute (aus dem nahegelegenen Dorf) Jesus, er möge ihre Gegend wieder verlassen.

(Markus 5,17 - Ich zitiere heute mal ausschließlich aus der Bibelübersetzung Hoffnung für Alle)

Jesus konfrontiert diese Menschen mit einem befreiten, geheilten Menschen. Friede und große Freude nimmt den Platz ein, der von Aggression gegen sich und andere in Beschlag genommen gewesen war. Es gibt nur ein Problem. Der Preis, den Jesus dem ganzen Dorf aufbürdet, ist den Menschen zu hoch. Sie schauen auf sich und ihr Einkommen. Und genau das verschließt sie davor Jesus in ihr Dorf einzuladen. Sie kommen gar nicht darauf, dass Jesus auch die anderen Kranken und Besessenen in ihrer Mitte heilen könnte. Eigentlich sind sie die Besessenen, besessen von sich selbst und verschlossen für andere. Jesus, verlass uns bitte wieder.”, ist die Reaktion. Die Menschen merken gar nicht, wie sie Jesus mit sich selbst konfrontiert. Sie bleiben verschlossen in ihrer Nabelschau.

Jesus akzeptiert diese Entscheidung und bittet den Geheilten zuhause zu erzählen, was Gott an ihm getan hat. Der Befreite belässt es dabei aber nicht, sondern zieht von Dorf zu Dorf und Stadt zu Stadt und berichtet in der ganzen Gegend von dem, wie Jesus ihn befreit hat. 

Jesus bleibt hartnäckig. Er selbst geht auf die Bitte ein zu gehen. Aber er lässt den Geheilten dort, damit die Menschen immer wieder mit ihm konfrontiert werden. 

Wie ist das mit uns? Fällt uns auch auf, dass wir mehr mit uns als mit anderen beschäftigt sind? 

Diese Frage ist aber nicht die Moral der Geschichte. Es geht darum, dass Jesus gekommen ist, um uns zu befreien von uns selbst für andere. Wenn Du merkst, dass Du in Dir gefangen bist. Dann verbohre Dich nicht in dem Gedanken. 

Nimm das Angebot von Jesus in Anspruch. Denke also nicht, dass Jesus Dich nur hinterfragen will, um Dich runterzuziehen. Er will Dich ganz im Gegenteil befreien, in eine neue und echte Freiheit führen, die Dir und anderen gut tut. Jesus kann das! 

Zweitens: Jesus will uns bewahren vor uns selbst.

Hier kommen wir zu einem anderen ganz empfindlichen Punkt, der Heuchelei. Wie der Egoismus hält er uns in uns selbst gefangen. Beide nehmen Besitz von uns. Letztendlich geht es bei der Heuchelei darum, dass wir vor uns selbst fliehen, indem wir uns und anderen etwas vormachen. Jesus brandmarkt kaum eine andere Haltung so stark, wie die Heuchelei.

Jesus antwortete: »Wie recht hat Jesaja, wenn er von euch Heuchlern schreibt: ›Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber mit dem Herzen sind sie nicht dabei. … Jesus fuhr fort: »Ihr geht sehr geschickt vor, wenn es darum geht, Gottes Gebote außer Kraft zu setzen, um eure Vorschriften aufrechtzuerhalten.

(Markus 7,6 und 9)

Vorher ging es darum, dass Jesus und seine Nachfolger kritisiert wurden, weil sie sich nicht an die religiösen Traditionen hielten. Als Jesus seinen Kritikern daraufhin antwortet, geht es ihm gar nicht darum, diese Traditionen abzuwerten. 

Jesus betont dagegen um so mehr, dass unser äußerliche Verhalten dazu passen muss, was wir innerlich leben. Für Jesus gibt es keinen Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Lebenswandel. Genauso wenig gibt es für Jesus einen Unterschied zwischen äußerer Religion und innerer Spiritualität. 

Wenn wir beginnen beides zu trennen und je für sich zu bewerten, beginnen wir zu heucheln. Unser Glaube betrifft uns ganz oder garnicht. Jesus will uns davor bewahren uns selbst zu zerreißen. Deswegen konfrontiert er die Menschen damals, wie auch uns heute, manchmal mit sehr deutlichen Worten. 

Vergiss also nicht, dass Jesus Dich so sehr lieb hat, dass er Dich ganz will. Er will bei Dir sein, wenn Du zuhause bist und auf Arbeit, wenn Du im Gottesdienst sitzt oder für Dich allein im stillen Kämmerlein. Das ist so gut zu wissen. Jesus entzieht sich uns nicht an bestimmten Orten. Jesus will ganz bei uns sein und uns ganz haben, nicht nur halb.

Drittens: Jesus will uns heilen für das Miteinander 

Hier kommt Jesus auf den Kern der Sache. Vielleicht ist es auch das Schmerzhafteste, etwa so wie die Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Aber es ist andererseits auch viel komplexer. Meistens lässt sich das Leben eben nicht in schwarz und weiß aufteilen oder in “Ich habe recht und du nicht.”. Solche Situationen sind trotzdem nicht leicht zu ertragen. Genau darauf geht Jesus ein.

Eines Tages wird er darauf angesprochen, was er von der Ehescheidung hält. Immerhin hätte sie Mose ja erlaubt. In der alten jüdischen Tradition gab es also schon die Möglichkeit sich scheiden zu lassen. Viele nahmen es leider als Erlaubnis und Entschuldigung, als willkommene Option für einen Partnertausch.

Doch dann kommt Jesus. Und irgendwie haben die Menschen den Eindruck, dass Jesus das ganz anders sieht, Mose hinterfragt und Gottes Gesetz nicht ernst nimmt. Wie antwortet Jesus? 

Jesus entgegnete: »Das war nur ein Zugeständnis an euer hartes Herz. 

So lesen wir es in Markus 10,5. Damit legt Jesus den Finger mitten in die Wunde. Das Problem ist also nicht, dass man sich trennt. Das Problem ist unser hartes Herz. Es geht darum, dass wir nicht bereit sind Eingeständnisse zu machen, aufeinander zuzugehen, miteinander zu reden, den anderen zu verstehen, uns auf unsere Nächsten einzulassen. 

Und dabei geht es um die Verantwortung beider Parteien. Wenn wir ein weiches Herz haben, gehen wir Beide aufeinander zu. Dann haben wir keine Angst etwas zu verlieren. Dann sind wir bereit uns selbst loszulassen. Das Bittere an der Sache ist, dass es nicht so einfach ist. Manchmal ist eine Trennung wirklich die weniger schlechte Lösung. Aber das ist ja gerade der Punkt, den Jesus anspricht.

Besonders geht es darum, uns auf Gott einzulassen als Schöpfer mit guten, mit den besten Absichten für uns. Das schaffen wir nicht; und deswegen schickt Gott Jesus zu uns, damit er sich zwischen uns stellt und wir gemeinsam auf ihn schauen. Es kommt auf Jesus an. Wenn wir uns auf ihn einlassen, wird er uns befreien von allem, was uns gefangen hält. Bringen wir ihm unser hartes Herz. Lassen wir nicht unseren Mitmenschen daran zerschellen.

Jesus will uns öffnen, bewahren und heilen. Darin besteht die Gute Nachricht. 

Um uns darauf hinzuweisen, konfrontiert er uns mit uns selbst, mit unseren Grenzen, Schwächen und auch Bosheiten, mit Egoismen, Heuchelei und Halb- und Hartherzigkeit. Er macht das aber nicht, um uns auf den Boden runterzuziehen und dort liegen zu lassen. Er ist gekommen uns aufzurichten und unser hartes Herz wieder geschmeidig zu machen. Und wenn wir gebrochen zu ihm kommen. Wenn wir keinen Ausweg mehr gesehen haben als den Scheidebrief und unser hartes Herz spüren, das immer langsamer schlägt, weil es so verkrustet ist. 

Dann ist es Zeit sich Jesus anzuvertrauen. Er wird uns nicht wegstoßen. Denn würde er das tun, hätte er uns nie mit uns selbst konfrontiert. Lassen wir uns also von Jesus etwas sagen: “Dein Herz ist hart - ich mache es wieder heil und weich! 

Als Jesus auferstanden ist, bekommen die Frauen, die das leere Grab als Erste entdeckt hatten einen besonderen Auftrag: 

“Geht zu den Jüngern und zu Petrus und sagt ihnen, dass Jesus euch nach Galiläa vorausgehen wird. Dort werdet ihr ihn sehen.”

(Markus 16,7)

Genau die, die Jesus am Kreuz verlassen hatten, werden jetzt eingeladen ihm neu zu begegnen. Jesus wartet auf sie. Lasst uns aufstehen und  seine Einladung annehmen.